Zunächst vielen Dank an alle lieben Aufmunterungsversuche. Sie sind bei mir angekommen, aber mir fehlten die Wörter, um ihnen adäquat zu begegnen.
Glatteis
Heute Morgen war es sehr glatt auf dem Weg zum Bus. Das erinnerte mich an eines unserer letzten Treffen vor nunmehr über einem Jahr. Es war im Januar. Du hattest in Deiner neuen Wohnung auf die Lieferung der Matratzen gewartet, die wir zusammen ausgesucht hatten. Du wartetest den ganzen Tag.
Ich wusste, dass diese nicht kommen würden, weil leider der unzuverlässigste Lieferdienst aller Zeiten mit der Zustellung beauftragt war. Schon bei normalen Witterungsverhältnissen versagen die Zusteller. Du hast mir Pessimismus vorgeworfen und gewartet und gewartet und gewartet. Nichts passierte. Gegen Abend hast Du Dich entschlossen, zu mir zu kommen. Doch Du warst wohl wütend, weil ich Recht behalten hatte. Dabei habe ich mir jedes Das habe ich dir doch gleich gesagt verkniffen und nichts mehr dazu gesagt, nachdem wir Tage zuvor erfahren hatten, wer liefern sollte. Ich hätte Dir gewünscht, dass ich Unrecht behalte.
Du batest mich, Dich nicht - wie sonst - vom Bus abzuholen. Ich machte mich dennoch auf den Weg und bereute es bitter. Es war kaum ein Fuß vor den anderen zu setzen, ohne hinzufallen. Irgendwann stand ich verzweifelt auf dem Gehweg und wusste nicht, ob es besser war, vorwärts zu gehen oder zurück ins Haus. Um der Abholtradition Willen ging ich voran.
Als der Bus kam und Du ausgestiegen bist, fiel mir auf, dass Du keine Tasche dabei hattest. Das war vorher noch nie vorgekommen. Du begründetest es damit, dass Du eh alles bei mir hättest und wir am kommenden Tag eh zu Dir fahren würden. Wir schlitterten zurück zu mir und stützten uns gegenseitig, um nicht hinzufallen.
Doch irgendwie warst Du merkwürdig. Bei mir angekommen . ich weiß nicht mehr, was wir machten und warum wir da waren, wolltest Du unbedingt zu Fuß wieder los in unser Stammrestaurant, das ich seitdem nicht mehr von innen gesehen habe. Ich hatte das Gefühl, Du warst unruhig oder ungeduldig und wolltest nicht mit mir allein sein.
Also machten wir uns auf dem Weg in das Restaurant. Der Kilometer dorthin war nur im Schneckentempo und mit ganz viel Gerutsche zu bewältigen.
Du bestelltest schon wieder zu viel Wein. Es war der Freitag nach dem Donnerstag, an dem Du mir eine Nachricht geschickt hattest, von der ich mir sicher war, dass sie nicht für mich bestimmt, aber sehr eindeutig bzw. zweideutig war. Darauf am Donnerstag angesprochen, behauptetest Du, besagte Nachricht wäre für mich gewesen. Zum ersten Mal wusste ich, dass Du lügst.
Ich nahm an, dass Du diesen Punkt beim Essen aufgreifen und erklären würdest, doch das tatest Du nicht. Das Paradoxe daran: mir wäre es vollkommen egal gewesen, wenn Du mit irgendeiner fremden Frau herumgeschmuddelt hättest, denn ich fühlte mich sicher. Doch Du sagtest keinen Ton.
Wir redeten stattdessen über meine Arbeit. Auf einmal warst Du motzig und herrisch und kamst mit einem Befehlston über mich, den ich erstmal ausbremste. Deine Unzufriedenheit und Jämmerlichkeit hast Du an mir ausgelassen. Ich war sauer, dass Du meine Entscheidungen nicht nur in Frage stelltest sondern auch nicht akzeptiertest.
Ich hatte Dir an dem Abend davon erzählen wollen, dass ich zu meiner alten Therapeutin Kontakt aufgenommen hatte, weil ich ein paar Dinge auf die Reihe kriegen musste. Ich dachte, Du würdest Dich darüber freuen. Aber ich schwieg darüber angesichts Deines ungehaltenen Auftretens mir gegenüber und machte Dir deutlich, dass ich Deine Rat zwar schätze, aber meine Entscheidungen in dieser Hinsicht alleine treffe.
Ich war verwirrt und enttäuscht, den bis dahin hatte ich Dich stets zugewandt und gelassen erlebt und das so sehr genossen.
Spätestens an dem Abend hättest Du mir sagen sollen, dass Du nicht etwa mit einer Unbekannten gechattet hast sondern mit Deiner Kollegin. Du hast mich nicht nur hintergangen sondern auch für dumm verkauft.
Die Nächte davor, die Du neben mir im Bett lagst und nicht schlafen konntest, die Morgende, an denen Du im Gegensatz zu den Monaten davor nicht früh genug aus dem Bett kommen konntest, um irgendetwas zu erledigen, Dein gehetztes Auftreten, Deinen Alk. begründetest Du mit der Belastung wegen Deines Umzugs. Ich hoffte, das wäre tatsächlich der Grund, wenn es mich auch sehr wunderte, dass so ein Alltagsgeschehen ausgerechnet Dich so aus der Bahn werfen sollte. Ich ahnte wohl, dass es anders war.
Heute fiel mir das alles wieder ein. Ich bin traurig, denn ich vermisse die Gespräche mit Dir aus der Zeit davor. Ich vermisse Dich nicht. Niicht mehr. Aber ich vermisse die Ruhe, die Du ausgestrahlt hast, die Zugewandtheit und das Gefühl, da ist jemand absolut loyal mir gegenüber. Wie ich heute weiß, warst Du das nicht. Deshalb werden wir auch keinen Umgang mehr miteinander pflegen. Solltest Du jemals einen Aufschlag in diese Richtung unternehmen, wird er verpuffen.
Die Geschichte mit Dir hat Wunden gerissen, von denen ich in dem Moment, in dem Du die Trennung ausgesprochen hast, wusste, dass mein Vertrauen in andere Menschen in diesem Moment einen so gewaltigen Knick erlitten hat, dass nicht absehbar sein würde, ob das jemals wieder heilen könnte. In diesem Moment sah ich mich in der Psychiatrie. Letzteres ist nicht geschehen. Aber auch heute noch ist es für mich unvorstellbar, einen Partner vertrauensvoll an meine Seite zu lassen.
Dieses Wetter heute hat mich zurück katapultiert in die Geschehnisse von vor einem Jahr.
Wenn ich mir auch nicht vorstellen kann, jemals wieder einem Mann zu vertrauen, konntest du mir dennoch nicht das Vertrauen in das Leben nehmen. Ich vertraue darauf, dass das Leben anders spielt und mich irgendwann eines anderen belehrt. Denn als ich Dich traf, hatte ich ebenfalls nicht damit gerechnet, noch einmal eine Beziehung einzugehen. Vermutlich ist das der Schlüssel dazu, dass es irgendwann doch passiert.
14.02.2018 07:56 •
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