Hallo enigma,
ich lese sehr viel Trauer, Verzweiflung und viele Selbstvorwürfe aus deinem Beitrag heraus. Ich würde dir raten, dir eben keine Hoffnungen zu machen. Das klingt hart, aber ich meine es nicht so. Ich schreibe das, weil du dich dadurch, dass du dir immer wieder Hoffnung machst, für erneute Enttäuschung und Schmerz aufbaust. Du bläst dadurch immer wieder *beep* auf, die dein Mann dann später mit einer Nadel zum Platzen bringen kann. Auch wenn es schwer ist, versuche das nicht mehr zu tun. Am Ende tut man sich nur selbst weh damit. Es ist bestimmt seeehr schwer, aber versuche, diese Situation jetzt so anzunehmen, wie sie ist. Und bitte nicht missverstehen: Nur weil du dir keine Hoffnung mehr machst, heißt das nicht, dass du stattdessen vom Allerschlimmsten ausgehen musst. Es heißt dann einfach, dass du alles so hinnimmst, wie es kommt. Lass deinen Mann gehen, liebe enigma. Es liegt jetzt nicht in deiner Verantwortung, ihn daran zu hindern.
Es tut sehr weh jetzt. Das ist in Ordnung, ist auch normal. Es wäre schlimm und bedenklich, wenn du jetzt gar nichts fühlen würdest. Akzeptiere den Schmerz, weine, heule, schreie in ein Kissen. Tue, was du tun musst, um dein System wieder rein zu kriegen. Es wird immer wieder kommen, aber das ist völlig normal. Deine Seele und dein Körper, vor allem dein Gehirn, machen jetzt so einiges durch und es ist völlig in Ordnung, ja völlig normal, wenn du traurig und zerbrochen bist.
Erinnere dich immer wieder daran, liebe enigma, dass du nicht verlassen worden bist. Du bist übrig geblieben! Da gibt es einen großen Unterschied! Mache dir bitte keine Vorwürfe wegen deines Verhaltens. Es liegt in der Vergangenheit und ist auch nicht zu ändern. Du warst überfordert. Das schreibst du selbst. Das ist auch in Ordnung. Es gibt kein Regelwerk im Leben, an dem man sich in einer solch schweren Zeit orientieren muss. Der Beinahe-Verlust eines geliebten Menschen wie eines Vaters löst so einiges in uns aus. Versuche weiterzusehen, jenseits von Schuld und Unschuld oder Täter und Opfer. Du bist nicht Schuld...an irgendetwas. Schuld gehört zu einigen der ungesündesten und zerstörerischsten Emotionen überhaupt. Natürlich sollte man VERANTWORTUNG übernehmen, aber sie ist ja etwas anderes als Schuld. Verantwortung erlaubt dir, den Kopf noch aufrecht zu halten und dich selbst liebzuhaben. Ja, du warst für dein Verhalten damals verantwortlich, aber du bist jetzt nicht verantwortlich für die Gefühle deines Mannes. Nur er ist das und wenn er keine andere Möglichkeit sieht, mit der Situation klarzukommen, dann ist das zwar sehr schwer für dich, aber es ist im Grunde okay. Es ist nichts, wofür du nun einstehen musst, liebe enigma. Lass ihn tun, was er für sich tun muss. Du bist verantwortlich für dich.
Ich bin aus meiner Ehe gegangen, weil meine Frau sehr schlimme psychische Störungen entwickelt hatte, die zu ändern sie nicht bereit ist/war. Vielleicht ist das eines Tages anders. Ich weiß es einfach nicht. Ich kann dir nur versichern, dass es dem Gehenden ebenso wehtut wie dem Bleibenden. Du und dein Mann, ihr seid jetzt gerade emotional an gar nicht so unterschiedlichen Orten. Nur eure Positionen zum Problem sind anders. Es ist jetzt aber wichtig, dass du dich um dich kümmerst. Sei lieb zu dir, lerne dich lieben, dich annehmen und schätzen. Wir alle sind im Grunde wunderschöne Menschen. Manchmal geht das in Partnerschaften unter, weil es Reibung, Stress und Probleme aus der Vergangenheit gibt. Auch wenn es erstmal wehtut: Das Leben gibt dir jetzt die Möglichkeit, dich selbst auf einer sehr tiefen Ebene kennenzulernen. Nutze diese Zeit, meine Liebe. Und male dir keine Zukunftsbilder aus: Gehe weder davon aus, dass ihr wieder zusammenkommt noch davon aus, dass ihr für immer auseinandergeht. Geh einfach von gar nichts aus und lass das Leben Sekunde um Sekunde einfach auf dich zukommen. Du wirst merken, dass das dir mit der Zeit ein tiefes Gefühl von Wärme, Geborgenheit und wahrer unabhängiger Freude verleiht. Denn du wirst keine Abneigung mehr gegen die Gegenwart verspüren, wenn du aufhörst, sie ändern zu wollen. Wenn du sie akzeptierst so wie sie ist, dann akzeptierst du das Leben, das Jetzt. Dann bist du zu Hause und du wirst merken, das warst du schon immer! Vielleicht nur nicht im Kopf. Ich wünsche dir viel Kraft und Selbstvertrauen. Du wirst diese Zeit durchstehen. Gib dir einfach allen Raum und alle Zeit, die du brauchst. Ich halte dich in meinen Gedanken und drück dich.
10.04.2015 21:19 •
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