Liebe Muffin,
ich schreibe Dir nicht, weil ich bestimmt die besten Ratschläge oder Ideen, wie Du es nennst, für Dich auf Lager hätte, sondern weil ich mich vor nicht allzu langer Zeit in der selber emotionalen Situation meinem Partner gegenüber befand, wie Du.
Dir wird gesagt, Du seist nicht die Priorität, er hätte keinen Bock auf eine Beziehung, er tut nichts von dem, um das Du ihn bittest, er nimmt sich Deine Zeit, um zu überlegen, er nimmt Dein Geld an für seine Schulden, er nimmt Deine Einschränkung (z.b. Wohnung) in Kauf, weil sie seinem Lebensstandard genügen müssen, er lässt Dich allein und betäubt sich. Das alles klingt erstmal nach einem ganz miesen Mann, der es absolut nicht verdient hat, von Dir geliebt zu werden. Aber dann ist da nunmal die andere Seite: Du kennst ihn und seine Probleme gut, Du weißt, woraus sie resultieren und Du siehst Dich nach 8 Jahren Beziehung in der Position, ihn auffangen zu können. Du hast Zeit, Liebe, Geld und Nerven investiert und bist fest entschlossen, an Dir, Euch und Eurer Beziehung zu arbeiten. Aus dem Satz ich muss nachdenken hörst Du ein ich brauche nur etwas Zeit für mich, dann werde ich Dich vermissen und gelernt haben, was und wer mir im Leben wichtig ist raus.
Ich verstehe Dich. Glaub es mir. Die Vorstellung, dass die Zukunft, die man sich in seinem Kopf aufgebaut hatte nicht eintritt, ist unerträglich. Es reißt Dich zu Boden und Du glaubst für lange Zeit, dass Du nie wieder aufstehen wirst. Da Dein Körper und Dein Verstand dies beide nicht lange aushalten, wählst Du den vermeintlich klügeren Weg: Du beginnst zu kämpfen. Du schaffst es nicht, dich nicht zu melden, Du arbeitest an Dir, versuchst Dich zu verstehen, Dich zu verändern. Jeder Satz von ihm wird gewogen, auseinandergenommen, analysiert und verkehrt wieder zusammengesteckt. So, dass alles einen Sinn ergibt. Und Du glaubst irgendwann wirklich, ihn zu verstehen.
Das Problem ist, dass alles ganz einfach ist. Er ist mit seinem Leben unzufrieden. Punkt. Und wenn alles zu viel wird, verändert der Mensch die Dinge, die er verändern kann. In seinem Falle bricht er aus der Beziehung aus. Stellvertretend für die Dinge, die er nicht ändern kann. Es geht (bei dem einen mehr und dem anderen viel weniger) immer ein Stück weit um Kontrolle über das eigene Leben.
Ein Beispiel am Rande: Seit mein Partner mich verlassen hat, ich keine Wohnung mehr habe, keine Möbel und nichts, woran ich mich halten könnte, habe ich bewusst aufgehört, zu essen. Das ist dumm und ungesund, aber es ist die einzige Sache, über die ich die volle Kontrolle habe: Wenn ich nicht essen will, esse ich nicht. Und es gibt mir das Gefühl, Herr über ein Stück meines Lebens zu sein. Ich arbeite daran und werde davon nicht sterben, aber er entspricht der Sache ganz gut.
Wie gesagt, habe ich nicht die besten Ideen auf Lager, aber oftmals geht es hier in diesem Forum auch nur um einen neuen Gedanken und nicht um einen Tipp, denn ich kenne Dich nicht.
Wir müssen verstehen, dass wir nur über einen Menschen Kontrolle haben. Und der sind wir selbst.
Bedingungslose Liebe für jemand anderen bedeutet letztendlich Hass für Dich selbst. Denn bedingungslos heißt: Was auch immer Du tust.
Ich wünsche Dir, dass Du eines Tages jemanden oder auch ihn, wenn Du zu dieser Entscheidung gelangt sein solltest, eingeschränkt lieben kannst und ein wenig Liebe für Dich selbst übrig hast, die Dir sagt, wie Du Dich behandelt fühlen möchtest.
27.06.2017 08:53 •
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