Möchte mir hier gerne meinen Schmerz ein wenig von der Seele schreiben. Es tut mir leid. Der Text wird lang. Vielleicht hat der/die eine oder andere hier ein paar tröstende Worte für mich oder einen Rat, wie ich weitermachen soll. Ich bin derzeit nämlich sehr verloren und die Weihnachtszeit sorgt zusätzlich noch für ein tiefes Gefühl der Einsamkeit. Sitze hier an diesem Samstagabend und fühle mich so alleine wie noch nie in meinem Leben zuvor, das immerhin schon fast 60 Jahre dauert.
Meine Partnerschaften haben aus den unterschiedlichsten Gründen bisher nie funktioniert. Ich bin immer an Männer mit schweren Problemen geraten - finanzieller Natur, Süchte, psychische Probleme, etc. Und zuletzt an einen Frischgetrennten, der mir irgendwie den Rest gegeben hat.
Kennengelernt haben wir uns vor etwa 4 Jahren auf einer Partnerbörse im Internet. Mitten in einem Corona-Lockdown hatte ich mich dort eher aus Langeweile und Neugierde angemeldet, weil ich so etwas noch nie zuvor probiert hatte. Ich nahm das Ganze locker, erhielt ein paar Zuschriften und es war ein ganz netter Zeitvertreib abends ein bisschen zu schreiben. Nichts annähernd Ernstes oder wirklich Interessantes. Nur ein Mann war dabei, der sofort mein Interesse erweckte. Leider war sein Beziehungsstatus getrennt lebend, was für mich so gar nicht infrage kam. Er schrieb aber so nett, unaufdringlich und höflich, dass ich mich doch mit ihm getroffen habe. Wir waren uns sehr sympathisch. Er schien so ein ganz normaler, netter, liebenswürdiger Mann zu sein, aber umgeben von einem tiefen Schmerz. Er beteuerte zwar, dass er die Trennung von seiner Frau, mit der er 30 Jahre verheiratet war, verarbeitet hätte und dass er nur deshalb nicht geschieden wäre, weil sie in eine Scheidung nicht einwilligen würde, aber ich spürte, dass das nicht stimmt und brach den Kontakt mit ihm wieder ab.
Nach einiger Zeit Funkstille schrieb er mich wieder an. Meinte, wir könnten ja einfach nur ein bisschen Spazierengehen und plaudern. War ja Corona-Zeit und nichts anderes zu tun, also willigte ich ein. Nett war er ja. Ich traf mich also einige Male mit ihm und wir redeten stundenlang. Bald stellte sich heraus, dass er schwer getroffen war von der Trennung von seiner Frau, sie in plötzlich und unerwartet verlassen hatte und er damit überhaupt nicht klarkam. Ich redete ihm gut zu, dass er es mit einer Therapie versuchen sollte und dass eine Trostbeziehung wohl das letzte Sinnvolle wäre. Immer wieder hatten wir auch Kontaktpausen, weil ich mich nicht zu sehr involvieren wollte, aber er ließ nicht locker. Seine Hartnäckigkeit beeindruckte und täuschte mich. Ich hielt sie für echtes Interesse an mir. Wohl auch, weil er mich mit Komplimenten überschüttete, von tiefer Vertrautheit und Verbundenheit sprach, von so viel Ähnlichkeit, die da zwischen uns wäre. Und ja, wenn wir zusammen waren, fühlte ich da tatsächlich immer sehr viel Nähe zu ihm.
Er war so aufmerksam, so fürsorglich, so liebevoll, dass ich schlussendlich nach etwa einem halben Jahr beschloss, der Beziehung eine Chance zu geben. Ich war da bereits sehr verliebt in ihn. Was dann folgte waren traumhafte Monate. So viel Romantik, Zärtlichkeit, Aufmerksamkeit - ein Traum. Herrliche Urlaube und Ausflüge. Der Traum wurde allerdings gleich zu Beginn massiv getrübt indem er mir erzählt, dass bei seiner Frau eine schwere Demenzerkrankung diagnostiziert worden wäre. Ich war entsetzt und besorgt! Wie sollte das weitergehen, wenn die Frau ein Pflegefall wird? Er schien hingegen wenig beeindruckt. Allerdings sorgte diese vermeintliche Erkrankung dafür, dass die Frau faktisch für mich unantastbar wurde und über die Scheidung konnte er deshalb auch nicht mehr mit ihr reden. Egal was sie tat, wurde mit der Erkrankung entschuldigt. Die beiden hatten ständig Kontakt. Sie kam laufend in sein Haus, obwohl sie von mir wusste. Auch dass ich mich da schon regelmäßig aufhielt, schreckte sie nicht ab. Sie war in jedem Zimmer. Kramte auch im Schlafzimmer herum. Verhielt sich, als würde sie dort noch wohnen. Ich fand das extrem grenzüberschreitend. Er hingegen entschuldigte alles mit ihrer Erkrankung. Sie wüsste halt nicht, was sie tut, meinte er. Nachdem wir ein Jahr zusammen waren, platze mir eines abends der Kragen und ich forderte ihn auf, ihre Hausbesuche endlich einzustellen.
Er machte auf der Stelle Schluss mit mir.
Er könne keine Beziehung führen. Er müsse sich um seine kranke Frau kümmern. Das wäre ihm jetzt bewusst geworden. Er hätte Verpflichtungen.
Ich war todunglücklich. Glaube, so viel geweint hatte ich noch nie zuvor. Aber es tröstete mich der Gedanke, dass er so ein guter Mensch wäre, der sich seiner Verantwortung stellt.
Ein halbes Jahr hatten wir keinen Kontakt. Dann starb seine Mutter, was für ihn sehr schmerzlich war. Wir kamen wieder in Kontakt und trafen uns. Er tat mir entsetzlich leid. Nicht nur die demenzkranke Frau, sondern jetzt auch noch der Tod der Mutter! Wir waren wieder ein Herz und eine Seele. Als wäre kein Tag seit unserer Trennung vergangen. Er sprach von Neubeginn, aber ich blieb zurückhaltend. Zwei Monate trafen wir uns regelmäßig. Allerdings nie am Wochenende und ich fand dann langsam heraus, warum. Er hatte einfach einen warmen Wechsel von mir zu einer anderen gemacht! Keine Rede davon, dass er sich um seine kranke Frau kümmerte. Nein. Die Gute war gar nicht demenzkrank. Der fehlte gar nichts! Er meinte, sie hätte diese Geschichte erfunden. Aber ich war und bin mir da nicht so sicher, wer von den beiden da gelogen hatte. Ich war fassungslos und entsetzt und bin sofort auf Tauchstation gegangen.
Dann ging es aber weiter. Alle paar Wochen schrieb er mir eine Email. Mal hieß es, seine Frau hätte die Scheidung eingereicht und er wäre verzweifelt, dann hieß es, die Beziehung mit der anderen wäre auch in die Brüche gegangen, dann wieder erzählte er, dass seine Frau zurückkäme, dann wieder doch nicht, dann dass es einen neuen Scheidungstermin gebe, usw. usf. Drama pur. Ein Jahr ging das so. Schlussendlich waren seine Mails so verzweifelt und bettelnd, dass ich einwilligte, mich wieder mit ihm zu treffen.
Und was glaub ihr, was passiert ist? Natürlich. Er hat mich so lange weichgekocht, bis ich wieder in einer Beziehung mit ihm gelandet bin. Da er aber gerade im Scheidungsprozess und so furchtbar überlastet war, führten wir eine Beziehung auf äußerster Sparflamme. Gerade mal einen halben Nachmittag am Wochenende haben wir uns gesehen. Da durfte ich ihn aufbauen, trösten und unterstützen in seinem Rosenkrieg. Schöne Ausflüge durfte ich mit ihm machen, um ihn abzulenken. Ihn mit Zärtlichkeiten von der grausamen Wirklichkeit ablenken. Fast ein Jahr lang habe ich den armen Mann durch den Scheidungskrieg durchgeholfen. Seine Frau hatte sich einen super Anwalt genommen, der beinhart alle Forderungen von ihr durchzog. Sie bekam schlussendlich alles, was sie wollte. Unterhalt und das halbe Vermögen. Er war am Boden. Er nahm sogar alle Schuld an der Zerrüttung der Ehe auf sich, damit sie Anspruch auf die Witwenpension erhält. Sie überschüttete ihn mit den übelsten Vorwürfen, die man sich nur vorstellen kann. Grauslicher ging es gar nicht mehr. Mein Job war es, ihn immer wieder aufzubauen. Und endlich war er dann geschieden. Ich war so erleichtert und voller Hoffnung, dass nun endlich eine ruhige Phase eintreten wird.
Erraten! Vier Monate nach seiner Scheidung machte er plötzlich von einem Tag auf den anderen Schluss mit mir.
Der Grund? Die Exfrau hatte sich wieder angenähert. Die Scheidung wäre vielleicht ein Fehler gewesen. Die Kinder! Die gemeinsame Vergangenheit! Es gab auch mal eine schöne Zeit!. . Vergessen der 3,5 Jahre dauernde Krampf, der Rosenkrieg, die Beschuldigungen, die Vorwürfe, der Nervenkrieg, der Psychoterror. Vergessen auch alles, was ich für ihn in dieser Zeit tat. Meine Treue, meine Loyalität, mein unendliches Verständnis, meine Toleranz, meine unerschütterliche Zuneigung. Alles vergessen. Sie war zurück. Ich musste weg. Sofort!
Und jetzt? Die beiden leben eine eigenartige Form von Beziehung. Sehen sich nur am Wochenende. Nicht friedlich, sondern mit viel Streit. Aber sie lassen nicht voneinander los. Er lehnt jeden Kontaktabbruch mit mir rigoros ab. Egal, was ich versuche. Er kommt immer wieder an. Er will partout mit mir weiter emotionalen Kontakt haben. Schickt mir Gedichte und traurige Texte. Beklagt sich über seine Exfrau. Er wird nie von mir loslassen, meint er. Und ich hänge drinnen.
Gefangen in einem Spinnennetz aus Gefühlen, leeren Versprechungen und Erinnerungen.
Ich leide und weine. Auch sechs Monate nach der Trennung immer noch täglich. Ich komme nicht klar damit, dass er tatsächlich eine Beziehung - welcher Art auch immer - mit seiner Exfrau einer Beziehung mit mir vorzieht. Aber fast 40 gemeinsame Jahre, zwei erwachsene Kinder und ein gemeinsames Vermögen sind anscheinend so ein langlebiger Kleister, der jeden Atomkrieg übersteht.
Wer immer bis hierher gelesen hat: Ich danke dir! Wasch mir mal ein bisschen Kopf! Hol mich raus aus Cinderellas Märchenschloss zurück auf den Boden der Realität. Ich bin die Trostfrau auf Lebenszeit. Wenn nur diese furchtbare Einsamkeit nicht wäre .
07.12.2024 18:39 •
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