Das sind sehr spannende Fragen, liebe Zugaste.
Ich nutze mal die Gelegenheit laut zu denken...
Zitat von Zugaste:Was macht es mit mir, wenn meine Art zu leben hinterfragt wird?
Es betrifft bei mir nicht meine aktuelle Beziehung... dass das offene/Poly hinterfragt wird, kenne ich ja von früher aus dem echten Leben (Eltern und die meisten Freunde sind monogam - bin allerdings einen wertschätzenderen Austausch gewohnt, logisch wenn die Anonymität wegfällt).
Manches von dem, was hinterfragt wurde, finde ich auch selbst hinterfragenswert. Ohne sich selbst immer mal wieder zu hinterfragen kommt man in keine weitere persönliche Entwicklung, sondern verharrt in seinem Status Quo. Schließlich entstand meine damalige Abkehr von der Monogamie ja auch daraus, dass ich diese aufgrund meiner bis dato erfolgten Erfahrungen und Weltsicht zu hinterfragen angefangen hatte. Heutzutage sehe ich vieles auch wieder anders als noch vor 10,15 Jahren ... es ist eine stete Veränderung und Weiterentwicklung meines Wertesystems und ich mag das im Grunde sehr, dass es nicht so statisch ist.
Zitat von Zugaste:Was macht es mit mir, wenn mir geraten wird, sich lieber zu trennen, wenn die S. in der Ehe nicht mehr gut funktioniert?
Puuh. Übel. Das bringt mich immer dazu mich zu fragen was mit mir und meiner Vorstellung von bis dass der Tod uns scheidet nicht stimmt. Da hab ich also eine Ehe, in der ich mit dem anderen alt (und gebrechlich) werden will. Jahrelang aufgebaut mit Kind, Haus, Hund und Freundeskreis. Kleine und große Katastrophen, vielleicht Schicksalsschläge überstanden mit dem Menschen, der mir die Hand halten soll, wenn ich vor ihm sterben muss, und den ich pflegen würde, sollte er vor mir dessen bedürfen. Dem ich in allen Belangen aus langen gemeinsamen Jahren heraus mehr vertraue als jedem anderen Menschen auf dem Planeten. Und den soll ich - oder er mich - in die Wüste schicken, wenn es nach Jahren zwischen uns im Bett nicht mehr so funkt, er keinen mehr hochkriegt oder ich lustlos wurde, oder wir einfach nur nicht mehr scharf aufeinander sind?
Hab ich noch nie verstanden wieso man deswegen alles andere wegwerfen soll, ich würd das notfalls outsourcen und mit einem Buch (oder dem Laptop) auf dem Sofa gemütlich zu Hause sitzen und ihn mit Na Schatz, wie war's begrüßen. Und ja, ich weiß dass ihr das alle dermaßen nicht könntet. Ich aber halt schon.
Zitat von Zugaste:Was macht es mit mir, wenn es unterschwellig und indirekt, aber auch direkt persönlich wird?
Das ist mir in diesem Thread zwischendurch nicht gut bekommen, weil ich es in der Unterschwelligkeit so nicht erwartet hätte (das laute Poltern einiger ist man ja irgendwann gewohnt). Inzwischen kann ich es besser einordnen.
Zitat von Zugaste:Was macht es mit mir, wenn Sorgen geäußert werden, was meine Kinder betrifft, ihre Entwicklung und ihre Entfaltung?
Das ist ein Riesenfass und ein sehr spezielles Thema. Obgleich ich genug Einblick in die Abgründe von Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und sonstiger Kindswohlgefährdung habe, gehe ich erstmal davon aus, dass die allermeisten Eltern sowohl in der Lage als auch willens sind, das Wohl ihrer Kinder im Blick und an oberster Priorität zu haben.
Zudem denke ich, dass wir uns hier einig sind, dass es einen Unterschied zwischen funktionierenden und nicht funktionierenden Beziehungen gibt. Das ist unabhängig von der gewählten Beziehungsform. Für die kindliche Entwicklung ist also vor allem das dysfunktionale Elternverhalten schädlich, welches in jeder Beziehungsform auftritt. Mir kann niemand weismachen dass zum Beispiel nicht funktionierende Formen serieller Monogamie mit immer neu vorgesetzten Stiefvätern oder -müttern gesünder für die Entwicklung kleiner Kinder sein soll als funktionierende Formen offener (das Kind erlebt die Eltern als Elternpaar, die Se*ualität der Eltern betrifft es nicht und geht es auch nichts an!) oder polyamorer (Mama und Papa lieben sich und mich, und den Tobi hat Mama auch lieb) Beziehungen.
Interessant wird diese Frage demzufolge erst, wenn es sich um ganz konkrete Sorgen bezüglich ganz konkreter Kinder handelt und jemand hier deshalb um Rat fragt. Darüber kann man sich dann auch ganz konkret unterhalten und die Eltern entsprechend ihrer Probleme beraten. Ansonsten ist das ein Totschlagargument mit Beispielen aus den Randbereichen unserer Gesellschaft, nicht aus der breiten Masse, und ich halte es für unangemessen jemandem, von dem man überhaupt nicht weiß, wie sein Familienleben denn nun tatsächlich funktioniert oder auch nicht, zu suggerieren seine einvernehmlich gewählte Beziehungsform als solche würde bereits sein Kind schädigen.
Zu guter Letzt bezweifle ich ohnehin, dass Kinder nur dann zu glücklichen und psychisch stabilen, integren Persönlichkeiten heranreifen können, wenn sie in der 50er Jahre Vorstadtidylle aufwachsen. Im Gegenteil, oft sind es gerade die Unebenheiten im Umfeld und im Lebensweg, die den Charakter formen.