In der Zwischenzeit habe ich einen Text geschrieben, wie ich ihn am heutigen Tage an sie schreiben würde. Ich werde ihn ihr nicht schicken - und morgen würde ich wahrscheinlich wieder andere Dinge schreiben.
Ich möchte ihn gerne mit euch teilen, da ich denke, dass es am besten meine aktuellen Gefühle beschreibt:
Die letzten Wochen waren die Hölle für mich – auch wenn ich riesige Fortschritte mache, mich wieder selbst verwirkliche und nach vorne Blicke, reißt es mich doch immer wieder in die tiefsten Abgründe.
Du fehlst mir so, dich zu lieben und dich nah bei mir zu haben fehlt mir so. Ich erkenne, dass ich mein Leben darauf ausgerichtet habe dich zu lieben. Nichts war mir wichtiger als du, nichts habe ich lieber getan als dich glücklich zu machen – dabei habe ich mich selbst vernachlässigt.
Nach Hause zu kommen war für mich das schönste auf der Welt, weil ich wusste, du bist da und ich kann dich in den Arm nehmen.
Wenn sich 2 Menschen kennen lernen, hat jeder sein eigenes Leben – seine eigenen Wünsche, Ziele, Hobbys, Freunde und Routinen, denen er nach geht. Genau diese Dinge sorgen dafür, dass sich diese 2 Menschen ineinander verlieben und das Leben gemeinsam entdecken wollen.
Die ersten Schritte dieser Reise sind so wunderschön, dass man in Gefahr läuft, nichts anderes mehr zu benötigen, um nachts mit einem Lächeln auf den Lippen einschlafen zu können. Man fühlt sich als könne man gemeinsam die Welt erobern und vernachlässigt so unter Umständen genau das, was einen vorher ausgemacht hat.
Die eigenen Wünsche wandeln sich zu gemeinsamen Wünschen, man steckt für den anderen eigene Bedürfnisse ein und das Ich wird zum Wir.
So wunderschön dieser Zustand auch ist, irgendwann hat man seinen eigenen Pfad so weit verlassen, dass man plötzlich nicht mehr der ist, in den sich der andere verliebt hat.
Ich glaube genau das ist uns passiert – es war ein schleichender Prozess, ich habe es gar nicht bemerkt bzw. verdrängt, da unsere Liebe mir immer viel mehr gegeben hat als das, was ich aufgegeben hatte.
Leider sehe ich erst jetzt klar genug, um zu wissen, dass ich bzw. wir diese Dinge nicht hätten aufgeben sollen. Wir haben unser Ich verloren und wissen nun nicht mehr, wer wir selbst eigentlich wirklich sind.
Es liegt auf der Hand, dass du, um dein Ich wieder finden zu können, dich von unserem Wir trennen möchtest. Glaube mir, ich habe großes Verständnis dafür – doch hätte ich mir gewünscht, dass wir zu dieser Einsicht gekommen wären, ohne uns zu trennen.
In meiner Vorstellung hätten wir uns auch distanzieren können, frei jeder für sich die Welt und sein Ich neu entdecken können – und uns in Abständen wieder treffen können, um uns über unsere neuen Erfahrungen austauschen zu können und dem Wir neue Möglichkeiten zu eröffnen.
Wir hätten uns einzelne Wohnungen mieten können, uns wieder wie früher so unglaublich verliebt besuchen können und über unser eigenes Leben reden können.
Mit dem Vertrauen und den Erfahrungen, die wir über die Jahre gesammelt haben, hätten wir auch Wochen lang unser eigenes Leben allein leben können, mit dem Wissen, dass es da jemandem gibt, der einen liebt – und sich darauf freut, seinen Geschichten zu lauschen.
Nach so vielen Jahren hätte ich mir gewünscht, dass wir uns diese Chance geben – es macht mich traurig, dass du unsere Beziehung vollständig aufgibst und dich emotional mir gegenüber verschließt.
Du wirkst, als würde eine riesige Last von dir gefallen sein, als würdest du endlich frei sein und dein Leben wieder verwirklichen können. Das ist wunderschön, verstehe mich bitte nicht falsch – dennoch glaube ich, dass nicht unsere Beziehung dich so eingeengt hat, sondern dass du dir selbst nie die Chance gegeben hast, dich innerhalb der Beziehung zu befreien.
Genau wie ich hast du auf Dinge verzichtet, die dir wichtig waren, aus Rücksichtnahme vor dem Partner. Das kann einen unglaublich einengen – doch ist es meiner Meinung nach nicht der richtige Weg, den Partner dafür verantwortlich zu machen und ihn zu verlassen.
Das bekämpft möglicherweise die Symptome, du wirst dich aus dem engen Griff befreien und wieder frei sein – doch es wirft weder ein Licht auf die Ursache, noch befreit es dich davon.
Ich empfinde dich als einen Menschen, der nicht nur innerhalb der Beziehung, sondern auch an allen anderen Stellen, eher den Kopf senkt und einsteckt, anstatt für sich selbst zu kämpfen. Das weiß ich, weil ich auch so bin und dich nun schon sehr viele Jahre kenne.
Es ist schön zu sehen, dass du nun für dich selbst eingestanden bist und dir die Freiheit verschafft hast, die du zum Atmen benötigst – doch bist du wie so oft den Weg gegangen, vollständig aus der Situation zu flüchten. Es ist wie mit der Schule, deinen diversen Arbeitsplätzen und Freunden, die du verlassen hast, weil du dich dort nicht wohl gefühlt hast.
Es steht mir selbstverständlich nicht zu, darüber ein Urteil zu verlieren – möglicherweise ist das genau der richtige Weg für dich. Doch meine ich gelernt zu haben, dass die meisten Probleme eher in unserem Inneren zu lösen sind als im Außen.
Natürlich trifft das nicht auf alle Dinge zu, manche Situation erfordern eine Trennung – doch glaube ich nicht, dass das bei uns der Fall ist.
Ich gehe davon aus, dass du so nicht lernen wirst, wie du dich innerhalb einer Beziehung oder im Umgang mit anderen Menschen für dich selbst in gesundem Maße einsetzen kannst.
Natürlich kann ich das wie schon gesagt nicht beurteilen – es steht mir nicht zu und ist auch nicht meine Aufgabe über deinen persönlichen Pfad zu wachen. Doch leider bin ich von deiner Entscheidung persönlich so stark betroffen, dass ich noch nicht davon ablassen kann, darüber nachdenken zu müssen.
Wir haben das doch in unserem Umfeld beobachtet – man stürzt sich in neue Beziehungen und wird genau mit dem gleichen Problem konfrontiert, weil man schon wieder nicht weiß, wie man innerhalb einer Beziehung für sich selbst einstehen kann. Man wählt wieder den bekannten Weg der Symptombekämpfung, trennt sich, und wiederholt diesen Prozess, bis man einsieht, dass nie eine andere Person für sein eigenes Glück verantwortlich ist, sondern immer man selbst.
Leider kann ich dir nicht in deinen Kopf schauen – doch ich bin mir sicher, dass du mich geliebt hast, dass du mich immer noch liebst und auch noch sehr lange lieben wirst. Es ist ein so starkes Band zwischen uns entstanden, dass wir das einfach über alle Grenzen hinweg fühlen können.
Dennoch möchte ich mir keine Hoffnungen machen, da ich dafür verantwortlich bin meine eigenen Wunden zu heilen und auch ohne dich glücklich zu sein – denn auch ich habe genau dieselben Fehler begangen und verlernt, mich selbst unabhängig von den Ereignissen und Menschen in der Außenwelt zu lieben.
Ich bin dir dankbar, dass ich so zu dieser Einsicht gekommen bin und in Zukunft ein Mensch sein werde, der vollkommen unabhängig leben und lieben darf.
Doch verstehst du meine Misere? Als ich dich fand, verlor ich mich selbst. Um mich wieder finden zu können, muss ich dich verlieren – ich will das nicht, es ist so hart, es tut so weh.
Möglicherweise ist alles, was ich geschrieben habe Blödsinn, und wir können wirklich nur allein wieder zu uns selbst finden – ich weiß es nicht. Doch ich hätte nichts lieber getan, als mit dir gemeinsam Strategien zu entwickeln, wie wir auch ohne Trennung wieder glücklich werden und zu uns selbst finden können.
Außerdem muss ich eingestehen, dass es mich wütend macht, dass du dich bereits in eine neue Beziehung stürzt. Auch wenn du es nicht so nennen wirst, weil ihr nicht „zusammen“ seid, verbringt ihr trotzdem eure Wochenenden miteinander und tut all die Dinge, die man normalerweise nur mit seinem Partner tut.
Wenn das schon sein muss, dann hätte ich mir gewünscht, du tust es, nachdem wir getrennt voneinander leben, damit ich dich nicht beobachten musst, wie du flirtest, dich schick machst, dir Parfüm aufträgst und bis über beide Ohren strahlst.
Ich empfinde Mitleid und Verständnis für dich, dass du nicht stark genug warst, die Dinge ohne einen neuen Partner zu lösen.
Ich denke du begehst einen Fehler, und auch du wirst dich früher oder später mit dem Schmerz und dir selbst auseinandersetzen müssen – doch du bist frei deine eigenen Entscheidungen zu treffen und Fehler zu begehen.
Das warst du schon immer.
Warum mich das so wütend macht? Weil du gesagt hast, du bräuchtest Zeit für dich selbst. Weil du gesagt hast, du willst zu dir selbst finden, allein sein und keine Beziehung führen. Das hat mir Hoffnung gemacht, dass du dir einen Freiraum schaffst, indem du über dich und dein Leben nachdenken kannst – einen Raum, in dem du nichts verdrängst und erkennst, wer du wirklich bist und was du wirklich willst.
Stattdessen stehst du permanent in Kontakt zu anderen Menschen, gehst feiern und vergnügst dich mit deiner Affäre – das passt für mich nicht zu dem, was du gesagt hast. Ich fühle mich belogen – es lässt mich vermuten, dass deine wahre Intention war, dich S. mit anderen ausleben zu können.
Du bist frei diese Dinge zu tun, es ist dein eigenes Leben, dein persönlicher Weg, über den niemand urteilen darf.
Verzeih mir, dass ich die Dinge aus einer gekränkten und verletzten Perspektive beobachte – mein Herz wünscht dir alles Gute auf dieser Welt, es gönnt dir jede Sekunde Glück unter welchen Umständen auch immer.
Doch mein Ego ist so stark verletzt, dass es dich belehren und verurteilen möchte.
Ich sehne mich nach der Zeit, in der ich frei davon mit dir über unseren Lebensabschnitt reden kann. Der Weg ist das Ziel – ich hoffe wir wachsen beide auf diesem Weg über uns hinaus und finden Frieden mit dem, was war.
Ich liebe dich.