Ich erzähle hier mal meine Trennungsgeschichte:
Ich und mein Freund (ich 24, er 26) waren etwa 2 Jahre zusammen. Wir haben eine Fernbeziehung geführt, die sich aber mit der Zeit immer mehr dazu entwickelt hat, dass man sich auch viel sehen konnte: anfangs konnte ich meine Univeranstaltungen so legen, dass ich immer ein verlängertes Wochenende hatte und dann alle 2-3 Wochen für 4 Tage zu ihm gefahren bin. In den Semesterferien konnten wir uns dann auch immer länger sehen.
Im letzten Jahr hat sich dann durch Corona vieles verändert: seit Februar hatten wir durch die Umstellung auf Online-Vorlesungen umso mehr Zeit, beieinander zu sein. Dies führte dazu, dass ich z.T. mehrere Wochen am Stück bei ihm gewohnt habe (das hatte ich bereits auch im Jahr davor schon in den Semesterferien öfter gemacht, aber eben nicht so oft). Auch wenn wir der Meinung waren, dass wir die Fernbeziehung total gut meistern und alle Außenstehenden immer gestaunt haben, war das dann genau das Problem: WENN wir uns gesehen haben, dann direkt zu 100%, ich habe also in seiner kleinen Wohnung permanent bei ihm gewohnt und man hatte keinen wirklichen Rückzugsort mehr.
Im Sommer war er dann auch viel bei mir und wir waren 2 mal im Urlaub. Alles schien super und wir hatten eine total schöne Zeit. Im September war ich dann nochmal für ein paar Wochen bei ihm, weil ich wusste dass ich danach für 2 Monate in eine andere Stadt ziehe für ein Voluntariat. Während der Zeit in der ich da war kam dann ein Streitthema wegen eines anderen Mädchens auf, mit dem er für meinen Geschmack etwas zu intensiv schrieb. Ich versuchte auch nicht zu eifersüchtig zu sein, aber sie machte sehr eindeutige Andeutungen und schlug Treffen zu zweit abends mit Wein vor, was ich ziemlich unangebracht fand. Er betonte dass er nichts von ihr will und ihr Verhalten z.T. auch komisch findet, aber der Kontakt mit ihr einfach sehr nett ist und er ihn nicht aufgeben will. Dieses Thema zog sich über 2 Wochen (zwischendurch machten wir aber auch immer wieder schöne Sachen, konnten lachen, waren intim usw.), immer wieder verfielen wir in Diskussionen und hatten Streit, ich hakte immer wieder nach wieso die Konversation mit diesem Mädchen ihm so wichtig ist und was es für Gründe geben könnte. Dazu muss man sagen dass er ein SEHR konfliktscheuer Mensch ist und nicht reden will, während ich immer alles anspreche und zerrede. Er wirkte total verunsichert und unter Druck gesetzt dass ich immer wieder Gründe für die Situation einfordere, und irgendwann sprach er an, dass er sich vielleicht ein bisschen eingeengt fühlt und mehr Zeit für sich braucht. Als ich das reflektierte fielen mir auch viele Sachen auf, dass er in den letzten Monaten aus Rücksicht auf mich immer weniger mit seinen Kumpels gemacht hatte, dass er dadurch keinen Anschluss mehr gefunden hat bei einem gemeinsamen Projekt mit seinen Kumpels, dass ihm sein Leben abseits der Beziehung einfach immer mehr entglitt. Das war schon länger eine Sache gewesen die er aus Rücksicht auf mich nicht angesprochen hatte. Nachdem ich kurz verletzt war ging ich schnell total kompromissbereit darauf ein und sagte dass man sich die Zeit ja in Zukunft anders einteilen könne, dass man sich einfach weniger sieht und ich ja jetzt sowieso erst mal für 2 Monate ganz woanders bin. Die Diskussionen gingen aber immer weiter und ich hakte nach, bis er plötzlich davon sprach dass wir uns vielleicht auch irgendwie auseinandergelebt haben. Nachdem ich die ganze Zeit nachgehakt hatte wirkte es so, als hätte er diesen Grund aus Hilflosigkeit aus der Luft gegriffen, weil ich nicht locker ließ.
Ich fuhr ab, und bat ihn mal ein paar Tage keinen Kontakt zu haben, um einfach mal Ordnung in seine Emotionen zu bringen. Nach ein paar Tagen meldete er sich dann und fragte ob wir mal telefonieren könnten. dann trennte er sich von mir mit der Begründung Er findet in sich nicht mehr die Gefühle die nötig sind um eine gesunde Beziehung aufrecht zu erhalten, als ich eine Pause vorschlug, weil doch genau das Aufeinanderhocken eigentlich unser Problem war, machte er total dicht - es war keine Option mehr für ihn. Er hatte sich entschieden.
Nach ein paar Tagen meldete er sich nochmal mit ein paar Zeilen, ich antwortete nicht und leitete eine 4-wöchige Kontaktsperre ein. Dann meldete ich mich ganz unverbindlich bei ihm und merkte aber, dass er sich überhaupt nicht darum bemüht, das Gespräch aufrecht zu erhalten. Wir hatten nochmal ein Telefongespräch, in dem er sagte dass es ihm langsam besser ginge und er die Entscheidung nicht bereut. Er merke dass es ihm gut tut im Moment wieder zu sich zu finden, auf sich zu hören, einfach nur Zeit für sich zu haben und was mit seinen Kumpels zu machen. Mit dem Mädchen mit dem er geschrieben hatte hätte er den Kontakt abgebrochen und darüber solle ich mir auch überhaupt keine Gedanken machen - ich könne mir sicher sein dass er auf nichts weniger Lust hätte als auf andere Frauen. Als ich ansprach dass man sich in ein paar Monaten doch mal sehen und gucken kann, wie es sich anfühlt, sagte er dass er dem grundsätzlich nicht im Wege stehe, man aber jetzt nicht irgendwas Verbindliches festlegen sollte, weil man der Trennung ja dann das Endgültige nehme und man einfach gucken muss, wie man sich zum gegebenen Zeitpunkt fühlt.
Ich bin total ratlos wieso er von einem Tag auf den anderen so kalt mir gegenüber ist. für mich ist es eine Sache, die sich einfach total schnell hochgeschaukelt hat und eskaliert ist. Kann es sein, dass er nach den paar Wochen jetzt überhaupt erst anfängt, seine neu gewonnene Freiheit zu genießen und der Blick für die ganzen schönen Sachen, die er verliert, erst später kommt? Dass man erst wieder komplett zu sich finden muss, gerade in einer Zeit in der die Sachen außerhalb der Beziehung zu kurz gekommen sind und man in gewisser Weise auch unzufrieden mit sich selbst ist (mehrere Jobbewerbungen wurden abgelehnt, zwei seiner Kumpels ziehen weg etc.). Dass man erst eine Phase durchlaufen muss, in der man wieder bei sich ankommt, um dann dem Anderen nochmal ganz neu zu begegnen? Dass ein Monat einfach viel zu kurz ist, um das alles wieder aufzuarbeiten was zu kurz kam?
Ich habe auch vor, in der Zeit die jetzt kommt an mir zu arbeiten und wieder mehr andere Dinge abseits der Beziehung in den Blick zu nehmen, unabhängiger zu werden.
Denkt ihr da gibt es noch eine Chance?
07.11.2020 12:54 •
#1