Ja. Ich war schon in einer ähnlichen Situation. Und zwar auf beiden Seiten. Depression kann sehr viel kaputt machen. Sie verändert einen Menschen so sehr, dass er sich selber nicht mehr wiedererkennt. Ich selber bin depressiv. Schon seit 10 Jahren immer latent, zweimal hatte ich bisher eine schwer depressive Phase, die letzte vor knapp einem Jahr. Es belastet Beziehungen. Z.B. die mit meiner besten Freundin.
Wenn man sehr schwer depressiv oder sogar schwerstdepressiv ist, ist das ganze Leben grau bis schwarz. Es ist alles aussichtslos, man fühlt sich hilflos, unfähig, kraftlos und müde. Dinge, die man mal geliebt und an denen man mal Spaß gehabt hat, sind einem plötzlich komplett egal. Ob man wacht oder schläft ist egal, ob man lebt oder stirbt ist egal. Das Gefühl, dass alles Essig ist und nichts mehr wird, überlagert alles, jegliche Hoffnung ist weg. In ganz schweren Fällen auch jegliches Gefühl. Ich war in einer Tagesklinik (kann ich sehr empfehlen). Man kommt relativ schnell dort hinein und das Programm dort hilft auch relativ schnell. Zusätzlich dazu sollte man einen Therapeuten suchen. Depressionen SIND heilbar. Nur muss man das Problem anerkennen. Und zwar selber.
Bei meiner besten Freundin und mir war lange das Problem, dass ich von ihr erwartet habe, dass sie meine Probleme quasi löst. Wenn man depressiv ist, grübelt man oft exzessiv und macht sich Sorgen, das nimmt einem noch mehr Kraft. Jedes Mal, wenn ich mir Sorgen machzer, schrieb ich ihr und wollte, dass wir zusammen die Sorgen wegdiskutieren. Das belastet eine Beziehung auf Dauer enorm, zumal es nicht die Verpflichtung des Freundes/Partners ist, meine Probleme zu lösen. Sowas ist pathologisch. Nun...wenn man depressiv ist, kann man die Probleme nur leider nicht alleine lösen, das ist das gemeine an der Krankheit.
Bei meinem Exfreund, der ebenfalls depressiv ist, war es ebenfalls extrem anstrengend. Jedes Mal, wenn er schlecht drauf war, sollte ich ihn aufbauen. Dazu kamen Klammern und komplett abgestumpfte Phasen, wenn ich mich trennen wollte, weil es mir zu viel wurde. Aus Angst, er würde sich wieder versuchen umzubringen, stimmte ich dann mehrmals doch zu, weiter zusammenzubleiben. Bis ich es irgendwann nicht mehr konnte, weil es einfach zu viel wurde. Da wurde ich mir selber wichtiger und beendete es, weil mir klar wurde, dass ich nicht diejenige sein konnte, die für ihn und seine Emotionen Verantwortung übernahm.
Ich denke, genau wie deine Mama, dass die Depression deines (Ex-)Freundes ihn total abstumpft. Menschen mit Depressionen eines derartigen Ausmaßes fühlen tatsächlich nichts mehr oder nur ganz wenig. Es ist eine der schwersten Formen. Aber genauso therapierbar!
Eigentlich braucht man in dieser Situation jemanden, der einem in den Ar. tritt und sagt ''Komm, wir gehen jetzt in die Klinik und du bleibst da, denn du hast ein massives Problem, mein Freund''. Man muss aber das richtige Maß finden. Helfen ist okay. Verantwortung übernehmen für ihn, seine Gefühle und sein Leben....nicht okay! Denn daran geht man selber kaputt und das schafft ein ungesundes Verhältnis von Macht und Verantwortung innerhalb einer Beziehung. Von ihm muss aber leider auch ein winziger Funken Wille da sein. Zumindesg so viel, dass er in einer Klinik bleibt. Bei so heftigen Depressionen ist eine ambulante Psychotherapie idR nicht ausreichend. Falls du die Kraft und den Willen hast, kannst du ihm das vorschlagen. Mir hat die Tagesklinik das Leben gerettet. Das Konzept dort war toll. Ich habe tolle Menschen kennengelernt und bin von schwer depressiv mit leicht neurotischen Zügen und selbstverletzendem Verhalten zu phasenweise leicht depressiv gegangen, innerhalb eines Jahres. Aber nur, weil ich Hilfe wollte und weil ich tolle Freunde habe.
Fazit:
Du kannst helfen, indem du ihn an professionelle Hilfe überweist. Für den Anfang einfach den Hausarzt, den sozialpsychiatrischen Dienst, direkt die Psychiatrie. Oft hilft es, das schmackhaft zu machen, denn wenn man depressiv ist, hat man meist vor sowas auch Angst oder denkt, dass es eh nichts bringen wird usw. Das ist eben die Krankheit.
Was du NICHT tun kannst und solltest, auch wenn du ihn liebst und helfen willst, ist seine Probleme für ihn zu lösen. Du kannst ihn nicht therapieren und glücklich machen. Du kannst seine Last nicht auf dich übertragen, es wird nicht funktionieren, es hilft der Depression nicht und raubt nur dir die Kraft.
Wenn du mit jemand depressivem zusammen sein möchtest, brauchst du viel Kraft und Verständnis. Nicht jeder ist dafür geschaffen und das ist auch okay so. Verhalten wie seins ist ganz typisch für Depressive. Man ist quasi nicht lebensfähig, man kriegt gar nichts mehr auf die Reihe.
Ich wünsche dir viel Glück. Man kann das aber schaffen. Ich habe es mit meiner besten Freundin auch geschafft. Sie ist in Behandlung und ich bin in Behandlung, uns geht es schon besser. Wichtig sind Geduld, offene Kommunikation. Und immer wieder ein Auf-Sich-Selbst-Hören. Gib dich für niemanden auf, das ist sehr wichtig dabei. Denn damit wirst du ihm auch nicht helfen. Und dir noch viel weniger.
26.03.2018 02:05 •
#50