Hallo, wo fange ich an. Es wird sehr lang und ich danke jetzt schon fürs Lesen.
Ich war sehr lange Single und habe im letzten Jahr einen Mann kennengelernt. Uns verbindet ein gemeinsames Hobby, für unser Alter auch ein ungewöhnliches. Ich bin Ende 40, er Anfang 50. Und trennen zwei Bundesländer, also nichts dramatisches.
Wir hatten eine sehr lange Kennenlernphase, in der Beiden bewusst war, dass tiefe Gefühle für den anderen da sind, gesprochen wurde darüber nicht. Er hat Anfang des Jahres dann die Katze aus dem Sack gelassen, seitdem sind wir zusammen und führen eine Fernbeziehung, die so aussieht, dass ich jeden Freitagmittag zu ihm fahre und Sonntagabend zurück. Es gab seit Anfang des Jahres lediglich zwei Wochenenden, wo wir uns nicht gesehen haben. Dazwischen gab es auch verlängerte Wochenenden und eine Woche, wo wir zusammen waren.
Es passte von Anfang an wie die Faust aufs Auge, so, dass es ihm wie mir fast Angst gemacht hat. Ich könnte mir vorstellen, mit diesem Mann den Rest des Lebens zu verbringen. Auch er meinte, das wäre was ganz Großes
Nun muss ich ihn näher beschreiben: Er ist sehr. eigen. Ich habe noch nie einen so komplizierten Menschen kennengelernt. Eigentlich ist er gar nicht so kompliziert, aber er hat gewisse Eigenschaften, die ihn über die Jahre zu einem Einsiedler gemacht haben (im richtigen Leben keine Freunde, online schon sehr viele, nein, kein Zocker) Er wirkt immer sehr distanziert. Von Freunden wird er als eiskalt bezeichnet. Es fällt ihm sehr schwer, über Gefühle zu reden. Oft habe ich auch das Gefühl, er lässt keine Gefühle zu und dass er sowas wie Wut, Angst, Sehnsucht gar nicht kennt. Sobald diese Gefühle aufkommen, macht er dicht. Er denkt sehr in Schubladen, ist sehr rational, er denkt sehr praktisch (hat sicher auch was mit seinem Beruf zu tun, den er seit 30 Jahren ausübt) Und ich denke auch, dass ist der Punkt der uns gerade das Genick bricht. Er plant zum Beispiel nichts im Voraus, er nimmt alles, wie es kommt. Er lebt im Moment. Er tut, was ihm gut tut und killt, was ihm wehtut oder schadet. So geht er mit allem um.
Es lief zwischen uns unfassbar gut. Wenn ich da war bekam ich viel Aufmerksamkeit und das hat ein Blinder gesehen, dass er mich wirklich lieb hat. Es stimmte ALLES.
Wenn ich nicht da war, gab es Telefonat und whatsapp. Und hier war das einzige Manko: Es gab hier zwar Rituale, die wir online immer gemacht haben, ohne die keiner aufgestanden oder ins Bett gegangen ist. aber er war hier immer sehr. na nicht lieblos, aber es kam sehr selten z.B. ein wäre schön, wenn du jetzt da wärst Ich habe mich damit arrangiert. Er hat mir dann (per whatsapp) anders gezeigt, dass er gerade an mich denkt. Oder sich was Süßes ausgedacht.
In den letzten zwei Wochen habe ich gemerkt, dass auch seine whatsapp immer weniger werden. Die letzten 2 Wochenenden haben wir uns nicht gesehen. Am ersten hatte ich einen Termin, an Ostern hatte ich gefragt, ob wir uns sehen, da meinte er, er fährt zur Familie. Am Ende hatte er dort, durch seine Art, Streit und ist nach nur wenigen Stunden wieder nach Hause gefahren. Der Streit belastet ihn nach eigenen Worten sehr. Was schon mal ein Wunder ist, dass er das mir gegenüber zugegeben hat. Er versteht seine Familie in dem Fall nicht. Ich schon. Er hatte sich wochenlang bei seiner Mutter nicht gemeldet und stand Ostern Überraschung vor der Tür. Mama hat sich aber offenbar nicht so gefreut, wie er das gern gehabt hätte. Er hat nur gesehen, sie weiß seine Überraschung nicht zu schätzen und sie war eingeschnappt und hat ihn das spüren lassen. Tut mir leid, aber ich verstehe die Frau sehr gut - es besteht zwischen den beiden auch ein gutes Verhältnis.
Ich habe ihn angesprochen, dass ich das Gefühl habe, dass er sich von mir entfernt. Das hat er verneint. Als es jetzt am Wochenende so schlimm war, dass er nicht mal mehr antwortete, habe ich gefragt, ob alles ok ist. Da folgte dann ein Telefonat, nicht mal ein Videotelefonat, was ich ihm übel nehme, dass er mir nicht mal in die Augen gesehen hat dabei.
Er berichtete von zwei massiven Problemen in seinem Leben. Eines war mir bewußt, weil ich durch Zufall drauf gekommen bin. Es ist lösbar, das andere auch. Dann eröffnete er mir, dass er die Entfernung zwischen uns als zu groß empfindet und ihm die Fernbeziehung O-Ton nicht gut tut
Ich habe ihm dann aufgezählt, wie oft wir uns sehen, dass es Möglichkeiten gibt, in seiner Nähe zu arbeiten (weiß er auch), wir haben Urlaub geplant für dieses Jahr und ich bin mit meiner Stadt nicht verheiratet und durchaus bereit, zu ihm zu ziehen. In die Ecke wollte ich auch. Auch DAS habe ich ihm gesagt.
Und hier kommt der oben erwähnte Punkt: Er denkt in seiner Schublade. Er sieht nur das Jetzt, nicht, was in 6 Monaten ist.
Und er stellt den Wert unserer Beziehung, meinen Wert, den ich habe, das Glück was wir haben zusammen (und es würde jetzt zulange dauern zu erklären, warum ich wirklich sein 6er im Lotto bin, das soll nicht überheblich klingen) hinter diese Entfernung, die im Übrigen gerade mal 3,5 Zugstunden ausmacht!
Er hat mich sehr lieb, das hat er gesagt. Auf die Frage, ob es Aus ist, hat er geantwortet, dass er das nicht wüsste. Wir sind dann so übereingekommen, dass wir uns erstmal nicht mehr hören und er sich überlegen soll, was er jetzt macht. Damit bin ich ihm auch noch entgegen gekommen. Seitdem meldet er sich auch nicht mehr. Eine Andere steckt angeblich nicht dahinter, inzwischen bin ich mir da nicht mehr sicher. Meine Vermutung ist eher, dass er jemanden kennengelernt hat und jetzt nicht weiß, für wen er sich entscheiden soll und die Entfernung lediglich als Ausrede hergenommen wird.
Fakt ist jetzt: Es geht mir seitdem (und es ging mir ja die zwei Wochen vorher schon nicht gut) sehr schlecht. So schlecht, dass mein emotionaler und körperliche Zustand für mich selbst erschreckend und schon fast bedrohlich ist. Ich kann nicht mehr schlafen, ich heule den ganzen Tag, ich habe Herzrasen, mir ist schlecht, ich hab seit 2 Tagen nichts gegessen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, ich rutsche in eine Art Depression.
Jeder normale Mensch würde mir jetzt raten: Schieß den Typen ab, du brauchst ihn nicht, um eine Entscheidung zu fällen. Dann beende DU es. Ich kann es aber nicht. Auch deshalb nicht, weil ein riesen Rattenschwanz, den ich leider nicht näher erklären kann, dran hängt. Mache ich mit ihm einen cut, mache ich den automatisch auch mit anderen Sachen und anderen Freunden. Er ist ständig umher, ich sehe ihn ständig, ich lese ihn ständig, und sei es, weil andere Bilder von ihm posten. Dazu kommt, dass ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt, dass er sich doch für uns entscheidet. Aber ganz rational gesehen: Was hat das dann für einen Sinn? Ich werde immer die Angst im Hinterkopf haben, dass er mit der Entfernung wieder nicht klarkommt, wenn man sich mal ein Wochenende nicht sieht. Ich werde keine ruhige Minute mehr haben. Auch wird sich an seinem Verhalten nichts ändern, dass er gefühlskalt rüberkommt, wenn wir uns nicht sehen. Die Frage ist: Will ich das? Und da sage ich ganz klar, nein natürlich will ich das nicht. Aber warum halte ich an diesem Mann fest? Warum hoffe ich, dass er sich meldet und sagt: Wir machen weiter, ich hab dich lieb. Das wird nicht passieren, ich fühle es. Ich weiß es einfach. Und eigentlich sollte ich mir selbst auch so viel wert sein nicht mit jemandem zusammen sein zu wollen, der ÜBERLEGEN muss, ob er mit mir eine Beziehung führen möchte, oder? Ich sitze hier und gehe wirklich kaputt. Meine Freunde machen sich Sorgen. Ich mache mir Sorgen. Wo ist mein Problem? Was kann ich tun?
Und bitte nicht so doll mit mir schimpfen
Danke.
20.04.2022 12:00 •
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