Die Intention dieses Beitrags? Ich bin mir nicht sicher. Wahrscheinlich einfach mal alles von der Seele schreiben. Den Ratschläge bringen einen nichts, wenn man es eigentlich besser weiß, aber wider besseren Wissens trotzdem lachend in eine Kreissäge rennt
Aber auf Anfang. Ich habe meinen Ex in der Langzeitreha kennen gelernt. Wir waren beide dort wegen eines Alk.. Die gesamte Reha dauerte 16 Wochen.
Wie ihr euch vorstellen könnt, war ich psychisch ziemlich angeschlagen, als ich dort war. Aber nach und nach ging es mir allmählich besser und ich lernte nennen wir ihn mal Tim kennen. Ich war bewusst in die Reha gegangen, wollte mich von der vorherigen, destruktiven Beziehung lösen und mich ganz um mich kümmern. Aber ab der Hälfte etwa konnte ich mich Tim nicht mehr entziehen. Aus einem Nebenbeigespräch entwickelte sich ganz schnell eine Liebelei, die ihresgleichen sucht. Ich war so unfassbar verliebt und glücklich und hatte endlich das Gefühl angekommen zu sein. Tiefsinnige Gespräche, absolute Verbundenheit, viel körperliche Nähe. Alles schien absolut perfekt. Alles unter der Käseglocke der Reha.
Dieses Bild bröckelte das erste Mal, als Tim schon entlassen war. Wir hatten beschlossen, an einem Samstag das Angehörigen-Seminar in der Reha zu besuchen, damit wir uns einen Plan machen, wie wir beide gemeinsam abstinent leben können. Den Abend zuvor rief Tim mich an. Und er klang so anders. Er warf mir vor, es hätte sich in unserer Beziehung etwas verändert. ich hätte mich verändert. Auf Nachfrage hin konnte er nichts spezifizieren, war lediglich sehr aggressiv und pöbelte regelrecht ins Telefon. Ich war absolut irritiert und vor den Kopf gestoßen. Wie, was sollte sich verändert haben? So lange sind wir doch auch gar nicht zusammen?! Es kam soweit, dass er auflegte mit den Worten Ich mach Schluss. Ich war nicht mal traurig, weil diese Irritation alles überdeckte. Am nächsten Tag rief er mich ganz kleinlaut an, entschuldigte sich und erschien auch zu dem besagten Termin. Ich roch sofort seine Fahne. Er stritt Alk. aber vehement ab.
Der Termin verlief gut, wir sprachen uns aus, er gelobte Besserung und alles war tutti.
Nächstes Ding. Ich war dann auch entlassen, war noch eine Woche krankgeschrieben bevor meine Wiedereingliederung losging. Tim arbeitete schon wieder und hat wiederholt Unmut darüber geäußert, dass man sich unterwegs nichts Gesundes zu essen hohlen konnte. Also dachte ich, ich überrasche ihn und habe eine Kühltasche besorgt, bin morgens sehr früh aufgestanden (er muss um 5 Uhr das Haus verlassen, unsere Städte liegen 60 km auseinander), habe tolles Essen vorbereitet und bin zu ihm hin. Ich hatte einen Schlüssel der Wohnung, die Tür lies sich aber nicht öffnen. Also klingelte ich. Ich hörte wie Tim, bevor er aufmachte, Dosen verschwinden lies. Ich drückte den Gedanken einfach weg und hielt ihm freudestrahlend die Tasche mit dem Essen entgegen. Er war sofort absolut aggressiv, unterstellte mir, dass ich ihn kontrollieren würde. Wer würde denn nachts um 4 Uhr aufstehen, nur um essen vorbeizubringen? Was im Übrigen sowieso viel zu viel für ihn war Ich war fassungslos. Und absolut Traurig. Ich verfiel sofort in einen Verteidigungsmodus und versuchte mich zu rechtfertigen, dass ich es wirklich nur gut gemeint hätte. Er verließ brüllend die Wohnung und ließ mich allein zurück. Und was mach ich? Ich warte zu Hause bei ihm! Wie wenig Selbstachtung kann man haben? Ich redete mir alles wieder schön, unterdrückte das schlechte Bauchgefühl. Als er nachtmittags zurück war, entschuldigte er sich. Er war überfordert, weil ich ihn ja beim Konsum erwischt habe. Er hat sich elend gefühlt, hat sich geschämt und es täte ihm leid. Ich war natürlich verständnisvoll, versicherte ihm meine Unterstützung und wir würden das gemeinsam schon schaffen.
Tja, er trank beinahe täglich. Und dann dauerte es nicht lange, dann griff ich auch wieder zur Flasche schließlich bin ich auch suchtkrank.
Die Stimmung pendelte immer von Himmelhochjauchzend zu Tode betrübt. Absolute Gegensätze. Die ganz große Liebe, Familienplanung, tiefe Verbundenheit, bewusstseinserweiternder S., Verschmelzung. Und die andere Seite waren Aggressionen, Streits, Vorwürfe, Stress und Hass, den ich so noch nie erlebt habe.
Ich war jedes Mal total irritiert. Wie konnte die Situation so eskalieren? Es war doch gar nichts los? Was war denn passiert, was habe ich falsch gemacht?
Eines Abends war schon wieder eine seltsame Stimmung. Er verlang, dass ich ihm mein Handy zeige. Ich hatte schon eine seltsame Wandlung vorgenommen. War unterwürfig, vermied Konflikte, versuchte so unauffällig wie möglich zu sein. Aber das fiel mir lange nicht auf.
Ich gab ihm das Handy und er fand den Chat meines Ex. Da war nichts Dramatisches drin, allerdings schrieben wir noch mal, als ich bereits in der Reha war wenn auch belanglos.
Es dauerte nicht lang und die absolute Hölle brach aus. Er schrie herum, ich würde ihn betrügen, schmiss meine Sachen durch die Gegend. Ich kniete auf dem Boden, um die Sachen wieder einzusammeln, schaute zu ihm auf und dann Schlug er mir ins Gesicht. Er schliff mich über den Flur, an den Haaren gezogen und wollte mich zur Haustür raus schmeißen. Ich kauerte mich zusammen und er trat mir in den Rücken und Hintern. Als er kurz von mir abließ, könnte ich ins Badezimmer flüchten. Ich hatte Todesangst und rief die Polizei. Er polterte gegen die Tür und schrie. Aber als die Beamten da waren, konnte ich in Ruhe meine Sachen packen und verschwinden.
Auf dem Nachhauseweg (Autobahn) überkam mich schlimme Übelkeit und Schwindel. Ich rief eine Freundin an, die mich bat, mit ihr ins Krankenhaus zu fahren. Dort blieb ich eine Woche. Wegen Jochbeinbruch (wenn auch nur minimal) und Gehirnerschütterung. Ich schlief fast die ganze Zeit.
Tim hatte versucht, mich in der Zeit zu besuchen und kam mit Blumen vorbei. Die Krankenpfleger ließen ihn aber nicht zu mir. Aber was mache ich trotzdem? Ich baue Kontakt auf und lasse mich sogar von ihm abholen.
Wieder viele Tränen und viele Entschuldigungen usw. Er wird aufhören zu trinken. Das sei alles nur der Alk., er liebt mich doch so abgöttisch.
Von diesen Situationen könnte ich zahlreich berichten. Die Dynamik wurde nur immer schlimmer. Weil ich auch irgendwann anfing, mich reinzusteigern. Ich bemerkte, dass er seine Psyche in mir spiegelt, seine schlechten Charakterzüge mir selbst vorwirft und empfand es als total ungerecht. Das löste in mir Wut und Verzweiflung aus. Dann war es eines Tages soweit, dass ich endgültig die Fassung verlor. Weil ich mal wieder ein Wort falsch betonte oder seltsam geatmet hatte, entstand ein Streit. Er betitelte mich als dreckiges Stück sch. und F*tze. ich wollte gehen und er stellte sich mir in den Weg. Er provozierte mich bis aufs äußerste. Ich sah rot und schlug ihn zwei Mal mit der Faust ins Gesicht. Jetzt war ich nicht ein Deut besser als er
Im Nachhinein sagte er mir, dass er das genau so erreichen wollte, weil er meinte, er hätte diese Schläge mal verdient.
In meiner Verzweiflung habe ich Streitgespräche mit meinem Handy aufgezeichnet, um die Dynamik dahinter zu verstehen. Aber wie soll man die verstehen, wenn da gar keine ist? Es ist quasi wirres und zusammhangloses Gelaber. Das fiel mir beim wiederholten Anhören auf. Bei einem Streitgespräch habe ich einfach nichts gesagt. Nicht ein Wort. Tim redete und redete sich immer weiter in Rage, obwohl ich nichts dagegen setzte. Erschien gar nicht zu bemerken, dass es nur ein Monolog und keine Konversation war.
Es war immer der Gleiche Kreislauf: Hass, Wut, psychische und physische Gewalt und Streit. Ich trennte mich, jedes mal versprach ich mir selbst, dass es wirklich das letzte Mal sei. Und dann kam er wieder angekrochen. Er hätte es diesmal wirklich, aber wirklich verstanden! Es läge am Alk., er macht eine Therapie. Er liebt mich so abgöttisch und will Familie mit mir, es täte ihm alles so leid. Und ich naives Dummchen glaube an Besserung, die niemals eintritt. Dann unterstellt er mir einen Tag später, ich habe eine Affäre und soll ihm alle Geschenke, die er mir gemacht hat, zurückgeben.
Nachdem ich das zweite Mal Im Krankenhaus war, verschwieg ich meinen Freunden, dass Tim und ich zum 65 mal Zusammengekommen sind. Ich widere mich selber so an und finde es so erbärmlich, ihn jedes Mal zurückzunehmen, dass ich mich schäme, das so zu erzählen. Wenn mir meine beste Freundin das so erzählen würde, würde ich ihr einen Vogel zeigen und mal gehörig den Kopf waschen.
Aber das führt dazu, dass ich mit niemanden darüber reden kann.
Ich bin seit dem Ende der Reha in der ambulanten Weiterbehandlung, Diese beinhaltet wöchentliche Gruppen und Einzelsitzungen. Dass ich so häufig Rückfällig geworden bin, habe ich nie erwähnt. Zu groß ist die Scham.
Aber natürlich kann ich nicht gesunden, wenn ich diese Beziehungsdynamiken und meinen Hang zur Selbstzerstörung nicht bearbeite. Das ist das mit mir machen lasse, kommt ja nicht von ungefähr. Es spiegelt exakt die Beziehung zu meiner Mutter wider. Gewalt und Aggressionen. Nur war ich damals abhängig von ihr und musste es quasi ertragen. Heute bin ich eine erwachsene Frau von Mitte 30 und verhalte mich wie ein geschlagener, kleiner Welpe.
Es ist beinahe ein Jahr her, als Tim und ich uns zum ersten Mal küssten. Es muss ein Ende haben. Ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst, antrieblos. Ich isoliere mich selbst. Konsumiere.
Gestern Abend war es dann wieder so richtig schlimm. Wir sprachen darüber, wie wir das in den Griff kriegen wollen. Eingangs war es ganz gut. Auch wenn er die meiste Zeit redete. Aber da er nur über sich und seine Gefühle sprach und keine Vorwürfe machte, war es ok für mich. Dann sprach er darüber, dass er suizidal wäre. Ich atmete daraufhin tief durch. Und das war dann der Aufhänger, für den nächsten Streit (so unfassbar absurd!). Durch die Häufigkeit dieser Situation bin ich sehr resigniert, ja fast schon routiniert darin, stillschweigend meine Sachen zu packen und nach Hause zu fahren. Ich weiß ja, dass weitere Diskussionen nur unnötig Energie rauben.
Er war außer sich, beschimpfte mich wiederholt als F*tze, wie gefühlskalt ich sei, dass ich so reagiere, wenn er mir sein Herz ausschüttet. Er wird mich fertig machen, sagte er. Er holt sich alles wieder zurück, was er mir je geschenkt hat. Damit ihr mal einen kleinen Einblick bekommt, wie fast schon infantil dieser Mensch in solchen Situationen ist: Ich ging ins Badezimmer, schloss mich dort ein, um mich in Ruhe umziehen zu können. Du hast gefälligst keine Türen in meiner Wohnung abzuschließen und er machte das Licht aus (war schon spät). Das war so absurd, dass ich nur noch lachen konnte. Er drohte mir, wenn ich jetzt fahre, dass er die Polizei rufen wird, dass sie mich anhalten sollen, weil ich schon etwas getrunken habe.
ich kann es nicht fassen, dass ich es nicht auf die Reihe bekomme, mich von diesem Mann zu lösen. Er wird sich nicht ändern. Es wird immer wieder das gleiche Schema ablaufen. Ich leide ganz furchtbar darunter, tue aber nichts aktiv dagegen. Wie widersinnig ist das? Es gibt sicherlich ganz wunderbare Männer da draußen und ich muss an ihm festhalten? Was zum Teufel stimmt nicht mit mir? Warum schmeiße ich mein Leben weg? Ich meine, es liegt ganz allein in meiner Verantwortung, die Lage zu ändern.
Ich habe alle Kommunikationswege blockiert und seine Nummer gelöscht. Ich hoffe, dass ich nicht in einem Wahn diese irgendwoher hervorkrame.
Ich muss aus dieser Hölle aussteigen, sofort!
Vielleicht gibt es Menschen, die Ähnliches erlebt haben, die mir berichten können, wie sie es geschafft haben.
07.05.2019 12:25 •
x 1 #1