Liebe Sund,
Deine Frage nach dem Warum ist schnell beantwortet: Die Mehrheit der Männer liebt und sieht ihre Kinder anders als die Mehrheit der Frauen.
Als (psychisch und körperlich gesunde) Mutter bist Du mit Deinen Kids eine Einheit. Geht es ihnen schlecht, trifft es Dich emotional so, als hättest Du ein krankes Körperteil. Die Kinder traurig oder wütend zu sehen, ist gar keine Option - Du musst dann handeln. Schon allein, damit es Dir gut geht, muss es den Kindern gut gehen. Und wer ihnen weh tut, tut auch direkt Dir weh. Daher wirst Du auch immer dann, wenn Deine Kinder ein Bedürfnis haben, selbst dahinter zurückstehen, so lange die Kraft reicht.
Väter lieben ihre Familie. Sie haben ein anderes Verhältnis zu ihren Kindern - sehen sich selbst als Einheit neben ihren Kindern. Sie sehen sich in einer Vaterrolle und einer Vaterfunktion, die aber nicht unauslösvhlich mit ihrem Sein als Mann verwoben ist. Erleben Väter sich selbst als bedürftig, müssen Kinder aus ihrer Sicht eben auch mal zurückstecken. Auch der Gedanke, dass sie sich zurückziehen und die Kinder dann ja mal auf sie zukommen könnten, erscheint Müttern völlig absurd. Väter stören sich an dem Gedanken, dass die Kinder ja auch irgendwie für ihr Wohlbefinden da sind, selten.
Mütter brauchen die Kinder um sich, um sicher stellen zu können, dass es ihnen gut geht. Väter brauchen die Kinder um sich, damit es ihnen als Vater gut geht. Das ist der Unterschied.
Bei Deinem Ex lösen die Kinder in ihm Schuldgefühle aus. Die vermeidet er, wenn er die Kinder meidet und (liest man hier im Forum von getrennten Vätern oft) jetzt nur auf sich achtet und dafür sorgt, dass es ihm endlich wieder gut geht. Zudem ist Dein Ex (anders als Du als Mutter) emotional in der Lage, die Kinder auszublenden. Der sagt sich einfach denen geht es bei der Mutter gut und kann dann beruhigt schlafen.
Mein Ex hat das so für sich rationalisiert: Sie hat die Trennung ausgesprochen und damit mein Leben zerstört und mir die Familie genommen. Dann soll sie mal zusehen, wie sie zurecht kommt. Geht es jetzt meinen Kindern schlechter als zuvor, ist sie dran schuld, schließlich hat sie ja ...
Zwei Jahre lang waren ihm die Kids egal. Er hat sie ab und zu abgeholt, aber nichts gezahlt und war sich stets selbst der Nächste. Ich hab ihn so sehr verachtet dafür. Nach einer Weile war er mir dann egal. Wir hatten es uns einigermaßen bequem eingerichtet, ganz ohne sein Zutun. Und ich war stolz darauf und führte ein schöneres Familienleben zu dritt als früher mit ihm zu viert.
Dann lernte ich meinen jetzigen Partner kennen. Er ist (obwohl er selbst keine Kinder hat) ein so toller Vater. Meine Kids haben ihn sofort akzeptiert und er gehört jetzt einfach bei uns dazu, bringt sich ein, gibt den Kids die männliche Perspektive und hilft mir, zu reflektieren. Seitdem er auf der Bildfläche erschien, legt sich mein Ex richtig ins Zeug, zahlt den Mindestunterhalt, überschüttet die Kids mit Geschenken und erkundigt sich häufiger nach ihnen. Ob es da um Konkurrenz geht oder er sich fürchtet, als Vater völlig irrelevant zu werden, oder ob er sich vor einem anderen Mann mehr schämt als vor seinen eigenen Kindern, ist mir mittlerweile egal. Meine Kinder nehmen dieses neu erwachte Kämpfen um sie freundlich entgegen. Und der Mindestunterhalt geht auf ein Konto für sie. Denn wer weiß, wie lange dieser Anflug auf Väterliebe anhält und wann mein Ex sich selbst wieder schützen und selbst zu Kräften kommen muss oder wieder zu arm für Unterhalt wird.
Mit den Ämtern und Gerichten habe ich keine gute Erfahrung gemacht. Wenn der Vater nicht zahlen will, findet er Wege, auf denen die Gerichtskosten mehr kosten als das Eingetriebene bringt.
Ich habe es so gemacht: Ich arbeite nur 30-35 Stunden, um meine Kinder noch mit genug Präsenz versorgen zu können. Mein Gehalt plus Kindergeld plus UV sind mein Budget, mit dem ich uns Drei versorgen kann. Als erstes muss eine Wohnung her, die max. 1/3 bis 1/2 des Budgets an Endmiete kostet. Das ging hier nur, indem ich auf ein eigenes Zimmer, Balkon, modernes Bad und bessere Gegend verzichtet habe. AE mit zwei Kindern und TZ-Job ist kein Vermietertraum. Einfach hartnäckig bleiben und wieder und wieder versuchen. Das restliche Geld wird für Versicherungen, Transport, Essen, Kleidung, Schule, Hygiene und Freizeit budgetiert. Ein Gehalt muss stets auf dem Konto sein, falls mal die Waschmaschine streikt o.ä.
Und um den Mangel nicht zu spüren, müssen neue Rituale her. Essen gehen ist nicht mehr drin. Auch Pommes im Schwimmbad geht nur noch mit Ach und Krach. Dafür ist Freitagabend bei uns immer Picknick: Im Sommer im Park, im Frühjahr, Herbst und Winter in unserem Wohnzimmer auf dem Boden. Decke auslegen, Schnittchen vorbereiten, Trauben und Käse auf Holzstäbe stecken kostet genauso viel wie unser normales Abendbrot und nur ein bisschen mehr Zeit. Bei den Frühstücksflocken haben wir uns z.B. anfangs wie Wissenschaftler durch die No Name Sorten durchprobiert und gemeinsam festgestellt, dass es keine wirklich knusprigen Corn Flakes aus dem Discounter gibt, dafür aber super leckere und günstige Toppas-Alternativen, die uns mittlerweile besser schmecken als das Original. Aus der Not ein Abenteuer machen ist hier der Trick, der es allen Drei erleichtert, zu verzichten.
Auf Kleinanzeigen ein gebrauchtes Zelt für 30 Euro besorgt und wir verbringen unseren Urlaub mit wildem (und illegalem, also hoher Spannungsfaktor) Campen/Übernachtungen in den städtischen Grünanlagen. Die Stadt, der DRK und die Museen machen häufig Ferienangebote für kleines Geld. Meine Kids fahren manchmal mit Freunden mit in den Urlaub. Das Taschengeld dafür können wir uns leisten.
In der neuen Wohnung war es wichtig, dass von Anfang an ein guter, vertrauter Geruch, ein gemütliches Bett (wir hatten am Anfang nur das alte Ehebett für und drei gemeinsam), Wärme (Heizung, Wärmflaschen, Kakao und Vorlesen) und für eine schöne Atmosphäre ein paar Lichterketten vorhanden sind, damit sich alle schnell zuhause fühlen. Und dann gemeinsam die neue Umgebung erkunden und das Gute (z.B. Briefkasten näher, Bäcker um die Ecke, viele Kinder zum Spielen, Fahrradkeller) hervorheben und die Nachteile (weniger Platz, Waschmaschine im Keller, längerer Weg zur Schule) mit einem nicht so schlimm kommentieren.
Wenn Du die Veränderungen positiv spiegelst, können Deine Kinder sie auch besser annehmen.
Und nicht vergessen, immer nachzuhören, was Deinen Kids wirklich wichtig ist und worauf sie nicht verzichten können. Ich hatte die vielen Geschenke für Kindergeburtstagsfeiern aus Kostengründen in Einladungen zu gemeinsamen Aktivitäten umgewandelt. Statt einer Packung NinjaGo eine Einladung zum gemeinsamen Schwimmengehen. Der Kleine fand das super. Die Große fühlte sich damit unwohl und wollte nicht mit solchen merkwürdigen Geschenken aus der Gruppe herausstechen. Also kaufen wir bei ihren Einladungen jetzt wieder Geschenke und sparen dafür am Fleischkonsum. Das ist für alle Drei okay.
Von Papa kommen sie zurück und erzählen natürlich begeistert von seinem neuen Auto und dem vielen Spielzeug, das sie bei ihm haben. Natürlich kotze ich dann innerlich. Aber ob er an seinem Auto so viel Freude hat wie ich an meinen Kids, wage ich deutlich zu bezweifeln. Mein Leben ist, seit er weg ist, zunächst anstrengender geworden, aber dann auch ganz schnell so viel schöner als mit ihm.
Natürlich ist es bei Kids mit 12 und 16 erstmal ein harter Umstellungsprozess von Markenklamotten zu Second Hand Sachen und von Familienurlauben zu Campen im Stadtpark. Du wirst noch häufig ein schlechtes Gewissen ihnen gegenüber haben. Aber nimm sie einfach mit ins Boot. Hilf ihnen, sich einen Ferien- oder Schülerjob zu suchen, um sich selbst kleine und größere Wünsche erfüllen zu können. Sie entwickeln dann Stolz auf das, was sie selbst erschaffen können, und werden durch die Trennung zwar zu weniger behüteten, ernsthafteren und sehr früh erwachsen wirkenden kleinen Menschen, sind aber viel besser davor gefeit, auf Blender und Schwätzer hereinzufallen als ihre Altersgenossen aus heilen Familien.
Du bekommst das sicher hin.
Und wenn Du wütend auf den Ex bist, dann sei wütend. Es wird die Zeit kommen, da weicht die Wut dem Ekel. Und kurz danach wird er Dir völlig fremd und geht Dir am Ar. vorbei.
Mach Dich so autark von ihm wie möglich, dann kann er Dir auch nicht mehr in Dein Leben funken. Nach drei Jahren gab es bei mir mit dem Ex (außer der Kinder) keinerlei Berührungspunkte mehr und er konnte mir nicht mehr durch irgend eine Astlochaktion den Tag vermiesen oder mich in Schwierigkeiten bringen. Seitdem bin ich frei, habe keine Angst mehr und er ist ganz allein verantwortlich für sein Schicksal. Ein gutes Gefühl, das mir die Kraft gibt, ohne Tiefpunkte eine gute Mutter für meine Kinder zu sein.