Ich muss mich einfach mal mitteilen, es ist spät und ich trau mich nicht mehr, jemanden anzurufen.
Heute war wieder einer dieser Tage.
Ich hatte ordentlich Streit mit meiner Großen, sie ist mitten in der Pubertät, Aufhänger waren nur Nickeligkeiten, aber sie ist total ausgerastet, hat rumgeschrien, war nicht zu beruhigen, keinem geordneten Gedanken zugänglich. Wir haben öfter mal solche Auseinandersetzungen, als mein Nochmann und ich uns frisch getrennt haben, war das fast an der Tagesordnung, in den letzten Wochen ist es deutlich seltener geworden. Ihre beiden (jüngeren) Brüder belasten diese Streits immer sehr, meist eskaliert es auch abends, wenn die beiden Jungs schon müde und am ins-Bett-gehen sind oder schon im Bett liegen. Mit dem Papa gibt es solche Streits nicht, er ist nicht der Typ für Streits, wir haben auch nie wirklich gestritten. Für mich sind diese Streits in der Pubertät dagegen relativ normal, ich war auch nicht anders, aber bei uns zu Hause herrschte auch eine ganz andere Streitkultur, da waren heftige Auseinandersetzungen zwischen allen Familienmitgliedern an der Tagesordnung, es wurde sich aber auch immer schnell wieder versöhnt.
Dennoch geht es mit meiner Tochter meist auch ins Grundsätzliche. Sie wirft mir immer wieder die Trennung vor - sie hat damals sehr schnell kapiert, dass die Trennung von mir ausging. Mein NM und ich hatten uns zwar vorgenommen, das den Kindern nicht explizit zu sagen, sondern zu vermitteln, dass wir uns trennen, aber letztlich habe nur ich geredet, als wir es den Kindern gesagt haben, und mein Mann hat dabei geweint, unsere Tochter ließ sich da nichts vormachen. Sie wirft mir vor, dass wir uns nicht ihnen zuliebe zusammenreißen konnten, dass wir nicht alles für sie getan haben, um weiter zusammenzubleiben. Sie ist dabei oft ziemlich verletzend und sagt sehr viele gemeine Dinge. Für die Jungs ist das teils sehr verstörend. Ich selbst weiß, dass das alles eigentlich nicht so gemeint ist, aber ich lasse mich bisweilen durchaus provozieren, meist schaffe ich es eine Weile, ruhig zu bleiben, aber irgendwann platzt mir dann auch der Kragen, und ich werde laut.
Oft ruft meine Tochter dann auch ihren Vater an, um sich über mich auszulassen - auch kein schönes Gefühl, ich fühle mich dann immer irgendwie als Versager, als würde ich es alleine nicht schaffen, meine Tochter zu beruhigen, zumal ich ja weiß, dass es mit ihm keine solchen Eskalationen gibt.
Mein NM und ich bekommen es als getrennt Erziehende eigentlich ziemlich gut hin, wie ich finde. Wir haben das Wechselmodell, ich drei, er zwei Tage unter der Woche, die Wochenenden abwechselnd. Meine Wohnung ist sehr nah bei unserem Haus, es sind kurze Wege zu den Schulen und Freunden von beiden Zuhauses, eigentlich wirklich ideal. Die Kommunikation zwischen uns ist auch sehr gut, wir tauschen uns fast täglich über WhatsApp aus, wenn es mal mehr zu besprechen gibt, telefonieren wir auch, ca. 1x pro Woche trinken wir bei der Übergabe einen Kaffee oder essen auch mal alle zusammen, um Dinge zu besprechen/Familienrat abzuhalten. Keiner von uns verliert ein böses Wort über den anderen, der Umgang ist sehr wertschätzend, es gibt kaum Unstimmigkeiten. Insgesamt hat sich alles ganz gut eingependelt (es ist allerdings alles noch recht frisch ich bin seit Mitte Oktober 2023 in meiner Wohnung, kam anfangs noch zur Betreuung ins Haus, seit Dezember sind die Kinder regelmäßig bei mir).
Und doch hat mein Mittlerer heute, als ich mich nochmal zu ihm gelegt habe, um ihn zu beruhigen, als er wegen des Streits mit meiner Großen so aufgewühlt war, etwas gesagt, was mich echt erschüttert hat. Er meinte, sein Leben sei nur noch sch. , wir hätten uns getrennt, er schreibe schlechte Noten (es gab halt mal ne 3-4 zuletzt und eine 4 im Diktat, alles kein Drama), die Streits, nun sei er auch noch krank (er ist gerade erkältet). Das hat mich sehr getroffen. Dass er sich so grundlegend schlecht fühlt. Dass er für sich keine Perspektive sieht. Das erfüllt mich mit großer Sorge.
Und das ist natürlich ein Riesenthema bei mir, mein schlechtes Gewissen, meine Schuld gegenüber meinen Kindern. Ich habe mich im letzten Jahr immer wieder gefragt, ob ich nicht noch länger hätte aushalten müssen, meinen Kindern zuliebe. Mich hätte zusammenreißen und kämpfen müssen. Tatsächlich kam die Trennung für meinen Mann ja ziemlich plötzlich, während in mir da schon alles tot war. Ich lese immer hier im Forum davon, wie User ermutigt werden, um ihre Beziehung zu kämpfen, und wie sie das dann auch tun, trotz vieler Probleme und Hindernisse. Ich hatte, nachdem ich meinen Trennungswunsch ausgesprochen habe, nie das Bedürfnis zu kämpfen. Im Gegenteil. Der Gedanke daran hat mich mit Angst und Panik erfüllt. Mein Mann hatte es mal kurz angesprochen, er war der Meinung, wir sollten eine Paartherapie machen, er meinte auch, es sei meine Pflicht, ich hätte mich mit der Ehe dazu verpflichtet. Aber alles in mir hat sich dagegen gesträubt, es war ein tiefes Gefühl der Abwehr und Abneigung, ich schäme mich fast dafür, dass ich ihm gegenüber so empfunden habe und noch immer empfinde. Nichts zieht mich zu ihm zurück, ich vermisse ihn null. Und tatsächlich hat er auch nicht um unsere Beziehung gekämpft. Er hat kein einziges Mal gesagt, dass er will, dass ich bleibe oder zurückkomme. Dass er mich liebt und unsere Beziehung nicht aufgeben will (er wollte nur, dass ICH kämpfe). Das hat in mir erst recht zu einer immer größer werdenden inneren Distanz und totalen Entfremdung geführt. Es gab nie einen Weg zurück.
Und klar kam das alles auch für meine Kinder vollkommen aus heiterem Himmel (im wahrsten Sinne des Wortes). Zwischen mir und meinem NM war es immer harmonisch, wir haben nie gestritten, alles zusammen gemacht. Sie sind von jetzt auf sofort aus dem Paradies gerissen worden.
Was kann ich für sie tun, damit sie da so gut es nur irgendwie geht durchkommen? Ich genieße die gemeinsame Zeit mit ihnen sehr - anfangs war der Gedanke, dass ich sie nur noch 50 % der Zeit sehe, furchtbar für mich, und ich vermisse sie sehr, wenn sie bei ihrem Vater sind. Andererseits sind die Tage mit ihnen immer sehr intensiv, besonders, ich bin ganz anders in Kontakt mit ihnen als früher.
Ach, ich weiß ja, ich habe uns allen das selbst eingebrockt. Was hab ich erwartet? Um ehrlich zu sein: gar nichts. Ich wusste, es würde schlimm für sie werden. Aber wie schlimm genau, was genau das im Einzelnen für jeden von ihnen, von uns bedeuten würde, das lag offensichtlich außerhalb meiner Vorstellungskraft.
25.01.2024 23:59 •
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