Hi Leute,
ich bin total verzweifelt. Ich habe ein gigantisches Problem mit meiner schwangeren Freundin. Darüber reden kann ich mit meiner Mutter, mit Freunden, aber ich kriege dort im Prinzip nur ein und dasselbe Feedback. Das heisst natürlich nicht, dass es falsch ist, aber vielleicht hilft mir ein Standpunkt von ganz aussen.
Wir sind beide Mitte 30, kennen uns aber schon ewig. Zusammen seit einem dreiviertel Jahr, dann wurde sie recht schnell schwanger. Das war nicht geplant, darüber zu diskutieren, ist wohl nicht förderlich. Was ich gerne wissen würde, ist, wie ich den Karren - falls überhaupt noch möglich - aus dem Dreck ziehen kann, oder ob eine Trennung unausweichlich ist. Alles, was ich schreibe, entspringt natürlich meiner subjektiven Wahrnehmung, trotzdem will ich versuchen, die Sache so objektiv wie möglich darzustellen. Alles ist so unglaublich kompliziert, dass es mir jetzt schon leid tut, diese Textwand zu verfassen. Ich hoffe, es liest trotzdem irgendwer.
Zunächst zu mir: Ich bin schwierig. Ich bin gern und viel allein, brauche das als Ausgleich, weil ich mich sonst schnell erdrückt fühle und unglücklich bin. Zudem habe ich eine Hand voll Freunde, die mir unendlich wichtig sind. Das heisst nicht, dass ich meine Freundin nicht mehr lieben würde. Klar, in den letzten Monaten ist sehr viel kaputtgegangen, darauf komme ich noch zurück, aber ich möchte eine solide Basis für unser Kind schaffen. Im Moment allerdings erscheint mir das aussichtslos, und ich bin wirklich todunglücklich.
Nun zu ihr: Sie ist noch viel schwieriger als ich. Sie kann absolut nicht allein sein. Sie hat ein derart inniges Verhältnis zu ihrer Mutter, dass ich es, entschuldigt bitte die Wortwahl, als krankhaft bezeichnen würde. Das sind nicht nur Mutter und Tochter, das sind auch beste Freundinnen und Schwestern. Das Fatale ist, dass meine Freundin emotional total von ihrer Mutter abhängig ist: Sie kann keine gewichtige Entscheidung ohne ihre Mutter treffen, und wenn ihre Mutter einen schlechten Tag hat, strahlt das derart übel auf sie ab, dass auch ich das hin und wieder abbekommen habe. Für mich kaum tragbar, zumal ihre Wohnverhältnisse eher einer 3er-WG mit den Eltern ähnelt, obwohl sie eine eigene Wohnung im Elternhaus hat. Zudem hat meine Freundin keine, ich wiederhole, keine Freunde.
Sie war, seit wir zusammen sind, zwei Mal bei mir. Den Rest der Zeit sind wir bei ihr. Mich hat das von Beginn an belastet, weil ich mehrfach einfach dazu genötigt wurde, Zeit mit ihren Eltern zu verbringen. Nicht, dass ich ihre Eltern nicht mag, im Gegenteil, aber das ist einfach too much. Ich wusste von Anfang an um diese Problematik, wollte mich aber nicht als Keil zwischen meiner Freundin und ihren Eltern positionieren. Dennoch: Obwohl ich sowieso schon ein übersteigertes Bedürfnis nach Alleinsein hatte, hat dieser Zwang dazu geführt, dass ich mich mehr und mehr abgekapselt habe. Effektiv führten wir eine Wochenend-Beziehung, und manchmal sahen wir uns ein bis zwei Mal unter der Woche. Dass sie das nicht zufrieden stellte, habe ich schnell spüren müssen, obwohl in all den Jahren, in denen wir uns kannten, sie immer das Bild einer selbständigen und stabilen Persönlichkeit rübergebracht hat.
Als sie schwanger wurde, brach die Hölle los. Direkt nach dem Schwangerschaftstest war sie wie aufgelöst, ich erkannte sie nicht wieder. Sie war aggressiv, gemein, ich kann es kaum in Worte fassen. Es fielen Aussagen wie ich bin wichtig, nicht Du, Du kannst vergessen, dass Du erst hier einziehst, wenn das Baby da ist, Du musst Dich um mich kümmern, ich packe das alles nicht” und so weiter und so fort. Natürlich sprach die Angst aus ihr, da hatte ich doch auch Verständnis für. Aber es wurde schlimmer. Ich machte ihr klar, dass ich NICHT in ihr Elternhaus ziehen würde. Der Einfluss der Mutter ist so gigantisch gross, ich will mir in meinem schlimmsten Alptraum nicht ausmalen, was dann auf mich zukäme. Sie ignorierte das, erzeugte nur noch mehr Druck: Du bist nie da, ich bin schwanger, das ist nicht gut für unser Baby und so weiter. Je mehr Druck sie aufbaute, desto mehr zog ich mich zurück.
Dieses Zurückziehen wirft sie mir in einer Tour vor. Sie versucht nicht einmal zu verstehen, wie schlimm das für mich ist. Es geht nur um sie, um ihre Gefühle und Erwartungen. Die sind teilweise so abenteuerlich, dass ich es nicht erwähnen möchte. Als ich mit dem Vorschlag kam, in eine neutrale Wohnung zu ziehen, hat sie das abgebügelt mit der Begründung, dazu in der Schwangerschaft nicht mehr in der Lage zu sein. Aber mit einem Säugling möchte sie dann umziehen? Lachhaft. Also bohrte ich nach bis zu folgender Aussage: Ich will nicht aus dem Dunstkreis meiner Mama raus. Soll heissen: Die Wohnungen, die ich ihr vorschlug, waren zu 99% zu schäbig und nicht auf ihrem Standard, und überhaupt ist jede Distanz von mehr als 5 Kilometern rund um ihr Elternhaus zuviel. Ich sehe darin nichts als Ausreden, sorry. Wenn sie mich wirklich lieben würde und eine Familie mit mir würde gründen wollen... würde sie sich da nicht anders verhalten?
Bitte brecht nicht den Stab über mich, ich will sie nicht als böse Furie hinstellen. Aber sie ist wirklich nicht einfach, und teilweise schlicht bösartig, wenn sie nicht weiter weiss. Da waren Dinger dabei, da hätte jeder gesunde Mann (ich betone: ich muss krank sein) sie sitzen lassen, Schwangerschaft hin oder her. Aber mein Verantwortungsgefühl verbietet mir das, ebenso die Tatsache, dass ich immer noch Gefühle für sie habe-- auch wenn wir uns in den letzten fünf Wochen ganze vier Mal gesehen haben. Mein Verhalten mag in ihren Augen keinen Sinn ergeben, da ich mich ja aufopferungsvoll um meine schwangere Freundin kümmern müsste. Aber ihr Verhalten gibt mir auch nichts als Rätsel auf: Einerseits will sie, dass ich Vater unseres Kindes bin, aber andererseits hat sie Sachen rausgehauen wie “wenn Du hier nicht einziehst, werden wir noch sehen, ob Du Dein Kind überhaupt siehst” und “Du kannst unser Baby in den ersten Jahren nicht mit zu Dir nehmen, ich will, dass es hier in einem stabilen Umfeld aufwächst”. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie unser Baby von ihrer Mama grossziehen lassen will (meine Freundin ist eine Karrierefrau) und ich mich entweder damit abfinde oder bleiben kann, wo der Pfeffer wächst. Wie soll ich unter solchen Umständen warmherzig und liebevoll mit ihr umgehen? Versteht Ihr mein Dilemma?
Seit fünf oder sechs Wochen hat sie sich verändert. Meldet sich von sich aus überhaupt nicht mehr, ist kalt, hat nichts als Vorwürfe für mich übrig, erwartet aber im Gegenzug, dass ich Zeit bei ihr verbringe und ihr meine Liebe zeige (denn angeblich liebe ich sie nicht). Ich finde das paradox, ich kann das auch überhaupt nicht. Es zerfrisst mich von innen, wenn ich bei ihr bin in dem Wissen, dass das der einzige Weg ist, sie in Schach zu halten-- dabei ändert das rein gar nix an unserer Situation oder daran, was auf uns zukommt.
Unterm Strich soll ich zu allem Ja und Amen sagen, mich in ihre Familie eingliedern, mich von ihrer Mama genauso bevormunden lassen, wie sie das tut. Ich bin verzweifelt.
Letzte Woche waren wir beim Ultraschall. Erst meinte sie, sie wolle mich nicht dabei haben, da ich mal mein Verhalten reflektieren müsste (siehe oben). Nach ewig langem zureden fing sie an zu weinen, und sie überlegte es sich anders. Das Problem ist hier wohl, dass ich auf ihre Anfeindungen seit langem nicht mehr reagiere und stattdessen ruhig bleibe und betone, dass unsere Beziehungsprobleme sich nicht auf unsere Elternschaft auswirken sollten. Sie scheint also zu merken: Mist, der will tatsächlich für mein Kind da sein, aber nicht mehr für mich. In diese Richtung etwa geht es auch, das gebe ich zu. Wenn wir eine Diskussion haben, und sie diesen vor Hass nur so triefenden Blick auflegt, habe ich keine Lust auf gar nix mehr. Es tut mir wirklich leid, das zugeben zu müssen, ich wünschte, es wäre anders.
Nach dem Arzttermin hatten wir uns für einen Tag unter der Woche lose verabredet. Sie war krank, insofern machten wir das von der Tagesform abhängig. Ich rief sie an (wie immer, von ihr kommt nix mehr) und wollte wissen, ob ich am Abend vorbeikommen solle. Sie meinte, es ginge ihr immer noch schlecht, ob wir es nicht verschieben wollten. Also meinte ich, dass ich sie abends aber nochmal anrufen würde und wir auf jeden Fall den Samstag festhalten würden, denn da wollten wir uns mal in Ruhe aussprechen. Am Abend rief ich an, keine Reaktion. Am Tag danach hatte ich Geburtstag. Logisch, dass ich mich da nicht melde, oder? Ihre Reaktion: Nix. Bis heute nicht. In der Zwischenzeit rief ich mehrfach an, schrieb eine Nachricht, dass sie sich bitte melden solle, da es so nicht weitergehen könne. Aber nichts. Das ist übrigens ein Muster, das sie von ihrer Mutter kennt: Funktionierst Du nicht, wie ich will, strafe ich Dich mit Schweigen. Das ist die grösste Waffe, die sie mir gegenüber hat. Allein diese Gewissheit, und die Tatsache, dass sie mir wieder bewusst weh tun will, um etwas zu erreichen, macht mich wahnsinnig. Mir sind Geburtstage nicht wichtig, echt nicht. Aber sich gar nicht melden? Sorry, das ist berechnend und anstandslos.
Leute... nochmal... es tut mir so leid, dass ich das hier alles so einseitig formuliere, aber ich lasse wirklich nichts aus. Das, was ich mir an Fehlern vorwerfen kann, ist die Tatsache, dass ich mich weigere, bei ihr einzuziehen und auf ihr Einfordern nach Nähe und Harmonie nicht reagiere, weil ich es schlicht nicht kann. Das ist unehrlich und zudem nicht zielführend. Ich wage es kaum zu sagen, aber manchmal denke ich, sie ist tief gestört und müsste in Therapie gehen. Aber dann frage ich mich: Vielleicht sollte ICH in Therapie gehen und mal darüber nachdenken, was ich diesem armen Wesen alles antue. Denn wenn nur 10% ihrer Vorwürfe wahr sind, bin ich der schlimmste Mensch der Welt.
Glaubt Ihr, dass ich mich hier egoistisch verhalte? Dass ich einfach über meinen Schatten springen und mich zum Wohl des Kindes fügen und in ihre Familie integrieren muss? Glaubt Ihr, dass sie mit Ihren Vorwürfen nach mangelnder Harmonie Recht hat, auch wenn ich dagegen halte, dass man das nicht mit Machtspielchen und Trotz erzwingen kann?
Danke für jede Form von Feedback.
17.08.2015 11:10 •
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