Liebe Jette88,
ich lese deine Traurigkeit und Verzweiflung aus deinen Zeilen. Es scheint, als führest du einen innerlich starken Kampf gegen Herz und Verstand.
Du möchtest stark sein, aber eigentlich machen dir deine Gefühle einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Das kann ich sehr gut verstehen, auch das es dich wahnsinnig macht.
Antworten wirst du nur bei dir selbst finden. Hier bist du nicht allein und du wirst Menschen finden, die Ähnliches erlebt haben, oder dir mit Verständnis begegnen können, wo du Kraft und neuen Mut finden kannst, wenn das Gedankenkarussell wieder einsetzt. Und das ist es, was besonders schwer auszuhalten ist.
Zu deiner Situation als Alleinerziehende innerhalb einer Ehe möchte ich sagen, dass es mir sehr leid tut wie du beschreibst, wie dein Mann dich behandelt hat und wie du dabei empfunden hast.
Die Schmerzen und Wunden die hierbei entstanden sind lassen sich gewiss nicht von heute auf Morgen heilen. Das braucht sehr viel Zeit und sehr viel Fürsorge für dich selbst.
Du musstest gehen, weil du es nicht mehr aushalten konntest und die Streitereien deinem Kind nicht mehr zumuten wolltest.
Das war ganz bestimmt ein schwerer Gang, vor allem wenn die Liebe noch da ist. Frage dich bitte an diese Stelle ob es wirklich wahre Liebe ist, oder die Gewohnheit der Jahre an der du hängst und die Angst vor der Ungewissheit. Im Nebel der durcheinander-wirbelnden Gefühle und Emotionen mit der bedrohlich entstehenden Verlustangst, neigen wir dazu Liebe mit Gewohnheit zu verwechseln.
Dein Mann muss nun auch schmerzlich Verlust erkennen und das die Familie zerbricht, er sein Kind nicht mehr so um sich haben kann, wie es zuvor der Fall war. Das wird ihn möglicherweise auch sehr belasten.
Meist werden die Menschen verrückt, wenn sie erkennen und realisieren, dass sie etwas verloren haben, das sie sicher wussten, und es nicht mehr an ihnen allein liegt, es unkompliziert zurück zu bekommen. Das ist nämlich mit Arbeit und viel Zeit und Disziplin verbunden. Nicht jeder Mensch kann und will das. Und an diesen Punkt ist dein Mann möglicherweise gelangt. DU hast nun eine Entscheidung für euch drei getroffen und ER muss nun einen Weg finden wie er damit umgeht; im Zweifel allein.
Du fragst nach einem Rat:
Bleibe bei dir, achte auf dich. Sei du selbst. Sei fair und nicht unfreundlich. Biete ihm keine Angriffsfläche.
Er wird sich nicht von heute auf Morgen verändern können und würde vermutlich schnell in alte Muster zurückfallen, wenn ihr beide zu früh/ zu schnell einen neuen Versuch startet.
Es liest sich für mich so, dass du sehr belastet warst durch die vielen schmerzhaften Beleidigungen, Erniedrigungen dir gegenüber (absolut verständlich!) ; dich nicht zu sehen, deine Bedürfnisse zu verkennen - und jetzt, da du diesen nicht mehr ausgesetzt bist, es endlich schaffst durchzuatmen, zur Ruhe zu kommen, zu dir selbst zu finden. Das halte ich für gut und richtig. Daher birgt ein zuviel an Kontakt mit deinem Mann eher die Gefahr eines Rückfalls.
Ich bin keine Mutter; aber ich habe großen Respekt vor allen Frauen, die für eine gewisse Zeit ihr Leben aufgeben müssen, um für das Kind da zu sein und sich damit zwangsläufig in eine Abhängigkeit ihres Mannes begeben. Ich bin überzeugt, dass der Job Mutter zu sein, in eine ganz eigene Kategorie von Berufsbezeichnungen gehört die mit zu den stressigsten, anstrengendsten, forderndsten, sowie emotional-psychisch belastendsten überhaupt gehören. Insbesondere weil scheinbar viele Menschen der Meinung sind, dass es doch schön ist Zuhause zu sitzen und sich um das Kind zu kümmern.
Sofort-Maßnahmen die dir helfen können:
- Versuche Meinungen von Aussen weniger wichtig zu nehmen und allein deinem Rhythmus und deiner Intuition zu folgen. Das ist dir bis hierhin gut gelungen. Mach weiter so.
- Erstelle eine Pro und Contra Liste was du an deinem Ehemann magst und was nicht und hänge sie an eine Stelle an der du jeden Tag vorbeikommst (an den Kühlschrank z.B.)
- Rede mit Menschen denen du vertraust, die euch beide kennen, und/ oder nur dich. Wichtig ist im Gespräch zu bleiben, damit du alles, was dich belastet verarbeiten kannst. Reden hilft!
- Wenn du es schaffst, lenk dich ab. Tu dir und deinem Sohn etwas Gutes; verbringt schöne Zeit zusammen. Mach etwas für dich alleine, vielleicht etwas was du immer schon tun wolltest, oder dir ohne deinen Mann nicht möglich war.
- Sehr wichtig ist auch: Lass die Trauer und den Schmerz zu, verdränge ihn nicht, er wird dich früher oder später einholen. Wenn du deinen Mann vermisst, möchte dieses Gefühl seinen Platz. Ignoriere es nicht. Je mehr du es verdrängst und bei Seite schiebst, umso lauter wird es irgendwann werden.
Wenn du das Gefühl hast einen neuen Versuch starten zu wollen, überlege und wäge gut ab, und bitte bitte verleugne dich nicht selbst. Tu es nicht für das Kind. Tue es nicht weil du es nicht aushältst oder einsam bist, oder deinen Mann jetzt, in dieser schweren Zeit, anders siehst... sondern tue es, weil DU es möchtest. Wir Menschen neigen in Extremsituationen dazu, unseren Partner zu idealisieren, wenige Fehler in ihm zu sehen, weil der Schmerz uns wie einen Dro. auf den nächsten Kick hoffen lässt, der uns - leider nur kurzzeitig- die Ohnmacht nimmt, um dann mindestens in das nächste tiefe Loch zu stürzen.
Daher mein Rat: Gib dir Zeit und gib auf dich acht. Versuche dich ganz auf dich zu konzentrieren und deinen eigenen Wert wiederzuerlangen. Dein Selbstbewusstsein hat durch das Miteinander in dieser Beziehung einen großen Knacks erlitten und es ist sehr wichtig, dass du dich zunächst um dich kümmerst und erkennst wie wertvoll und wichtig du bist. Und das auch ohne einen Mann an deiner Seite bestehen kannst.
Das ist ein schwerer und langer Weg der vor dir liegt, aber du bist nicht allein.
Erst wenn du ganz bei dir bist, dich selbst lieben und dir selbst die Aufmerksamkeit schenken kannst die du wirklich verdienst, wirst du auch einen Weg zu anderen Menschen finden können. Der erste Schritt liegt aber auf dem Weg zu dir selbst und die zugefügten Wunden heilen zu lassen.
Ich wünsche dir ganz viel Mut und Kraft für deinen weiteren Weg!
Lg Cat
17.06.2018 00:08 •
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