Hallo Tear,
ich kann total nachempfinden, wie du im Moment fühlst und was für eine schwere Zeit du durchmachst. Derzeit mache ich in etwa das selbe durch, nur mit dem Unterschied, dass meine Partnerin mit ihrer psychischen Verfassung derzeit nicht klarkommt und deshalb einen Schlussstrich zog. Die Quälerei, die Verzweiflung, die Trauer ... man kann in dieser Situation nicht einmal genau sagen, was man denkt oder empfindet.
Kurz mal die Vorgeschichte, ... wir kennen uns eigentlich schon seit ca. 15 Jahren und waren eigentlich immer beste Freunde, auch wenn immer schon so ein gewisses Etwas vorhanden war. Wir verstanden uns blind, konnten über den selben Mist lachen und das Vertrauen war auch zu 100% da, sprich wir wussten über den anderen wirklich über ALLES bescheid. Vielleicht lag es auch daran, weil wir beide psychisch seit der Kindheit an mit viel Druck konfrontiert waren, bei mir war es oft Mobbing, bei ihr sind es Panik- und Angstattacken, wo wir bzw. auch Psychologen davon ausgehen, dass es in ihrer Kindheit ein Trauma gab, welches sie verdrängt. Bei mir kam dazu, dass mich vor ein paar Jahren ein massives Burnout erwischte und ich mich für ein paar Jahre komplett zurückzog und bis auf zwei, drei Kontakte (inkl. ihr) kein normales Sozialleben mehr hatte (und zu dem Zeitpunkt auch nicht wollte).
Voriges Jahr allerdings überlegten wir, ob wir nicht doch für einander bestimmt seien. Ich bin zwar nicht der Typ, der an Schicksal, die große Liebe oder so glaubt(e), aber wenn es so etwas geben sollte, dann traf das für mich auf sie zu. Anfangs war die Beziehung trotz unseren psychischen Vorbelastungen auch harmonisch und perfekt, und ich wusste, dass sie um ein vielfaches mehr unter ihren Problemen litt als ich. So kam sie schwer mit Druck klar, ging auf Distanz, wenn sie vor einer Panikattacke stand, schlief oftmals tagelang durch, und wir konnten auch nie etwas gemeinsam unternehmen. Allerdings war das für mich nie ein Problem, im Gegenteil, ich ging, wenn sie Ruhe brauchte, ich half ihr, indem ich für sie einkaufen ging oder Medis holte wenn sie nicht in der Lage dazu war ... hin und wieder kochte ich zuhause für sie und brachte es ihr, weil sie das Essen auch in ihrem Zustand vernachlässigte. Ich hatte wie gesagt nie ein Problem damit, im Gegenteil, es puschte mich sogar, indem ich meine Probleme nach dem Burnout langsam in den Griff bekam. Im Nachhinein sehe ich nur zwei Probleme, das eine war, dass ich mittlerweile denke, zu viel für sie gemacht zu haben und ihr damit die Möglichkeit genommen habe, dass sie sich hin und wieder selber überwinden muss und ihr die Selbstständigkeit etwas nahm, und das andere Problem war, dass sie sich mit enormen Schuldgefühlen mir gegenüber quälte, weil wir eben nichts normales unternehmen konnten bzw. weil sie mir kein perfekter Partner sein konnte und mich nicht glücklich machen könne (was nicht stimmte). Sie war in erster Linie von sich selber so enttäuscht und wütend, dass sie ihrer Meinung nach den Frust an mir ausließ (was ich ebenfalls nicht so empfand).
Letzten Monat war es dann so, dass wegen einer Kleinigkeit bei ihr dann sämtliche Türen zugingen. Geplant war, dass sie einmal versuche, zu mir in meine neue Wohnung zu kommen anstatt immer die Zeit bei ihr zu verbringen. Da ich jetzt nur noch 2 km weg wohne, dachte ich, dass es vielleicht genau das Maß an Überwindung wäre für sie, was sie eventuell hinkriegen könnte. Allerdings schaffte sie es nicht, schlief ein und ich war natürlich etwas enttäuscht, weil ich Essen, Film hergerichtet habe usw ... für einen gemütlichen Abend. Und das sagte ich ihr am nächsten Tag. Und da war es vorbei, weil sie selber so enttäuscht war von sich selber. Sie wollte dann etwas Abstand, sahen und hörten uns zwei Wochen kaum, und dann machte sie auf Anraten ihrer Psychologin einen Schlussstrich. Nicht, weil eben das Gefühl fehlt, sondern weil sie mit ihrer Krankheit und mit ihrem schlechten Gewissen nicht mehr klarkam bzw. kommt.
Und was dann folgte, war für mich der blanke Horror, bzw. ist es jetzt nach wie vor. Ich habe zwar versucht, mit ihr immer und immer wieder zu reden, wirklich ruhig und ohne Aggression, aber derzeit ist sie nicht aufnahmefähig. Egal was ich sage oder versichere, dass sie für mich nie eine Belastung war, dass ich immer zu ihr stehe, dass ich ihre Krankheit akzeptiere und sie unterstütze, ... all das kann sie im Moment nicht aufnehmen, weil sie sich total verschlossen hat und sie von der Meinung nicht abzubringen ist, sie wäre eine schlechte Partnerin, auch wenn sie mir immer sagt, dass sich vom Gefühl her nichts geändert hat. Sie träumt auch nach wie vor davon, dass wir gemeinsam dies machen oder das, aber gleichzeitig ist die Trennung für sie eine Erleichterung, weil sie sich mir gegenüber nicht mehr verpflichtet fühlt. Denn sie hat leider das Bedürfnis, sich immer vor mir rechtfertigen zu müssen, weil sie z.Bsp. so lange schläft, oder weil sie den Weg zum Arzt nicht geschafft hat oder weil ich gehen soll, weil sie kurz vor einer Panikattacke steht. Dabei habe ich das nie in geringster Weise von ihr verlangt. Auch habe ich ihr bis auf das eine mal nie Vorwürfe gemacht, im Gegenteil, ich wollte sie aufbauen und hab meist gesagt, dass morgen auch ein Tag sei, wo sie es wieder versuchen könnte. Das Problem war, je öfter sie an ihren Ängsten gescheitert ist, desto enttäuschter war sie von sich selber. Und das brachte sie nicht mehr aus ihrem Kopf raus.
Seit der Trennung ist jetzt ca. ein Monat vergangen, und ich komme damit nach wie vor nicht klar. Für mich stürzte eine Welt ein, und ich bin damit total überfordert. Jetzt war ich seit Jahren wegen meinem Burnout alleine und hab mich irgendwie mit dem Alleinsein arrangiert, doch das letzte Jahr zählte für mich trotz ihrer und meiner psychischen Ausnahmesituation zu dem Glücklichsten in meinem Leben. Außerdem habe ich hart an mir gearbeitet, mit viel Sport abgenommen, versucht, wieder in das Berufsleben einzusteigen und es war immer genug Kraft da, sie zu jeder Tages- und Nachtzeit voll und ganz zu unterstützen. Das einzige, was ich etwas vergaß, war meine Interessen wieder mehr wahrzunehmen. So lernte ich in dem Jahr z.Bsp. keine neuen Personen kennen, und mit ihr war das auch nicht möglich, weil sie ja wie gesagt kaum aus dem Haus kam. Ich habe das Jahr irgendwie nur für sie gelebt, weil mein Leben in den Griff zu bekommen, war ja eigentlich auch in erster Linie für sie. Jetzt habe ich natürlich Angst, mich wieder komplett zurückzuziehen und alles hinzuschmeißen. Im Moment kann ich zwar noch dagegen ankämpfen, mache nach wie vor Sport und suche auch weiterhin nach einem Job, aber ich bin mit der ganzen Situation total überfordert und verzweifelt.
Verstärkt wird das noch, dass wir ja nach wie vor regelmäßig Kontakt haben, bzw. sie sich bei mir regelmäßig meldet. Die Gespräche sind meist so wie immer, sehr offen, und sie erzählt mir nach wie vor alles, angefangen mit wem sie Kontakt hat, was sie macht usw ... . Trotzdem zerreißt es mir immer wieder das Herz. Denn ich könnte damit leben, wenn sie Zeit für sich und ihre Genesung braucht, auch damit, dass wir uns nicht immer hören oder sehen, aber mit dem Beziehungsstatus komme ich nicht klar. Es bei ihr eben eine Kopfsache, durch den Status Single ist sie der Meinung, das schlechte Gewissen mir gegenüber hält sich jetzt in Grenzen, weil sie sich ja mir gegenüber nicht mehr rechtfertigen müsste.
Mein großes Problem ist jetzt, dass ich ihr eigentlich vom Herzen her nach wie vor 100%ig vertraue, weil sie mich nie angelogen hat und das auch nicht könnte, aber der Kopf hat enorme Zweifel. Vor allem, weil ich seit dem Ganzen voller Selbstzweifel und Selbsthass bin. Selbstvertrauen war bei mir schon immer sehr mäßig vorhanden, aber jetzt ist es total weg. Und das schürt immer mehr die Unsicherheit, obwohl ich wie gesagt vom Herzen her weiß, dass zum einen kein anderer im Spiel ist und zum anderen das Gefühl zwischen uns noch immer da ist. Das sagt sie immer wieder, dass zeigt sie auch immer wieder. Aber trotzdem empfindet sie eine Beziehung auf Grund ihres Gewissens eine Belastung, mit der sie zusätzlich zu ihren Ängsten konfrontiert wird. Sie weiß auch, dass sie (stationäre) Hilfe braucht, aber sie schafft es nicht zum Erstgespräch, der nur mit einem Termin möglich ist.
Es tut mir leid, dass es so viel Text wurde, und das es vermutlich auch für dich keine große Hilfe ist, aber du hast um Erfahrungen gebeten, und ich wollte dir (euch) einmal die andere Seite mal näherbringen. Nämlich die einer Person, der nicht (oder nicht so extrem) psychisch vorbelastet ist, der aber bereit war und ist, für seinen Partner, welcher sich in einer extremen psychischen Ausnahmesituation befindet, immer da zu sein, zu unterstützen und nie im Stich zu lassen, auch wenn der Weg ein enorm schwerer ist. Denn meist ist es ja so, dass Partner oft das Handtuch werfen, wenn es zu schwer wird. Ich hatte eigentlich nie den Gedanken, nur muss ich leider erkennen, dass scheinbar aufrichtige und bedingungslose Liebe hin und wieder doch nicht ausreicht, zumindest nicht, wenn sich einer der Beiden so quält. Allerdings ist das für mich jetzt auch eine Qual, denn Abstand zu ihr krieg ich nicht hin, und wenn wir Kontakt haben, versuche ich, meine Kränkung immer zu unterdrücken, damit ich sie nicht unter Druck setze und sie wieder Probleme mit ihrem Gewissen hat. Denn ich habe natürlich noch die wage Hoffnung, dass sie ihre Ängste zumindest etwas in den Griff bekommt und wir dann wieder die Chance für eine Beziehung haben. Allerdings frage ich mich, wie lange ich das noch durchhalten soll, denn ich habe eh kaum mehr Kraft das alles durchzustehen, und irgendwann sind auch alle Reserven aufgebraucht.
Liebe Grüße Sio
09.11.2015 17:51 •
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