In einer stationären Therapie wird eine Selbstzentrierung erzeugt, die für die Behandlung wichtig ist. Schließlich ist der Patient dort, um sich um seine Anliegen und Sorgen konstruktiv zu kümmern. Das is zunächst gut, denn vielen Menschen fehlt im Alltag die Zeit und die Kraft sich ausreichend um sich selbst und ihr Wohlergehen zu sorgen.
Während eines solchen Aufenthaltes geht der Patient durch Höhen und Tiefen. Da er aus seinem Alltag herausgenommen ist, finden Veränderungsprozesse ohne seine Angehörigen oder das Umfeld statt. Zusammen mit anderen Patienten werden oft Gemeinsamkeiten gefunden. Sei es die Erkrankung, die Lebensumstände, die eigene Geschichte. Dadurch entsteht oft eine Schicksalsgemeinschaft, die sich bestärkt. Positiv, wie negativ. Das ist übrigens ein Grund warum es immer wieder Liebesbeziehungen während stationären oder Reha Aufenthalten gibt. Man ist entlastet vom Alltag. Erfährt in der Therapie, dass der Grund der Probleme in der Welt liegt, die man temporär verlassen hat. Alles erscheint so, als würde man sich endlich selbst finden und dazu Menschen finden, die einen endlich mal verstehen. Dadurch bekommt die Welt draußen ein noch feindlicheres Gesicht und die aktuelle Blase, in der der Patient lebt einen noch helleren Schein.
Ich würde dir zwei Dinge raten. Das erste ist sehr schwer. Versuche dir klar zu machen, dass deine Unterstützung für deinen Mann möglicherweise nicht von ihm ausgeglichen oder auch nur anerkannt wird. Das erscheint bitter. Sage dir aber auch, dass nicht jeder Einsatz, den wir für andere leisten von genau diesen Personen belohnt wird. Der Ausgleich wird erfolgen, doch manchmal durch einen ganz anderen Menschen. Deshalb dränge ihn nicht und fordere nichts ein. Nicht um ihn zu schützen, sondern um dich vor Enttäuschungen zu bewahren. Was du für ihn getan hast, das wird zu dir zurück kommen. Vielleicht später, vielleicht durch jemand anderen. Du warst in der Not da. Darauf sei stolz.
Als Zweites: Verbiege dich nicht für ihn. Du hast genauso das Recht so zu sein wie du möchtest, wie es jeder andere Mensch auch hat. Deine Reaktion im zweiten Gespräch finde ich übrigens positiv. - Du hast gemauert und eingefordert, dass es auch um euch und dich geht. Das ist realistisch und darf nicht ausgeklammert werden. Die Alltagswelt ist ja nicht weg, nur weil er es temporär ist.
Stell dich so auf, dass es ohne ihn klappt. Finanziell, mit deiner Wohnsituation, mit Unterstützung durch Freunde und Familie. Versuche es nicht zuzulassen, dass ein Konstrukt befeuert wird, dass sich ausschließlich nach einem kranken Partner richtet. Du hast ebenso das Recht auf Glück und bist nicht verpflichtet. Lass ihn im Notfall erst einmal gehen. Die Blase des Klinikaufenthaltes ist noch zu stark.
Wenn ein Therapeut zur Trennung rät, ist das übrigens professionell nicht ethisch. Guck jetzt auf dich.
06.09.2021 11:41 •
x 10 #6