An alle, die gerade nach vielen Jahren Ehe/Beziehung vom Partner verlassen wurden oder die sich gerade in einer Trostbeziehung mit jemandem befinden, der frisch getrennt ist.
Ich habe schon in einem eigenen Thread meine Geschichte erzählt. Hier eine kurze Zusammenfassung:
Ich war ein Jahr in einer Beziehung mit einem Mann, der von seiner Ehefrau nach 30 Jahren plötzlich verlassen wurde. Das war keine gute Idee, ich weiß. Aber wir passten sehr gut zusammen und das Jahr mit ihm war wunderschön. Jeder Tag ein Geschenk. Alle meine Zweifel räumte er hartnäckig aus. Er wollte ein neues Leben, hat aber mit dem alten nie abgeschlossen. Er hat weder die Trennung von seiner Frau akzeptiert, noch hat er die Gründe aufgearbeitet oder das Ganze verarbeitet. Er dachte, die Zeit würde das für ihn machen. Seine Frau ließ trotz Trennung nicht los. Blieb in seinem Leben. Es gab laufend Kontakt. Und sie ist krank. Dann kam der emotionale Zusammenbruch. Von einem Tag auf den anderen. An einem Tag waren wir noch ein Herz und eine Seele - am nächsten Tag war alles anders. Er fühle sich seiner Frau verpflichtet, auf tiefer Ebene verbunden für alle Zeit, er könne keine Beziehung mit mir führen.
Für mich ist das furchtbar. Denn ich habe ihn sehr gern und ich wollte ein Leben mit ihm. Ich darf ihn nun nicht mehr sehen, muss mich entlieben. Muss damit leben, dass nun alles anders ist. Alle Pläne dahin, alle Träume. Er fehlt mir unendlich. Die Trennung von ihm ist jetzt fast zwei Monate her und ich drehe mich im Kreis. Er ist nach wie vor mein erster Gedanke am Morgen und mein letzter am Abend. Ich weine ständig und nichts kann mich ablenken. Es ist einfach das Schlimmste, plötzlich von einem Tag auf den anderen ohne den geliebten Mensch sein zu müssen. Aber es hilft nichts. Es ist wie es ist.
Ich möchte Euch aber noch meine Gedanken zu seiner Ehe und Trennung von seiner Frau niederschreiben. Vielleicht hilft es jemandem von Euch, der auch gerade nach einer so langen Zeit getrennt wurde oder der überlegt, sich zu trennen:
Für ihn kam der Auszug seiner Frau völlig überraschend. Sie ging einfach ohne Erklärung und ohne Planung. Suchte sich zunächst ein Zimmer und von dort eine eigene Wohnung. Er blieb zurück im Haus, in dem seine Kinder aufwuchsen und in dem er 30 Jahre lang glücklich und zufrieden war. Auf meine Frage, warum er sie kampflos hatte ziehen lassen, meinte er, da wäre etwas in ihm zerbrochen. Das war wohl nur sein Ego und sein Stolz. Wie konnte sie nur! Ihn verlassen! Er hatte immer geschuftet für sie und die Kinder. Viele Überstunden. Alleinverdiener. Sie immer zuhause bei den Kindern. Er hatte gelebt für die Familie. Keine Freunde, keine Hobbies. Nur Arbeit und die Familie. Und dann geht sie einfach. Undankbar! Sein Motto lautete: Es muss sofort eine neue Frau her. Ich bleibe keinen Tag alleine! Er meldete sich SOFORT bei einer Partnerbörse an und datete auf Teufel komm raus. Mit 30 Frauen hat er sich mindestens getroffen, bevor er bei mir hängenblieb. Er suchte Trost, er suchte Bestätigigung, wollte sein Ego wieder aufrichten. Seht her! Ich bin liebens- und begehrenswert! An mir kann es nicht gelegen haben, dass meine Frau mich verlassen hat!. So in etwa muss sich sein Unterbewusstsein gemeldet haben. Nach außen hin aber suchte er eine neue Beziehung fürs Leben. Nach innen sah das aber ganz anders aus.
Warum sie gegangen war, damit setzte er sich nie ernsthaft auseinander. Langsam erfuhr ich, dass es schon länger gekristelt haben musste zwischen den beiden. Seit dem Auszug der Kinder war bei ihr offenbar nur Leere da. Sie zog sich zurück. Kam kaum noch aus der Küche heraus. Die beiden führten kein Paarleben. Hatten sie nie. Da gab es nur die gemeinsame Kinderaufzucht. Und da waren sie ein super Team! Das hat er immer betont. Aber gemeinsam gab es nichts. 6ell lief seiner Ansicht nach allerdings alles bestens. Das war wohl auch ein Kitt. Er merkte aber nicht, dass sie offenbar in eine Depression geriet. Und auch nachdem sie beim Arzt gewesen war und Medikamente nahm setzte er sich nicht mit dem Thema Depression auseinander und es gab nie ein klärendes Gespräch zwischen den beiden. Kommunikation = 0. Und dann ging sie. Eine Flucht. Allerdings hat sie kein eigenes Einkommen. Er musste ihr monatlich Geld geben, sonst hätte sie die Miete nicht bezahlen können. Und auch sonst war er für alles ihre erste Anlaufstelle. Egal was in ihrem Leben passierte, egal welche Banalität - sie kontaktierte ihn. Sie kam nach wie vor regelmäßig ins Haus. Auch nachdem sie wusste, dass er schon eine neue Partnerin hat. Sie kramte überall rum. Sogar im Schlafzimmer. Er setzte ihr keine Grenzen. Es schien ihr völlig egal zu sein, dass da im Haus längst eine andere Frau aus und ein ging. Die beiden klebten nach wie vor aneinander. Machten sich gegenseitig das Leben schwer. Ließen beide nicht los. Aber es gab trotzdem nie ein klärendes Gespräch. Er meinte, sie würde dem immer ausweichen, wolle nichts von Scheidung hören, ja überhaupt nicht über die Zukunft sprechen. Er führte dies zurück auf ihre Krankheit. Angeblich wurde bei ihr Alzheimer diagnostiziert. Einen Befund bekam er nie zu Gesicht. Details dazu erfuhr er von ihr nicht. Ich hatte in dem ganzen Jahr in dem wir zusammen waren nie den Eindruck, dass sie unter Demenz leidet. Sie konnte alles managen, sich um alles kümmern, sprach normal und flüssig und alle ihre Aktionen deuteten für mich eher auf eine zutiefst frustierte und verbitterte Frau hin. Ich weiß nicht, ob die Sache mit der Demenz nur eine Manipulationstaktik war oder ob sie stimmt. Jedenfalls war sie der Knackpunkt.
Seine Familie hat mich sehr freundlich empfangen. Alle waren sehr offen und liebenswürdig. Nur sein ältester Sohn nicht. Der stelle sich total gegen seinen Vater. Akzeptierte die neue Beziehung nicht. Er konnte nicht verstehen, wieso sein Vater seine arme, kranke Mutter im Stich lässt, obwohl sie es doch war, die ihn verlassen hatte. Dieser Sohn spielte dann bei unserer Trennung auch eine entscheidende Rolle.
Zusammengefasst wurde mir durch diese Erfahrung klar, wie viel Leid, wie viele Abhängigkeiten, wie viele Kommunikationsprobleme, wie viele Verstrickungen in einer so langen Ehe entstehen können. Da leben zwei Menschen mehr als 30 Jahre zusammen, kennen einander in- und auswendig und doch auch wieder nicht. Da kleben zwei Menschen aufeinander, können nicht mit und auch nicht ohne den anderen. Da ist so viel Angst, so viel Unsicherheit, so viel Ballast in solchen Beziehungen. Keiner von beiden hatte sich auch nur einen Millimeter weiterentwickelt. Als wären sie festgefroren in der Zeit der Ehe und Kinderaufzucht. Er hat keine Zugang zu seiner Gefühlswelt. Er weiß nicht, wer er ist ohne diese Ehe. Sie unglücklich und frustriert, ohne die Kinder kein Sinn mehr im Leben. Aber unfähig ein neues zu beginnen. Ist das Liebe?
Mich hat er jedenfalls nicht geliebt, auch wenn er das tausend Mal beteuert hat. Die Beziehung zu mir war nur eine Regression in die Pubertät. In die Zeit vor seiner Ehe. Verliebt sein - wie herrlich! Aber dann kam wieder der Sog des alten Lebens. Der vermeintlichen Sicherheit. Die Angst vor der Einsamkeit ohne sie. Das Gefühl der Verpflichtung ihr und dem Sohn gegenüber. Für die Familie zu sorgen war sein Lebensinhalt. Und er bleibt es. Auch wenn diese Familie schon längst den Bach runtergegangen ist.
Ich weiß nicht, ob die beiden einen Neustart schaffen. Er probiert es jedenfalls. Er will zurück zu ihr. Aber ob dies möglich ist, nach all dem was passiert ist, ist fraglich. Schaffen das zwei Menschen, die nie geredet haben über Gefühle, Wünsche, Bedürfnisse? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eins. Jetzt sind nicht nur zwei Menschen unglücklich, sondern drei.
13.04.2022 10:32 •
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