Hallo,
seit ein paar Tagen bin ich (w, 44) hier stille Mitleserin – und ja, natürlich ist der Grund, warum ich auf dieses Forum gestoßen bin, eine Trennung.
Mein Freund (R., m, 45) hat nach 12 Jahren Beziehung Schluss gemacht.
Kurz zur Vorgeschichte: Wir haben uns vor etwas mehr als 12 Jahren online (WoW) kennengelernt. 2012 ging meine Ehe in Köln in die Brüche, was gut war, weil es eine richtig miese Ehe war. Ich bin damals bei einem Kumpel in Bonn untergekommen, der hatte da eine kleine Wohnung, in der ich allein wohnen konnte. R. hatte das mitbekommen, und mich dann an einem Wochenende als lockere Freundin, die man halt nett findet, und der es gerade nicht gut geht, nach Dortmund eingeladen – einfach damit ich mal rauskomme und was anderes sehe. Ich bin dann zu ihm gefahren – und direkt erstmal 10 Tage geblieben.
Die nächsten Jahre bin ich dann immer zwischen Bonn und Dortmund hin- und hergependelt (damals noch Studentin). 2015 bin ich dann hier in Dortmund eingezogen.
Die Beziehung zu R. war schon immer… etwas anders, und schön.
Er ist hochbegabt, und in der Künstlerbranche tätig (dazu komme ich noch). Sich mit ihm zu unterhalten, war immer toll, der S** war bombastisch (auch wenn ich der Meinung bin, dass wir nie unser volles Potential ausgeschöpft haben, weil… nunja, die „Beziehung“ davor war mies) und wir haben viel zusammen gelacht und Sachen unternommen. Ich würde unsere Beziehung als harmonisch bezeichnen, auch wenn es (im Rückblick) durchaus Probleme gab, die ich aber nicht so greifen konnte. Die Tatsache, dass er über viele Sachen nicht mit mir redet (z.B. ganz praktisch so finanzielle Sachen). Dass wir diese Wohnung nie zu unserer gemacht haben. Dass wir meistens gemacht haben, was er wollten, wenn es um gemeinsame Unternehmungen ging (wobei ich hier auch erstmal finden musste/muss, was ich will). Dass das S**leben irgendwann nicht mehr existent war (blockierter Kopf seinerseits, Gewichtszunahme beiderseits, irgendwann resignieren meinerseits)
Er hat Probleme mit Gefühlen. Also sie auszudrücken. Sagt er immer. Und tatsächlich ist das im Rückblick auch ein Problem. Weil wir immer über alles reden konnten, außer über uns. Bzw. über ihn, weil er nicht redet. Es gab die Vermutung, dass er eine Autismus-Spektrum-Störung hat, das wird auch nochmal wichtig.
Wir hatten vor 2 Jahren schon einmal eine Krise, in der ich erst in ein AirBnB und dann zu einer Freundin gezogen bin, um ihm Freiraum zu geben. Aufgrund Corona bin ich (nicht mehr Studentin ) ins Home-Office gewechselt – und dort geblieben. Er hatte dann nie wirklich die Wohnung mal für sich, und das hat sich bei ihm zum Problem ausgewachsen. Als ich wieder zurückgekommen bin (weil wir es beide miteinander nochmal versuchen wollten, wofür ich gekämpft habe), bin ich dann öfters raus, so zum Schwimmen und so, damit er Ruhe hat.
Er ist wegen seines Berufes viel unterwegs, also so ab Oktober/November bis ca. März/April eigentlich immer auf Tour, und dann nur 2 Tage die Woche oder so zuhause. Allerdings, und da kommt wieder das mit der Künstlerbranche: Er arbeitet nicht künstlerisch. Er macht die Logistik für die Leute, die auf der Bühne stehen (auch das: Ein Problem).
Er hat am 16. Juni mit mir Schluss gemacht. Weil er nicht mehr kann und am Ende seiner Kraft ist. Weil er für sich entschieden hat, dass er wieder alleine leben will.
Für MICH kam das völlig aus dem Nichts. Wir hatten nie Streit oder Konflikte, es gab keinen Vertrauensbruch (Fremdgehen oder so). Ja, ich habe mitbekommen, dass er Probleme hat, aber nicht, dass es Trennungsprobleme sind. Ich bin gefühlsmäßig eher in der anderen Richtung unterwegs gewesen, z.B. mit dem Gedanken, ob man nicht mal übers Heiraten nachdenken könnte.
Ein guter Freund von ihm hat mir gesagt, dass R. wohl die Gefühle für mich abhanden gekommen sind. Als ich R. darauf angesprochen habe, ob er mich nicht mehr liebt, meinte er „Nicht mehr so, nein.“
Die Sache ist: Ich glaube ihm das nicht. Und Leute, die uns kurz zuvor erlebt haben, auch nicht. Wir waren in meiner Geburtsstadt, weil meine Mutter gestorben ist, und er war da die ganze Zeit für mich da. Als ich meiner Tante erzählt habe, was R. gesagt hat, ist sie beinahe ausgeflippt „Was für ein Quatsch! Das stimmt doch gar nicht! Lass dir sowas nicht einreden!“, eine Cousine meinte, er hätte den Eindruck gemacht, als ob er mich vergöttert und auf Händen trägt.
Jetzt kommt wieder diese Autismus-Diagnostik ins Spiel. Ich habe (und nein, da bin ich nicht stolz drauf) den Arztbrief gesehen. Da steht, dass keine Störung vorliegt, aber es Anzeichen gibt für depressives Syndrom und soziale Ängste. Jemand, der also Ahnung vom Fach hat, weil er das mal studiert hat und seinen Lebensunterhalt damit verdient, sagt, dass R. möglicherweise depressiv ist. Und ja, ich glaube das auch. Nicht dieses traurig-antriebslos-depressiv, sondern mehr das funktionale depressiv. Weil irgendwie „funktioniert“ er ja. Er geht arbeiten, er hat Kollegen, mit denen er etwas unternimmt (sehr reduzierter Freundeskreis, das sind in meinen Augen wirklich v.a. Kollegen), er war im Mai noch im Urlaub (Achterbahn fahren in Südkorea/Japan, sein Hobby).
Aber grundsätzlich ist er ziemlich unzufrieden mit seinem Leben. Das ist das, was ich als Probleme wahrgenommen habe, und wo ich immer versucht habe, mit ihm drüber zu sprechen und für ihn da zu sein.
Deswegen glaube ich, dass ihm alles zu viel geworden ist mit seinem Leben. Dass dieses „er liebt mich nicht mehr“ (er hat es ja auch nie von sich aus zu mir gesagt) wirklich Quatsch ist, aber er gerade einfach gar nichts mehr fühlt. Dass er das Gefühl hat, er muss jetzt was in seinem Leben ändern – und mich zu entfernen, das einfachste ist. Er hatte mir am Tag nach der Trennung (also am 17.6.) geschrieben (weil ich ihn per WhatsApp gefragt hab, ich konnte nicht mit ihm reden):
Zitat:Mit Gefühlen kenne ich mich nicht gut aus, und ich will auch gerade nicht darüber nachdenken.
Du warst mir immer wichtig, und prinzipiell bis Du das immer noch.
Nur: ich selbst war mir zu lange nicht mehr wichtig (Hätte ich früher Dinge anders machen sollen? Ja. Kind ist im Brunnen; kreide es gerne mir an), und das muss sich jetzt ändern. Und deshalb beende ich die Beziehung, weil ich keine Kraft mehr habe, mich noch um eine zweite Person zu kümmern.
Und als ich ihn am Mittwoch (also 19.6) gefragt habe, ob es für ihn eine Option wäre, wenn ich hier im Stadteile wohne, wir dann zwar nicht mehr zusammen wohnen, aber noch zusammen sind, kam: „Ich möchte gerade keinerlei soziale Verpflichtungen.“
Mich zu entfernen, ist der einfache Weg. Der schwere (aber richtigere, für ihn) Weg wäre, sich Hilfe zu holen. Hausarzt, Therapeut, was weiß ich. Ich habe ihm mehrmals gesagt, dass er sich Hilfe holen soll. Und zwar jetzt, weil jetzt gerade der Leidensdruck da ist. Ich weiß nicht, ob er es macht. Tendenziell: vermutlich nicht.
Er ist letzten Dienstag temporär aus der Wohnung ausgezogen, bis ich Mitte August in meine neue Wohnung gezogen bin (diese Situation hier mit neben sich her leben, dem anderen aus dem Weg gehen, war unerträglich).
Ich kann, im Bezug auf ihn, absolut nichts machen. Ich mache alles, was ich muss, damit ich eine Zukunft habe, wie gesagt, Wohnung gesucht, mit meinem Chef über mehr Gehalt gesprochen, aktuell versuche ich mich in Sachen Einrichtung zu orientieren und hier mein Leben wegzupacken, aber es zerreißt mich.
Er ist – trotz seiner Fehler – ein großartiger Mensch. Den ich als Partner haben möchte, nicht nur als Freund. Aber ich kann nichts, einfach überhaupt nichts machen. Und ich habe Angst, dass wir nach meinem Auszug komplett getrennte Menschen sind, für immer (ja, ich habe Hoffnung, dass er „einsieht“, dass er einen Fehler gemacht hat, und mit mir an uns arbeiten möchte), und ich habe auch Angst, dass ich mich so verändern werde (verändern muss), dass ich sage, ich will und kann nicht mehr (für mich ist Sicherheit sehr wichtig, und die kann er mir aktuell nicht geben, bzw. hat sie mir gerade komplett und aus dem Nichts weggenommen).
Ich verliere hier gerade meinen Freund, meinen Partner, meinen Geliebten. Alle sagen mir, dass ich das schaffen werde (das Leben?), dass ich eine starke Persönlichkeit bin, aber ich will das nicht. Ich will nicht ohne ihn sein. Ich will sagen können „Der Quatschkopf da drüben? Ja, das ist meiner!“
Wir haben immer toll zueinander gepasst, und ja, er wird vermutlich nie wieder so jemanden kennenlernen wie mich (auch wenn sie das alle sagen). Er hat mir letzte Woche noch bestätigt, dass ich die tollste Frau bin, die er je kennengelernt hat, und dass ich dem, was für ihn eine Traumfrau ist, am nächsten komme.
Und trotzdem will er weg von mir. Und ich gehe dran kaputt.