Hallo!
Ich bin neu in diesem Forum und schreibe eigentlich nur hier, da in dem Buch zum Thema Trennung, dass ich gerade lese, geraten wird, viel aufzuschreiben. Auch hatte ich die Hoffnung hier Menschen zu finden, die Ähnliches durchlebt haben oder gerade durchleben, um eventuell Tipps, Anregungen oder eine neue Sichtweise auf die Dinge zu bekommen.
Ich entschuldige mich vorab für den Roman...
Zu mir
Ich bin männlich, gerade 30 geworden, Teilzeitstudent und arbeite Vollzeit als Projektmanager und Analyst bei einer großen Bank. Ich würde mich als sehr logisch denkenden und pragmatischen Menschen mit einem Hang zur Empathie beschreiben, der die Welt lieber rational als emotional betrachtet. Leider kann ich auch sehr faul sein, insbesondere wenn ich das Gefühl habe, dass eigentlich alles in Ordnung ist so wie es ist (bsp. Übergewicht siehe unten). Mein Motto: Leben und leben lassen.
Zur aktuellen Situation
Seit fast 10 Jahren (9 Jahre 10 Monate) lebte ich in einer Beziehung mit meiner dritten Jugendliebe. Gestern hat sie die Beziehung im Prinzip beendet.
Ich war schon immer ein Beziehungsmensch und konnte mir ein Leben ohne einen Partner noch nie so richtig vorstellen. Vor dieser nun längsten Zeit mit einem Partner hatte ich zwei 3 Jahre haltende Beziehungen. Alle endeten jedoch gleich. Ich wurde verlassen. Immer mit der gleichen Begründung: Du bist der perfekte Freund, Du hast nichts falsch gemacht, Ich habe dich nicht verdient, Es liegt nicht an dir sondern an mir. Das verbitterte Kind in mir kann diese Sätze nicht mehr hören.
Die ganze Story
Am Anfang schienen wir das perfekte Paar zu sein. Wir lernten uns auf dem Gymnasium kennen. Nach nur drei Monaten zog sie schon bei mir und meinen Eltern ein. Ihre Eltern waren eine Stunde Autofahrt weiter weg gezogen und da nur noch wenige Monate bis zum Abitur ausstanden, war es sinnvoll, dass sie Nahe des Gymmis bei uns wohnte.
Nach dem Abitur wollte sie weit weg zum studieren und da ich mir die Uni aussuchen konnte, war es mir egal wo es hin ging (wir studierten Unterschiedliches).
Mit 19 (sie) bzw. 20 (ich) zogen wir also studienbedingt über 700km weit weg von Familie und Freunden.
Die ersten 3-4 Jahre waren turbulent aber glücklich und harmonievoll. Eine Art Alltag stellte sich ein. Ich nahm gut 20 kg zu, nicht zuletzt dank meiner Leidenschaft fürs Kochen, aber auch fehlende elterliche Strenge und steigende Passivität meinerseits trugen zu meinem Übergewicht bei.
Wir waren eher fokussiert auf uns, beide etwas introvertiert und hatten nur wenige, aber gute Freunde. Unsere Interessengebiete lagen schon immer auseinander, doch anfangs hatte ich das Gefühl, dass wir uns einander annäherten. Wenn es Probleme gab, versuchte ich immer durch stundenlanges analysieren der Situation und durchspielen von Gesprächen eine Lösung zu finden. Fast immer endeten diese Gespräche positiv und voller Hoffnung auf Besserung. Jedoch wurde die Analyse für mich mit der Zeit immer schwerer, da ich immer mehr versuchte mich in ihre Positionen hineinzuversetzen und immer mehr feststellen musste, dass sich manche Emotionen oder emotionalen Handlungen nicht unbedingt rational erklären ließen. auch würde ich ihr eine gewisse Naivität attestieren, die mich außer in Beziehungsfragen jedoch nie wirklich störte.
Vor 5 Jahren war ich dann eine lange Zeit im Ausland zum Praktikum (15 Monate). Das Studium sagte mir nicht wirklich zu, so richtig Anschluss gefunden habe ich dort nie. Jedoch eröffnete das Praktikum eine neue Welt für mich und führte letztendlich auch zu meinem jetzigen Job.
Gestern sagte sie mir noch bevor sie ging, dass sie mich in dieser Zeit (nach dem Praktikum) das letzte mal wirklich geliebt habe.
Die letzten 5 Jahre ging es aus ihrer Sicht nur noch bergab. Statt wie anfangs gedacht näherten wir uns bei Interessen, Freundesgruppen und Aktivitäten nicht mehr weiter an, sondern entfernten uns stetig voneinander. Ich hatte das Gefühl, dass sie immer genau das Gegenteil von dem tat was ich versuchte und umgekehrt. hier einige Beispiele: Ich wollte tiefsinnige Gespräche, sie lieber Oberflächliches. Sie wurde immer sportlich aktiver, ich immer passiver. Ich wollte mehr gemeinsame Zeit verbringen, sie immer weniger. Sie wurde offener für neue Menschen, ich immer isolierter. Ich wollte sie für meine Interessen begeistern, sie wehrte meine Versuche immer stärker ab.
Wie gesagt, bergab ging es nur aus ihrer Sicht. Trotz des Auseinanderlebens in vielen Bereichen war ich mir sicher, dass wir nur intensiv an unseren Einstellungen zu Unterschieden arbeiten müssten. Dazu kurz eine Erklärung:
Kurz vor unserer prinzipiellen Trennung haben wir noch zusammen ein Buch gehört: Liebe dich selbst und es ist egal wen du heiratest, dass ich jedem bei Beziehungsproblemen empfehlen kann. Einen ähnlichen Ansatz wie in diesem Buch verfolgte ich über die letzten Jahre bereits. Ich versuche es mal so zusammenzufassen. : Die meisten Beziehungsprobleme resultieren nicht aus der Unzulänglichkeit des Partners, sondern sind eher eine Projektion der eigenen Unzufriedenheit, beispielsweise über eigene Schwächen und Schattenseiten, auf den Partner. Beispiel bei uns: Ich war mit mir selbst bzgl. meines Übergewichts im Reinen, konnte sogar darüber scherzen. Sie war mit Ihrem Aussehen jedoch unzufrieden (meines Erachtens nach absolut unbegründet) und projizierte ihren Frust über das eigene Erscheinungsbild auf mich und mein Gewicht. Das habe ich mir so nicht ausgedacht. das sagte sie selber nachdem wir das Buch gehört hatten.
So lässt es sich auch auf die oben erwähnten Unterschiede beziehen. Akzeptanz des Unterschiedlichseins, mit sich selbst zufrieden sein, Akzeptanz, dass der Partner nicht perfekt ist, unabhängig voneinander leben können aber voneinander abhängig machen. All das scheinen Dinge zu sein, die eine wirklich gute Partnerschaft auf lange Sicht braucht.
Ein paar Worte über sie
Da das hier eh schon zum Roman geworden ist, möchte ich kurz ein paar Worte über sie verlieren damit man sie besser einschätzen kann.
Ich war ihr erster fester Partner. Sie war immer sehr zielstrebig und fleißig wenn es um das Studium ging. Hatte immer das Gefühl sich für alles rechtfertigen zu müssen. Sie war eher ein emotionaler Mensch. Bodenständig und gewissenhaft. Häufiger pessimistisch als optimistisch, in den seltensten Fällen realistisch aus Eigeninitiative. Geld war bis zum Berufsstart immer ein Problem für sie, ich versuchte sie dahingehend so gut es ging zu unterstützen, sodass es aus meiner Sicht eigentlich nie ein Problem gab. Sie studierte einen leider aussterbenden Beruf und fand den Einstieg letztlich in einer komplett anderen Branche. Sie neigte schon immer etwas zu selbstzerstörerischem Verhalten, was sich durch einige Ticks bemerkbar machte (auch ich habe ähnliche Ticks). Sie war sehr ordentlich, reinlich und für gewöhnlich gut strukturiert. Die Begeisterung für Sprachen teilten wir beide. Schon immer war sie sportlich. Früher etwas introvertiert. Immer nachdenklich. Immer plagten sie Schuldgefühle für so ziemlich alles (Entschuldigung war früher eines ihrer Lieblingswörter. ).
Das letzte Jahr
Vor etwas mehr als einem Jahr sind wir berufsbedingt umgezogen. Die neue Situation und Umgebung gab uns beiden erneut Hoffnung, dass wir unsere Probleme in den Griff bekommen würden. Jedoch war die Hoffnung auf ihrer Seite minimal, wie sie mir gestern beichtete.
Wie oben angedeutet kam sie in einer Branche unter in der sie nicht studiert hatte und sich letztendlich auch nicht wohl fühlte. Initiative für die Branche kam ursprünglich von mir. Ein großes Unternehmen stand im Fokus und durch etwas Hilfe von mir und meinen Beziehungen bekam sie ein Bewerbungsgespräch, dass sie auch meisterlich absolvierte.
Ich schlug vor diesen Job der Erfahrung, Prominenz auf dem Lebenslauf und der finanziellen Sicherheit wegen doch erst mal für 1 bis 2 Jahre zu probieren. Danach stünden ihr wesentlich mehr Türen in allen Bereichen offen und ich könnte sie auch ohne elterliche finanzielle Unterstützung mit meinem Job über Wasser halten, sollte sie sich umorientieren wollen oder selbstständig machen.
Beide fingen wir also zu etwa gleicher Zeit mit unserem Job an. Ich hatte mein anfängliches Studium abgebrochen und als Teilzeitstudent neben dem Vollzeitjob einen sehr langwierigen Weg zum Abschluss gewählt.
Natürlich hat uns beide der Job anfangs besonders gefordert. Aus den 3 bis 10 Stunden, die wir uns sonst täglich sahen, wurden 5 bis 60 Minuten. Das oben erwähnte Auseinanderdriften beschleunigte sich Zusehens. Im vergangenen Jahr verbrachte sie häufig 3 bis 5 Tage die Woche ihre Abende beim Sport. Mindestens ein (meist zwei) weiterer Abend(e) pro Woche ging(en) für Kollegen oder Projekte drauf. Gemeinsam haben wir eigentlich nur noch wenig Zeit verbracht.
Ich war durch meine flexiblen Arbeitsorte (Home office) häufiger Zuhause, was allein wegen des Studiums notwendig war. Konnte (oder musste?) mich trotzdem nebenbei noch um Wohnungseinrichtung, Verträge, Auto und Finanzen größtenteils alleine kümmern. Da ich schon immer gerne gekocht habe, lag auch der Einkauf schon immer bei mir. Kurz: Die neue Situation brachte viele Änderungen aus denen sie sich aber mehr und mehr zurück zog.
Wie ich heute weiß waren das wohl Fluchtversuche ihrerseits. Eine Art Wegrennen vor den eigenen und damit auch Beziehungsproblemen.
Auf meinen Wunsch nach mehr Nähe, Zärtlichkeit, Gesprächen und gemeinsamen Aktivitäten wurde nur mit kalter Zurückweisung reagiert. Sie sagte sie fühle sich nicht frei. Trotz unerbittlicher Versuche meinerseits ihr soviel Freiraum zu geben wie mir nur (emotional) möglich war. Kühle war ich von ihr die letzten Jahre schon etwas gewohnt, doch es wurde stärker. Zusätzlich brachte der Umzug und Arbeitsstress auch für mich einige Probleme mit sich.
Wie sicherlich schon aus dem Text herauszulesen war, bin ich eher der introvertierte Typ. Was ich damit genau meine lässt sich mit folgendem Beispiel gut erläutern: Extrovertierte Menschen brauchen (viele) andere Menschen um sich, damit sie sich wohl fühlen. Man könnte sagen sie ziehen ihre Energie aus Anderen. Introvertierte brauchen ab und zu auch Menschen um sich, jedoch verlieren sie ihre Energie langsam unter anderen Menschen und brauchen danach Zeit um sich im Alleinsein wieder aufzuladen. So haben mir wenige gute Freunde während unserer Studienzeit vollkommen ausgereicht, jedoch fällt es mir manchmal schwer in neuen Umgebungen Anschluss zu finden, da dies immer auch eine Belastung des Introvertierten in mir darstellt.
Nun da Kühle in der Beziehung Alltag geworden ist und wahre Freunde in der neuen Umgebung praktisch nichtexistent sind, fühlte ich mich zum ersten Mal wirklich allein und einsam. Auch ihr habe ich diese Gefühle erklärt, was sie leider nicht mehr dazu bewegen konnte sich mir wieder mehr zu öffnen. Hierzu noch eine Empfehlung für Leidensgenossen: Solltet ihr eine Psychotherapeutische Beratung in Betracht ziehen (wie ich), kümmert euch schnell darum. In meinem Wohnraum gibt es dieses Jahr keine freien Beratungsplätze mehr. akute Hilfe findet man also nur bei Freunden und Familie.
Geburtstag
Vor zwei Monaten war noch alles gut. Klar, Probleme an denen es zu arbeiten galt hatten wir immer noch. Aber die Kühle der letzten Jahre hatte sich mal wieder eine Pause gegönnt und im Sinne des Freiraum-gebens hatte ich anfangs auch kein Problem damit sie für 3 1/2 Wochen gehen zu lassen, obwohl ich wusste, dass wir wieder ein Gespräch führen müssten. Sie wollte eine kleine Deutschlandreise unternehmen, die immer noch weit entfernt wohnenden Eltern besuchen, in Hamburg mit der Schwester zum Konzert, nach München zum Oktoberfest mit Arbeitskollegen und danach nochmal zwei Wochen mit den Eltern verreisen. Alles kein Problem. Leider hatte ich meine wenigen Urlaubstage schon für Weihnachten verpulvert, sodass ich allein zurück blieb.
Diese Wochen waren für mich schon eine Qual. Ihre emotionale Kühle mir gegenüber in den letzten Jahren manifestierte sich zu einem ausgeprägten Gefühl des Alleinseins wie oben beschrieben.
Hinzu kamen Selbstzweifel und Gefühle von Minderwertigkeit. Diese Gefühle waren mir nicht neu, hat sie doch schon in der Vergangenheit mehr als Interesse an anderen Männern gezeigt. Hierzu sollte ich erwähnen, dass ich eine sehr enge Auffassung von Treue in der Beziehung habe und ebendiese auch an allererster Stelle in meiner Vorstellung einer perfekten Beziehung steht. Um mich kurz zu fassen: Jeglicher intimer körperlicher Kontakt bricht schon mit meiner Vorstellung von Treue. Das soll nicht heißen das ich etwas gegen knuddeln mit Freunden oder flirten um einen Drink zu bekommen habe, eher das Küssen anderer Männer wäre eine Grenze für mich.
Genährt von meinen Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühlen und gepaart mit ihrer Flirtlust und ihrem Gefühl etwas verpassen zu können (wie gesagt vor mir hatte sie keine feste Beziehung) machte sich nun (wiedermal) Eiversucht bei mir breit. Eindeutig eine meiner Schattenseiten an denen ich arbeiten muss.
All das stand kurz vor meinem 30. Geburtstag. Ich wusste sie würde einen Tag davor zurückkommen und wollte danach mit ihr und meinen besten Freunden aus Schultagen an dem folgenden Wochenende alles auch gehörig feiern. Gewünscht hatte ich mir nur eine muntere, fröhliche Freundin von ihr, was im nachhinein betrachtet wahrscheinlich zu viel war.
Auch wenn sie sich am Geburtstag noch bemühte, ihre Odyssee hatte Spuren hinterlassen, den ganzen Tag über war sie müde und ausgelaugt. Ich war innerlich sehr verletzt, hatte ich mir doch so sehr gewünscht dass wir uns zumindest am Geburtstag emotional wieder etwas näher gekommen wären und vor ihrem Urlaub schien doch gerade mal wieder alles gut. was war passiert? Meine Vermutung: ich habe sie mit meiner Eiversucht und dem Wunsch nach Nähe mal wieder ihres Freiraums beraubt. Sicher wissen tue ich es nicht. Vielleicht waren es auch andere alte Probleme die mal wieder im Vordergrund ihrer Gedankenwelt vorbeirauschten. Bevor es zur Party ging verbrachte sie die restlichen Abende der Woche wieder beim Sport und mit Arbeitskollegen. die Party (kleiner Rahmen) war dann beziehungstechnisch eine ziemliche Katastrophe. Dabei meine ich nicht das wir weder Küsse noch großartig Blicke austauschten, sondern eher wie rebellisch und sich selbst rechtfertigend sie den Freunden gegenüber auftrat (wurde mir so zugetragen). Kürzlich hat sie mir noch bestätigt, dass sie zu diesem Geburtstag schon mit dem Gedanken gegangen ist, sie besuche die Party EINES Freundes und nicht IHRES Freundes.
Auszeit?
Am Montag Abend nach der Geburtstagsparty wollte sie nun reden. Sie sagte mir, dass sie mich nicht mehr liebe, hatte dabei durchgängig Bauchschmerzen und nicht selten gewannen Tränen bei beiden von uns die Oberhand. Sie erzählte mir erneut von dem Buch (das ich oben angesprochen habe), und dass es ihr helfe die Situation besser zu verstehen. Ich hatte bis dahin noch keinen Blick hinein geworfen. Sie sagte, sie habe Angst den größten Fehler ihres Lebens zu machen. Angst, nie wieder so jemanden wie mich zu finden. Sie wolle eine Auszeit bis Jahresende (etwa noch 8 Wochen) um sich über sich selbst besser klar zu werden. Sie sehne sich nach Alleinsein, angeblich aber nicht nach anderen Männern. Jedoch habe sie S. nun eine Weile schon keine Freude mehr gehabt (diese Thematik wollte ich nicht sonderlich vertiefen, kurz: auf Fragen nach dem wie und was sie gerne im Bett mag konnte sie mir nie richtig antworten, ich konnte immer nur selber ausprobieren was sie zulässt. Das hatte früher auch besser funktioniert). Unseren letzten intimen Kontakt hatten wir noch am Morgen nach der Geburtstagsparty, den sie auch schön fand, sagte sie.
Zurück zur vorgeschlagenen Auszeit. wie bei so vielen Dingen bei uns standen sich wieder zwei komplette Gegensätze gegenüber. Sie wollte mehr Abstand, ich mehr Nähe. An diesem Montagabend konnte ich ihr auf diesen Vorschlag noch keine Antwort geben. Ich würde wieder erst analysieren müssen und recherchieren, wie ich es schon immer getan habe. Doch dieses Mal wog es schwerer.
Die zweite Hälfte der Woche verbrachte ich in London. Arbeitsbedingt, aber ursprünglich mit dem Plan am Wochenende Zeit mit ihr dort zu verbringen. So waren auch Flüge und Hotel gebucht. Natürlich kam sie nicht mit, sie wollte ja Abstand. Dieser Samstag im Regen in London wird mir wohl noch lange negativ in Erinnerung bleiben.
Ich nutzte die Reisezeit um das Buch zu hören, welches sie schon seit einer Weile las und fing an tatsächlich wieder Hoffnung zu schöpfen. Hoffnung, dass sich doch noch alles zum Guten wenden könnte. Dass sie ihre Liebe wiederentdeckt und wir endlich wieder ein Team werden würden. Dass die Kühle endlich verfliegt wenn wir nur beide daran arbeiten würden.
In der Nacht zum Sonntag kam ich dann komplett durchnässt und erschöpft wieder nach Hause. Sie hatte zwar angeboten mich vom Flughafen abzuholen, doch es war spät und ich war noch nicht komplett mit meiner Analyse fertig.
Den Sonntag hörten wir noch einmal gemeinsam das oben angesprochene Buch. Sie hatte es nie bis zum Ende gelesen und musste an vielen Stellen weinen, da es ihre Realität so genau beschrieb.
Die darauffolgenden Woche verbrachten wir nebeneinander und nicht miteinander. Sie zog sich wieder zu ihrem Sport zurück verbrachte aber auch viel Zeit mit Selbstreflektion und nachdenken. Ich sah ein, dass Abstand vielleicht etwas hilfreich sein kann und ließ sie allein, denke aber bis heute, dass wir eher wieder mehr miteinander hätten reden müssen, statt mehr Abstand zu suchen, war doch das Hauptproblem für mich, in diesem Moment, ihre emotionale Distanziertheit und Kühle. Nichtsdestotrotz schlug ich eine Woche Auszeit vor um ihr etwas Zeit zu geben. Eine Woche würde ich schon irgendwie überstehen. Sie hatte während meiner Abwesenheit die Wohnung von ihren Sachen befreit und bereits im Keller verstaut.
Am Freitag Abend kam sie dann nicht nach Hause, sie fuhr direkt von der Arbeit zu Freunden in einer anderen Stadt. Wir hatten ausgemacht, dass sie am Sonntag nochmal nach Hause kommen würde um Sachen zu holen. Sie würde bei einer Kollegin, die gerade im Urlaub ist und ihre Wohnung anbietet, unterkommen.
Die prinzipielle Trennung
Sonntag kam sie nicht. Dienstag sollte es nun werden. Mein Redebedürfnis gewann nun die Oberhand und ich wollte endlich wissen, woran ich bin, denn Schluss gemacht haben wir (noch) nicht. Eine Auszeit wäre die Woche durch ihren späten Besuch zum Sachen abholen nun eh nicht mehr gewesen. Wir redeten noch einmal etwa 2 Stunden, beziehungsweise schwiegen uns die meiste Zeit über nachdenklich traurig an. Sie sagte sie sei verloren, wisse nicht wie es weiter gehen soll. Auch gestand sie mir Küsse mit fremden Männern beim Ausgehen / Tanzen in den letzten Monaten auf Nachfrage zu. Also wurde auch meine rote Linie überschritten und meine Eiversucht war nach meinem Verständnis zwar begründet aber sicherlich nicht hilfreich.
Ich bin nicht der Mensch, der sich trennt. Keine Ahnung warum. Ich werde auch nur selten wütend und versuche eher alles immer in normalen Gesprächen zu klären. Selbst wenn ich das Gefühl habe Wut besser verarbeiten zu können als Trauer, so konnte ich meiner Wut über ihren Treuebruch auch kaum Ausdruck verleihen. Stattdessen sagte ich ihr noch, dass ich sie immer noch liebe. Das ist noch heute so. Auch wenn ich noch nicht zu dem Punkt gekommen bin zu analysieren warum genau. Wahrscheinlich habe ich sie mit dieser Liebe zu sehr erdrückt? Ich weiß es nicht.
Sie war weiter distanziert, konnte keinen optimistischen Gedanken finden. Irgendwann sagte sie, sie wolle weg. Ich fragte, ob sie weg von HIER oder von MIR wolle. Nach gefühlt minutenlangem Schweigen sagte sie: beides.
Ich interpretiere das als Ende. Doch es fühlte sich nicht endgültig an. Als ob sie sich ein Hintertürchen zu mir offen halten wollen würde, da sie doch angeblich so große Angst hat den größten Fehler ihres Lebens zu begehen.
Während ich den schlimmsten Moment meines Lebens durchlebte, wollte ich Gewissheit und bat sie mir zu sagen, dass Schluss ist. Doch das konnte sie nicht.
Heute
Ich habe meinen Chef auf Arbeit eingeweiht, der mich zu 100% unterstützen will und mir anbot die nächste Zeit nur dann zu arbeiten wenn ich es kann / will um mich abzulenken. Habe gestern (das Schreiben nahm sehr viel Zeit in Anspruch, daher verschieben sich diese Angaben ein bisschen) fast den ganzen Tag nur mit Freunden und Familie telefoniert und mich mit Fernsehen abgelenkt. Habe intensive Recherche zum Thema Trennung betrieben, dazu Bücher und Foren gewälzt. Klar, der Verstand befindet sich in einer Notsituation und versucht mit aller Kraft daran zu arbeiten, dass sich die Situation wieder bessert. Ich glaube nicht, dass ich meine Situation schon voll analysieren kann. Dafür sinkt die kognitive Leistungsfähigkeit unter derartigen Ausnahmebedingungen zu stark ab. Trotzdem hat das Schreiben hier sehr geholfen.
Neben endloser Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, dem Gefühlschaos, Antriebslosigkeit, Appetitlosigkeit und Übelkeit ist das überwältigenden Gefühl des Alleinseins mein bisheriger Begleiter.
Ich bin rational genug um zu wissen, dass es nur besser wird. Weiß aber auch dass Menschen Trennungen unterschiedlich schnell verarbeiten. Dass Verlassene oft länger leiden als Verlassende, einfach da Verlassende schon länger Zeit hatten um abzuschließen und deshalb eventuell schon in späteren Phasen der Trennung angekommen sind. Ich weiß auch, dass mir dieser Gedanke, dass es mit der Zeit besser wird, aktuell nicht hilft. Und ich fürchte mich davor das die Gedanken an diese Beziehung mich auch Jahre nach einer Trennung wieder heimsuchen könnten.
Glücklicherweise habe ich wahre Freunde. Jeder hatte ein Ohr für mich. Mein bester Kumpel macht sich (mittlerweile) heute auf den Weg aus Wien zu mir in den mittleren Westen Deutschlands auf. Ich habe mich bei einigen spontan apps angemeldet um zukünftig auf spontanen Events eventuell neue Freunde in kleinerem Kreis zu finden. Das Gewichts-Problem hat sich durch mangelnden Appetit in den letzten zwei Tagen auch bereits um 5 kg reduziert (ich weiß, ich weiß, kommt eh wieder drauf). Auch heute habe ich wieder viel telefoniert, aber hauptsächlich geschrieben. Immer wieder haben mich zwischendurch die Gefühle überwältigt.
Was nun?
Die aktuell quälendste Frage ist jedoch, was mache ich falls sie zurückkommt? Was wenn nicht? Ich glaube ich würde sie heute mit offenen Armen empfangen. Wäre das falsch? Fast alle unsere Probleme sind nicht unüberwindbar. Nur ihre Gedanken ohne andere Männer gehabt zu haben etwas verpassen zu können ist etwas, woran ich nichts ändern könnte. Ich könnte damit nicht leben wenn sie jetzt mit einem anderen schlafen würde, da bin ich mir sicher. Alles andere jedoch ist nur Beziehungsarbeit und Arbeit an uns selbst. Da wir fast 10 Jahre zusammen waren, kennen wir auch alle Schwächen und Stärken des jeweils anderen und können nur selten noch überrascht werden. Das ist etwas, was man erst nach Jahren in einer Beziehung lernt. Eventuell sucht sie sich nun den nächsten und stellt nach 5 Jahren fest, dass es doch einige Macken an ihrem neuen gibt die sie nicht aushalten kann. und dann? Wieder Trennung nach 10 Jahren, statt endlich an der eigenen Akzeptanz zu arbeiten?
So viel Zeit geht verloren. Ich weiß, dass ich mit diesem Satz provoziere und einige sagen werden, dass man die Zeit ja nicht verliert sondern immer im Herzen trägt oder so ähnlich. doch was ich bisher aus meinen Beziehungen gelernt habe ist, dass in einer neuen Beziehung nicht über die alten gesprochen werden kann ohne negative Emotionen zu wecken. Dadurch, dass man mit seinem neuen Partner über einen derart wichtigen Teil nicht reden kann, ist er für mich wie verloren.
Eigentlich hatte ich schon in den ersten Jahren unserer Beziehung Antrags- und Hochzeitspläne, wollte aber alles selber finanzieren können, weshalb es während des Studiums und unserer Hoch-Zeit nicht ging. Danach hat mich ihre Kühle abgeschreckt diesen Weg einzuschlagen.
Ich komme nun hier mal zum Ende. Respekt an alle die bis hier hin durchgehalten haben. Das Buch erscheint dann eine Woche vor Weihnachten (Scherz). Für mich war das Schreiben eine sehr gute Ablenkung. Kann ich jedem in dieser oder einer ähnlichen Situation sehr empfehlen auch wenn ihr es am Ende nicht irgendwo postet.
Bin gespannt ob das tatsächlich jemand liest und freue mich über jeden Kommentar!
Grüße,
Arreat
22.11.2019 02:26 •
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