Rückwirkend betrachtet sind mir einige Dinge aufgefallen, die so manches zwar nicht entschuldigen, aber zumindest eine Erklärung wären. Bitte verurteilt mich nicht dafür, denn ich denke es ist vollkommen normal alles in Gedanken noch einmal durchzugehen um mit all dem besser abschließen zu können.
Ich habe die starke Vermutung, dass er einen vermeidenden Bindungsstil hat, zusätzlich zu seiner Depression. Woher diese Vermutung? Über seine Kindheit hat er nur äußerst selten und auch nur sehr ungerne gesprochen. Ich weiß, dass er jeglichen Kontakt zu seiner Familie abgebrochen hat und seine Mutter (er bezeichnet diese nicht mal als solche und hat für sie immer einen sehr abwertenden Begriff verwendet) ist für ihn ein ultrarotes Tuch. Er fühlte sich häufig allein, mit seinen Gefühlen und sich selbst im Stich gelassen. Genaueres weiß ich aber nicht. Einzig zu seinen Großeltern hat er eine gute Bindung.
Dann sein Unvermögen, seine Gefühle auszudrücken. Er sagte von sich selbst, dass er sich da sehr schwer tut mit. In der Honeymoon-Phase konnte er dass tadellos, aber das war mehr dem Hormonrausch geschuldet, schätze ich mal. Aber nachdem der Rausch abgeklungen war, kam da nur noch sporadisch was. Aber, wenn man selbst verliebt ist, denkt man sich erstmal nichts dabei und man schiebt es auf was anderes. Dass es z.B. nicht seine Liebessprache ist und er seine Gefühle und Zuneigung anders zeigt wie z.B. über seine extrem große Hilfsbereitschaft und Zeit zu Zweit.
Und nun der größte Punkt, der mir immer wieder begegnet ist: Sobald ein Problem aufkam, und das musste nicht mal was schwerwiegendes sein, war er direkt überfordert. Insbesondere dann wenn er sich emotional entscheiden musste. Er sprach dann immer davon, dass er das Gefühl habe davor am liebsten weglaufen. Also bloß keine Entscheidung treffen, lieber das Problem von sich wegdrücken, sich nicht damit auseinandersetzen und verschwinden wollen. Diese Situationen gab es immer wieder mal. Auch hier habe ich mir nie was schlimmes bei gedacht und habe ihm dabei unterstützend unter die Arme gegriffen. Macht man ja schließlich gerne wenn man den Partner nun mal liebt.
Und gerade dieser Punkt mit dem weglaufen wollen ist mir besonders haften geblieben. Ebenso die Unfähigkeit seine Gefühle und Bedürfnisse adäquat zu kommunizieren, insbesondere bei Überforderung. Und da möchte ich gerne nochmal folgendes aufgreifen:
Zitat von zimt: Und: am Anfang, wenn da Gefühle im Spiel sind, wie in Deinem Fsll, dann spielt das für den Depr.auch eine Rolle. Er fühlt sich gut, Hormone etc, keine Spur von Depressionen, da kann man dann auch gut drüber reden. Aber je länger die Beziehung geht, umso eher neigen Depr.dazu, alles infrage zu stellen, zu bagatellisieren etc.
Da muss ich Zimt zustimmen. Anfangs konnte er über alles viel leichter erzählen, auch seine Gefühle ausdrücken. Warum? Weil, wie ich schon eben geschrieben habe, die Hormone in dem Moment am überschießen waren und alles Negative erstmal schön in den Hintergrund gedrängt haben. Da haben wir wieder das andere Thema: Er hat seine ganzen Probleme, Traumata etc. wegschieben können weil er die rosarote Brille trug. Womit ich gerne zu dem übergehen möchte, was Aline geschrieben hat:
Zitat von Aline_8: Ich möchte Dir (für die Zukunft) aber sagen, dass so eine - ich nenns mal virtuelle Beziehung die große Gefahr in sich trägt, sich in Projektionen, Wünschen und Vorstellungen zu verlieren.
Ja, die vermeitliche Nähe und enge Bindung kommt einem so vor durch den permanenten Kontakt, aber in der Realität ist er nicht da, wenn etwas wirklich passiert. Wie Du ja gerade siehst.
So eine virtuelle Sache hält die Sehnsucht schön hoch und die Hemmschwelle über private und intime Dinge zu sprechen ist meist auch geringer, als wenn man die Person vor sich am Tisch sitzen hat. Gerade bei unangenehmen Themen. Aber greifbar ist die andere Person im Zweifel nicht und das ist das Tückische.
Es ist eine fake Nähe.
Ja, da bin ich absolut bei dir. Diese vermeintliche Nähe ist wirklich tückisch und im Nachhinein betrachtet, so ehrlich bin ich, habe ich mich da auch zu sehr mitreißen lassen und das ganze auch noch befeuert indem ich mitgemacht habe. Warum? Weil ich ihn wirklich sympathisch fand, es sich gut anfühlte und weil ich immer im Hinterkopf hatte: Er hat Depressionen, er hat deswegen sehr viel sch. im Leben erlebt, ich möchte für ihn da sein und ihm zeigen, dass es noch Menschen gibt, die es ehrlich meinen. Dass war für mich auch nie ein Thema, denn ich bin ein Mensch der zu seinem Wort steht und sich wirklich um die kümmert, die mir wichtig sind und die mir am Herzen liegen.
Habe ich deswegen eventuell zu viel gegeben? Möglich. Ich habe mir für ihn die Nächte um die Ohren geschlagen, habe mit ihm telefoniert wenn es ihm schlecht ging, habe sogar das Telefon über Nacht laufen lassen, damit er nicht das Gefühl hatte allein zu sein etc. Ihr werdet nun mit Sicherheit die Hände über den Kopf schlagen, aber so war es. Im Nachhinein betrachtet war es ein wahnsinniger Energieräuber was ich dort alles hineingesteckt habe. Aber es war jetzt nun nicht so, dass er nur genommen hat. Im Gegenteil. Wenn mich etwas plagte, es mir schlechter ging, dann war er genau so da. Hat mich angerufen, mir zugehört und mir gut zugesprochen. Es war nun nicht komplett einseitig und um Gottes Willen möchte ich ihn damit nun auch nicht als schlechten Menschen darstellen! Es geht mir nur darum die Zusammenhänge zu verstehen bzw. ich reflektiere vieles, damit ich besser loslassen und damit ich es in Zukunft anders machen kann.
Und diese Reflektion fehlt ihm anscheinend komplett. Statt sich mit dem auseinanderzusetzen was ihn belastet, rennt er lieber vor seinen Problemen davon und lenkt sich ab damit er sich (vermeintlich) wieder gut fühlt. Anstatt sich richtige Hilfe zu suchen um seine Krankheit anzugehen bzw. seine Traumata aufzuarbeiten, wählt er den Weg des geringsten Widerstands und tut dass, was er immer getan hat. Von gemeinsamen Freunden ist mir zugetragen worden, dass er aktuell intensive Zeit mit einer anderen Frau verbringt. Wieder online. Und ich vermute, es wird ähnlich wie bei mir ablaufen. Der Zyklus wiederholt sich. Was auch immer zwischen den beiden nun ablaufen wird ... wenn es wirklich wieder so wird wie bei mir, dann tut mir die besagte Frau schon jetzt wahnsinnig leid. Es würde mich auch nicht wundern, wenn sie einen Rebound darstellt weil es ihn ja so wunderbar ablenkt von all dem und er sich nicht weiter mit der Trennung auseinandersetzen muss. Leider Gottes gibt es ja solche Menschen, die sich direkt in eine neue Beziehung stürzen bevor sie mit der vorherigen wirklich abgeschlossen haben. Sofern er mit ihr schon angebandelt hat oder es noch wird. Aber dass ist gegenwärtig alles spekulativ.
Ich möchte ihn an dieser Stelle wiegesagt nicht als schlechten Menschen darstellen, denn er hat durchaus seine positiven Seiten, für die ich ihn sehr schätze. Unter den o.g. Gesichtspunkten möchte ich ihn jedoch nicht mehr als Partner zurück haben. Jemand der gegen seine Krankheit und seine Traumata nicht aktiv vorgeht, sich nicht reflektiert, ist leider kein geeigneter Partner für eine glückliche und erfüllende Beziehung. Vor allem: Wie soll er selbst jemals glücklich werden, wenn er sich mit seiner vermeidenden Haltung ständig selbst sabotiert? Ich wünsche es ihm wirklich sehr, dass er das eines Tages noch erkennen wird wie schädlich dieses Verhalten ist und dass er damit nicht nur andere, sondern auch sich selbst immer wieder unnötig selbst verletzt.
Ich für meinen Teil sehe nach vorne, setze mich mit der Trauer über die Trennung auseinander, gehe durch den Schmerz durch und lasse ihn jeden Tag ein Stück mehr los. Es nützt nichts an etwas festzuhalten, was keine Zukunft hat.