Guten Tag Laciny,
ich habe dein Thema aufmerksam verfolgt und möchte nun auch mal meine Sicht der Dinge schildern. Ich hoffe, dass du das noch liest, denn es ist ja still geworden in deinem Faden.
Nach nunmehr 5 Monaten kommt ein wichtiger Zeitpunkt näher, es ist der Punkt der ENTSCHEIDUNG. An diesem Punkt kannst du aufhören dich als Opfer dessen zu sehen, was dein Mann mit dir macht und gemacht hat und anfangen selber tätig zu werden. Du kannst dir das tatsächlich wie eine Weggabelung vorstellen, die vor dir liegt und bei der du den rechten oder den linken Weg wählen kannst.
Der Weg, den du bisher gegangen bist, war nicht falsch. Du hast gewartet und gehofft, dir viel Hilfe geholt und viel für dich selber getan um dich nicht aus den Augen zu verlieren. Parallel dazu hast du sehr realistisch gesehen, dass die neue Beziehung deines Mannes nicht automatisch eine Lebensbeziehung werden muss. Fast jede neue Liebe geht durch diese Phase, die hauptsächlich von hormonellen Ausschüttungen geprägt ist. Da die beiden sich relativ schnell ganz einander zugewandt haben, fallen auch die Verzögerungsparameter weitgehend weg. Sie werden mit den Schwächen des jeweils anderen konfrontiert und nach etwa einem halben Jahr steht ein frischverliebtes Paar vor der ersten und schwierigsten Sollbruchstelle der Beziehung, allerdings ohne das zu wissen. Aus Verliebtheit muss Liebe werden. Und wenn das nicht gelingt, driften sie auseinander und die Beziehung verliert zunehmend an Anziehungskraft. Das geht Menschen in jedem Alter so, und bei deinem Mann kommt natürlich erschwerend hinzu, dass er vieles, was mit seiner bisherigen Beziehung zu tun hatte, einfach verdrängt hat und dass es unbewältigt geblieben ist und damit auf ihm lastet.
Zitat: Seit vier Wochen habe ich nichts von ihm persönlich gehört. Es ist noch alles so ungeklärt, wie zu meinen letzten Beiträgen. Ich will nicht aktiv werden, halte alles fest, was festzuhalten geht... und deute sein Schweigen fatalerweise als Hadern.
Diese Herangehensweise liegt auch als Last auf seiner neuen Beziehung und das bleibt nicht ohne Spuren. Du liegst gar nicht so falsch, wenn du das als Hadern siehst. Allerdings bedeutet das natürlich nicht, dass er übermorgen bei dir klingelt. Ob er das jemals tun würde, hängt auch sehr mit seinem Charakter zusammen. Ist er ein Mensch, der zu seinen Schwächen und Fehlern stehen könnte?
Zitat: Mein Herz hofft noch immer so sehr, dass er wieder zurück kommt, dass er feststellt, dass er nach einer aufregenden Zeit sein altes Leben vermisst. Dann ist es für einen Moment erträglich. Schnell kommt aber die Ernüchterung des Verstandes und das Tief kann nicht schlimmer sein. Ich fühle mich so tief verletzt und ausgetauscht.
Das ist also der Weg, den du bisher gegangen bist. Und ich habe in meinen Begleitungen vieler Trennungen etliche Fälle erlebt, in denen das zum Erfolg geführt hat. Die neue Liebe hat also stark an Anziehungskraft verloren, es hat eine Wiederannäherung stattgefunden und die alte Beziehung hatte eine neue Chance. Inwieweit du damit noch umgehen könntest, muss dann herausgefunden werden. Aber wenn nicht, dann bist du nicht mehr Opfer, sondern entscheidest selber. Und das fühlt sich völlig anders an.
Zitat: Ich fühle mich so tief verletzt und ausgetauscht. Wut gegen ihn will aber nicht aufkommen. Die Stimmungsschwankungen strengen total an. Gehetzter Aktionismus und sich unter der Decke vergraben wechseln sich permanent ab. Zu selten denke ich, ich schaffe das schon, es wird bald besser, zu häufig plagt mich schlimme Zukunftsangst und der Verlustschmerz wird übermächtig. Ständig kommen die Tränen. Ich war so ein starker, glücklicher Mensch, habe alle Hürden im Leben gut gemeistert. Hier will mir gefühlt einfach nichts gelingen.
Wut ist ein verkanntes Gefühl. Es spricht nichts dagegen wütend auf ihn zu sein. Nur sollte die Wut nicht in Hass umschlagen, denn Hass und Schuld binden genauso stark wie Liebe. Und es sollte ja dein Ziel sein, von ihm mehr und mehr unabhängig zu werden und deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Auch wenn er tatsächlich würde zurück kommen wollen, triffst DU ja die Entscheidung, ob das umgesetzt wird.
Das war also dein bisheriger Weg und nach wie vor kannst du ihn weiter gehen. Wenn dein Leidensdruck aber so groß ist, dass das nicht mehr möglich ist, kannst du jederzeit in einen anderen Weg abbiegen. Und das würde bedeuten, dass DU DICH VON IHM TRENNST. Das hat bisher nicht stattgefunden und dafür hattest du wichtige Gründe. Wenn du es nun aber in Angriff nehmen solltest diesen Weg zu gehen, dann bedeutet das nicht, dass du dem nachgibst, was er getan hast (also Opfer bleibst), sondern es bedeutet, dass du AKTIV wirst, selber zum Täter wirst und dich ganz bewusst von ihm trennst.
Dazu gehört dann der juristische Weg, in den du schon mal hinein geschaut hast, dazu gehört der Scheidungsantrag. Dazu gehört eine stabile Wohnsituation, die du selber so gestaltest, wie es die dadurch entstehenden Umstände zulassen. Dazu gehört vieles an Neuanfängen und der klare Blick nach vorne, weg von dem Mann, der so lange der wichtigste Mensch in deinem Leben war. Dazu gehört vor allem die Erkenntnis, dass DU der wichtigste Mensch in deinem Leben bist und sonst niemand. Wenn all das Raum einnehmen kann, folgt automatisch der aufrechte Gang
Du wirst wieder zu einem selbstbestimmten Wesen und ich möchte darauf hinweisen, dass die hier genannten Zeitbeispiele von mehreren Jahren bis zur inneren Bewältigung nicht übertragen werden müssen. Das kann schneller gehen bei dir. Und wie schnell das dann geht bestimmst du selber, denn in dem Moment, in dem du dich zur Trennung entscheidest, bist du FREI. Und das ist ein verdammt gutes Gefühl. Du kannst dir in einem Gedankenspiel (ich habe das schon mehrfach hier im Forum geschildert) konkret vorstellen, dass er an deiner Tür klingelt, zutiefst bereut und mit dir einen Neuanfang starten möchte. Und du schaust ihn an und sagst, dass es zu spät dafür ist, dass er gern einen Kaffee mit dir trinken kann, aber keinerlei Hoffnung mehr haben soll, denn du bist glücklich ohne ihn. Er kann dann gehen. Und du musst nicht mehr endlos hinter ihm her schauen, sondern wendest dich deinem neuen Leben zu.
Das alles kann also eintreten, wenn du beginnst, diesen anderen Weg zu gehen. Wann du das tust, liegt ausschließlich bei dir. Ich hoffe, du kannst mit diesen Gedanken etwas anfangen.
Zum Schluss noch etwas hierzu:
Zitat:Ich reflektiere fleißig, lerne meine Fehler und Schwächen intensiver kennen. Bis heute habe ich aber nichts gefunden, was eine abrupte Trennung gerechtfertigt hätte. Für ihn scheint es aber anders, denn er besteht darauf, dass die Neue nur der Auslöser ist, nicht jedoch der Grund. Vielleicht auch ein Stück weit eine Schutzbehauptung. Ich werde es wohl nie wirklich erfahren.
Wenn du darauf wartest, dass er es dir erklärt, dann könnte es sein, dass du es nie erfährst. Aber du brauchst ihn dafür nicht. Du kannst selber alle Erkenntnisse darüber gewinnen, was zu solchen Trennungen führt, denn sie sind nicht selten, sie sind nicht die Ausnahme, vor allem nicht, wenn der Mann geht. Wenn Frauen gehen, gibt es oft andere Gründe. Aber wenn Männer gehen, haben sie meistens zu lange über das geschwiegen, was ihnen in der bisherigen Beziehung gefehlt hat. Sie haben es einfach für sich behalten, weil es ihnen zu anstrengend gewesen wäre, es mit der Partnerin auszutauschen. Und dann beginnen sie Signale auszusenden an die Frauen, die in ihrer Nähe sind.
Diese Signale sind unsichtbar, aber Frauen sind oft sehr sensibel dafür, solche Signale aufzuspüren. Und dann kommt es zu einem Gespräch von großer emotionaler Nähe, in dem sich beide unglaublich verstanden fühlen. Der Point of no return ist nicht mehr weit, es reicht eine Bemerkung darüber, dass man sich wohl fühlt in der Gesellschaft des anderen und sich gern mal treffen möchte. Ab dann geben die meisten Beteiligten die Kontrolle ab und die dann einsetzende Hormonflut lässt ein Zurück nicht mehr zu.
Um das klar zu stellen: Die Situation, aus der heraus ein solches Verhalten entstehen kann, haben natürlich beide Partner gemeinsam erschaffen. Die Anteile lassen sich im Nachhinein kaum noch definieren. Das würde man nur dann tun, wenn es zu einem Neuanfang kommt und dann mit professioneller Hilfe.
Es tut dir also nicht gut, wenn du nun alleine versuchen solltest, nach deiner Schuld zu suchen. Denn es gibt nicht Schuld, es gibt nur Ursachen. Und wenn man diese Sichtweise annehmen kann, ist man schon einen gehörigen Schritt weiter.
Ich wünsche dir viele hilfreiche Erkenntnisse in der nächsten Zeit.