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Trennung als Risiko - Femizid

Elfenbeinturm
Ich schreibe heute mit dem sicheren Abstand von zehn Jahren (Triggerwarnung).

Vor zehn Jahren hat mir der krankhaft eifersüchtige Vater meiner drei Kinder und damals Ehemann unterstellt eine Affäre zu haben. NACHDEM ich mich von ihm getrennt hatte, weil er mich betrogen hatte.
Er verdrehte die Wirklichkeit so, dass ich mich nur deswegen von ihm trennen würde, weil ich angeblich Jemand neuen hätte (hatte ich nicht).
Es kam soweit dass er erst drohte sich selbst etwas anzutun, dann mir und den Kindern. In einer schrecklichen Nacht durchlitt ich Todesängste, konnte das schlimmste verhindern, aber nicht ohne traumatische Erlebnisse.
Zwar gelang es danach ihn für ein paar Tage ihn aus der Wohnung zu bekommen (er war in einer Klinik) aber ein paar Wochen später lebten wir wieder zusammen, weil er nirgends hin konnte. Mir war völlig klar, dass ich mich richtig trennen musste, auch räumlich, aber ich hatte Angst. Mein jüngstes Kind war erst wenige Monate alt. Es hat fast ein Jahr gedauert bis er endlich ausgezogen ist. Und dann folgte Stalking, Hacking und mehrmals kam es vor, dass er sich gewaltvoll der Wohnung zutritt verschafft hat.
Irgendwie habe ich es trotzdem geschafft in der Zeit alleinerziehend für meine drei Kinder da zu sein und mein Studium weiterzuführen, ich habe einfach funktioniert, aber es war eine wirklich schlimme Zeit, in der ich meine Gefühle unterdrücken musste.

Losgelassen hat er mich erst, nachdem er neu geheiratet hat und bis heute hat er eine ungesunde Neugier auf mein Privatleben. Die Kinder haben jedes 2.Wochenende Umgang, Ihnen zuliebe reiße ich mich weiterhin zusammen, aber kann nach wie vor nicht ganz ehrlich mit meinen Gefühlen sein, um die Kinder nicht zu belasten.

Diese Woche ist etwas fürchterliches passiert. Im nahen Bekanntenkreis wurde eine Frau von ihrem Mann ermordet. Sie hatte sich getrennt, wegen des Kindes haben sie weiter zusammen gewohnt. Nun hatte sie einen neuen Freund, wollte verreisen und daraufhin hat der Expartner sie gewaltvoll getötet. Das Kind war bei der Tat anwesend. Ich bin entsetzt und so unfassbar traurig.

Und das reißt die alten Wunden auf, die ich eigentlich kaum noch wahrgenommen hatte.
Seit zwei Tagen habe ich wieder Ängste, musste mich bei der Arbeit krank melden. Aber neben der Angst ist da noch etwas anderes: WUT

Wie kann ein Mann glauben, er habe das Recht, seinen seelischen Schmerz in Gewalttaten an Frau oder Kind auszuleben? Warum passiert das so oft? Wie kann es sein dass Männer, wie zum Beispiel mein Exmann, sich überhaupt keiner Schuld bewusst sind, selbst wenn man Ihnen sagt wie schlimm das war?

Trennung ist für Frauen manchmal ein Risiko und das darf es nicht sein.
Von meinem zweiten Mann habe ich mich 2022 getrennt; zu der Zeit fand er es legitim und sich im Recht, mich anzubrüllen und zu schubsen. Die Scheidung läuft.

Ich kann nur jeder Frau raten, die auch nur die kleinsten Anzeichen von Gewalt in ihrer Beziehung erfährt, die Reißleine zu ziehen und sich zu trennen, so lange es noch sicher ist. Und an die Männer: NIEMAND darf Opfer eurer emotionalen Inkompetenz werden. Wut, Eifersucht, Verzweiflung, und was auch immer einen da antreibt, darf NIEMALS in Gewalt münden.

Und an Alle: wenn sich Jemand trennt, respektiert diese Entscheidung.
Du gehörst nur dir
und nur du gehörst dir.

06.06.2024 18:25 • x 16 #1


K
Ja, liebe Elfenbeinturm.... was soll ich schreiben? Dir ist etwas unfassbar Schlimmes im Leben passiert. Und Du hast eine Zeit hinter Dir, die nur jemand nachfühlen kann, der ähnliches durchgemacht hat. Tut mir leid, dass Du die Erfahrung machen musstest, ganz ehrlich

Zitat von Elfenbeinturm:
Wie kann ein Mann glauben, er habe das Recht, seinen seelischen Schmerz in Gewalttaten an Frau oder Kind auszuleben? Warum passiert das so oft? Wie kann es sein dass Männer, wie zum Beispiel mein Exmann, sich überhaupt keiner Schuld bewusst sind, selbst wenn man Ihnen sagt wie schlimm das war?


Das Problem ist, dass Du rational denkst. Das meine ich in dem Fall nicht ironisch. Du versuchst, irrationales Handeln mit rationalem Denken erklärt zu bekommen. Das funktioniert nicht. Jeder normale Mensch weiss, dass er keine Gewalt an wem auch immer ausüben darf.

Natürlich hat man mir gegenüber auch mal die Trennung ausgesprochen. Und ich bin zu keinem Zeitpunkt auf die Idee gekommen, dieser Person für diese Entscheidung etwas anzutun. Es tat weh, mal lange, mal kurz. Natürlich hab ich einer Frau auch mal - in meinen Gedanken - die Pest an den Hals gewünscht... aber nie wirklich ernsthaft. Und das ging auch vorbei.

Solche Menschen sind - manchmal nur in Ausnahmesituationen, manchmal permanent - in einer komplett anderen Realität unterwegs. Einer Realität, in der ihr Handeln absolut logisch und nachvollziehbar ist. Diese Welt hat aber mit Deiner nichts zu tun. Daher stehst Du da und zermürbst Dir den Schädel, suchend nach einer Antwort, die Du nie bekommst.

Es gab da mal eine Podcast-Folge aus der Reihe In extremen Köpfen von Dr. Leon Windscheid. Der Titel lautet: Warum wir Menschen zu Dämonen machen (den Direkt-Link darf ich hier sicher nicht posten). Google das gern mal, die Folge ist kostenlos. Vielleicht, aber nur vielleicht hilft es Dir, etwas mehr Frieden bezüglich Deiner Frage zu erlangen.

Am Ende will ich noch sagen: Mit meiner Erklärung will ich nichts verharmlosen. Und auch nicht für Verständnis werben. Darum geht es mir ganz und gar nicht. Ich habe für mich nur verstanden, dass es Verhaltensmuster gibt, die ich niemals nie in meinem Leben nachvollziehen können werde. Gleichzeitig ist mein Gegenüber, der solch schlimme Taten ausführt, nicht in der Lage, auf rationaler Ebene zu begreifen, was er da getan hat.

Ich wünsche Dir alles Gute!

06.06.2024 22:28 • x 7 #2


A


Trennung als Risiko - Femizid

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NurBen
Zitat von Elfenbeinturm:
Ich kann nur jeder Frau raten, die auch nur die kleinsten Anzeichen von Gewalt in ihrer Beziehung erfährt, die Reißleine zu ziehen und sich zu trennen, so lange es noch sicher ist.

Das würde ich nicht nur Frauen raten, sondern grundsätzlich jedem.

06.06.2024 22:32 • x 4 #3


Milly85
Zitat von Elfenbeinturm:
Ich schreibe heute mit dem sicheren Abstand von zehn Jahren (Triggerwarnung). Vor zehn Jahren hat mir der krankhaft eifersüchtige Vater meiner drei Kinder und damals Ehemann unterstellt eine Affäre zu haben. NACHDEM ich mich von ihm getrennt hatte, weil er mich betrogen hatte. Er verdrehte die Wirklichkeit so, dass ...

Aus gegebenem Anlass muss ich sagen: den Tipp kannst du auch all den Männern geben, die häusliche Gewalt erfahren! Habe jemanden im Bekanntenkreis der von der Partnerin ebenfalls angegriffen wurde. Männern rät man ja oft, sie sollen sich nicht so anstellen, und viele schweigen, weil sie nicht ernst genommen werden…,

07.06.2024 00:30 • x 2 #4


A
Zitat von Milly85:
Aus gegebenem Anlass muss ich sagen: den Tipp kannst du auch all den Männern geben, die häusliche Gewalt erfahren! Habe jemanden im Bekanntenkreis der von der Partnerin ebenfalls angegriffen wurde. Männern rät man ja oft, sie sollen sich nicht so anstellen, und viele schweigen, weil sie nicht ernst genommen ...


Dieser Hinweis nervt mich und hat nichts mit dem Thema der TE zu tun .
Gruß von einer Betroffenen , die einen wirklichen Psychothriller erlebt hat ,
mit Kripo und der Opferhilfe und allem was so möglich ist .
Strassensperren und Polizei nachts auf dem Grundstück , dann und wann .Es war ein psychischer Horrortripp ,
Stoff aus dem Filme sind .
Dieses Thema wühlt mich total auf .

07.06.2024 01:19 • x 4 #5


VictoriaSiempre
Zitat von Abendrot:
Dieser Hinweis nervt mich und hat nichts mit dem Thema der TE zu tun .

Nerven tut mich dieser Hinweis zwar nicht, denn Gewalt von Frauen gegen Männer gibt es ganz sicher. Allerdings mit anderen Ausmaßen.

Trotzdem ist es grade am Thema vorbei. Aus 2023 gibt es Erhebungen, dass nahezu jeden 3. Tag eine Frau durch Gewaltanwendung ihres (Ex)Partners getötet wurde. Ich mag grade nichts dazu verlinken, es ist jedoch sehr einfach zu googeln, wenn Interesse besteht. Über 100 Frauen/Jahr.

2021 wurden 109 Frauen und 12 Männer Todesopfer von (Ex)Partnern. Jede/r einzelne Tote/r eine/r zu viel! Nein, das hat nicht (nur) mit Zuwanderung und anderen Kulturen zu tun, denn Gewalt an Frauen gab es schon immer.

Woran mag das liegen? Keine Ahnung, möglicherweise am Männerbild, das auch 2024 noch in vielen (männlichen wie weiblichen) Köpfen steckt. Da muss ich nur hier im Forum querlesen: Hausmänner sind Weicheier, Hausfrauen und Mütter liegen auf der faulen Haut und profitieren vom Einkommen des Gatten, das Bild der „Alpha-Männer“ wird hochgehalten, weil angeblich jede Frau sowas will, Frauen sollten sich gefälligst was einfallen lassen, um das S. spannend zu machen, Männer werden da weniger in die Pflicht genommen, die sollten gefälligst bedient werden (schaffen sie doch die Kohle ran). Tbc.

Wenn Gewalt gegen Männer so wenig wahrgenommen wird, dann liegt es meiner Meinung nach an den Männern, die das nicht sichtbar machen - aus welchen Gründen auch immer. Meine These: Weil sie sich vor allem vor anderen Männern schämen. Nun ja - sollen das auch die Frauen regeln? In meiner langen Zeit im Forum habe ich so viele misogyne Thesen gelesen, gepaart mit „ein echter Mann macht das soundso“ - mich wundert das alles nicht mehr. Wir sind auch im Jahr 2024 noch lange von einer Gleichberechtigung (was ja gerne von bestimmten Typen mit Gleichschaltung beschrieben wird) entfernt. Und leider hauen auch viele Frauen in diese Kerbe. Gefühlt zunehmend.

Ich hab mal nen guten Spruch gehört. Nicht „beschütze Deine Tochter, sondern erziehe Deinen Sohn“.

07.06.2024 02:13 • x 17 #6


NurBen
Zitat von VictoriaSiempre:
Meine These: Weil sie sich vor allem vor anderen Männern schämen.

Wohl eher, weil die Gesellschaft diese Männer beschämt. Da gibt es ein sehr berühmtes Video, wo der Mann in einer Show darüber gesprochen hat, dass ihn seine Frau schlägt und teilweise Stundenlang auf dem Balkon ausgeschlossen hat. Und das Publikum hat gelacht. Das Video wurde deshalb so berühmt, weil der Moderator gesagt hat Würden sie auch noch lachen, wenn es eine Frau wäre? (jedenfalls sowas in der Art) Das sagt eigentlich vieles über die Gesellschaft aus.
Und ich denke, genau deshalb ist die Dunkelziffer auch sehr hoch bei Männern.

Zitat von VictoriaSiempre:
Nun ja - sollen das auch die Frauen regeln?

Auf jeden Fall. So wie Männer geholfen haben, das Frauen Verträge unterschreiben, Autofahren und Wählen dürfen.

07.06.2024 22:00 • x 3 #7


B
@Elfenbeinturm
Danke für deinen Beitrag.
Es ist richtig und wichtig das zu Teilen und darüber zu sprechen.
Aufklärung ist wichtig, die Betroffenen sind nicht alleine und leisten einen wichtigen Beitrag, wenn Sie nicht schweigen.


Mich berührt das sehr und macht mich betroffen.
Ganz viel Kraft wünsche ich Dir und deiner Familie.

07.06.2024 22:20 • x 2 #8


N
Zitat von Elfenbeinturm:
Ich kann nur jeder Frau raten, die auch nur die kleinsten Anzeichen von Gewalt in ihrer Beziehung erfährt, die Reißleine zu ziehen und sich zu trennen, so lange es noch sicher ist. Und an die Männer: NIEMAND darf Opfer eurer emotionalen Inkompetenz werden. Wut, Eifersucht, Verzweiflung, und was auch immer einen da antreibt, darf NIEMALS in Gewalt münden.

Hallo liebe Elfenbeinturm

Sobald ein Mann einmal die Hand erhoben hat ,ist es nicht mehr sicher.. egal wie sehr er sich entschuldigt..

Du hast den Absprung geschafft und das ist gut.. Es ist schrecklich was dieser anderen frau geschehen ist.. Doch man kann es so gesehen nicht ändern.

Du bist sicher oder.. Und das zählt..

Ich persönlich muss sagen ich habe auch meine Erfahrungen gemacht auf eine sehr harte Art und bin jetzt noch dabei zu heilen ..

Ich glaub jeder Mensch der einmal Gewalt erfahren hat egal ob mann oder frau ,verändert danach den Blick auf menschen und verändert sich auch.. Den keiner geht dann ganz aus der beziehung raus..

07.06.2024 22:26 • x 3 #9


I
Hallo Elfenbeinturm,

danke für Deinen Text, ich bin durch meinen Ex-Ehemann vor einigen Jahren fast gestorben, musste mehrfach operiert werden.

Ich war fast 1.5 Jahrzehnte sein Eigentum, ich bzw. mein Körper hat gefühlt alles mitgemacht. Irgendwann gab es Gewaltschutz, Gefährderansprache der Kripo, wir haben keinen Umgang, nichts und ich bin froh darüber.

Ich lese viel im Internet, diese Incels scheinen recht modern zu werden.

Ich war diese 10/10 Frau, alles mitgemacht, alles erledigt, von Haus bis Hund, alles mein Job gewesen, selbst das Geld habe ich heimgebracht, er brauchte nichts tun als seinen Hobbies nachgehen und mich quälen, bedrohen, v* etc...

Ich habe mittlerweile Todesangst vor Männern, gehe ihnen aus dem Weg, allen Männern. Ich habe das Gleiche im Elternhaus durch meinen Vater erlebt, kenne Männerhand nur gewalttätig.

Ich bleibe aus Sicherheitsgründen alleine, bin total isoliert, einsam, depressiv. Auch wenn es grausam ist, tut es gut zu lesen, dass es auch anderen ähnlich geht.

Izabella

16.06.2024 20:57 • x 2 #10


Ayaka
Gerade in einer Trennungssituation kann die Wohnung zur Todesfalle werden - daher rate ich Frauen die bereits Angst vor dem Trennungsgespräch haben das möglich in Begleitung oder an einem öffentlichen Ort zu führen - dieser Ratschlag wird oft belächelt so weit wird es nicht kommen, das ist doch übertrieben...

Ich werde es weiter tun - zu viele Frauen mussten in so Situationen bereits ihr Leben lassen. Immer noch werden sie als Eigentum betrachtet.

Leider gehören da oft viel Kraft und Mut dazu, manche schaffen es nicht und das macht mich immer unfassbar wütend und traurig. Vor allem wenn Kinder im Spiel sind.

Für deine Freundin tut es mir wirklich leid. Weiter in der gemeinsamen Wohnung zu bleiben war ein Risiko, dass sie zu Liebe ihres Kindes eingegangen ist und teuer bezahlen musste.

16.06.2024 21:23 • x 1 #11


A


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