Wenn ich Euch so lese, werde ich zurückgebeamt in eine Zeit, in der es all die Hilfen noch gar nicht gab. Als ich vor wenigen Jahren so einen Vortrag über Hilfen für Angehörige zufällig mitbekam, habe ich Rotz und Wasser geheult. Denn zum ersten Mal nach Jahrzehnten fühlte ich mich verstanden. Sie hatten den Vortrag aufgeführt mit Sprüchen, die man als sich kümmernder Angehörige so üblicherweise abbekommt. Und bis auf einen oder zwei der vielen Sprüche, kannte ich alle anderen so dermaßen gut und war alleine deswegen unglaublich wund.
Das mit der Gruppe hat dann aus diversen Gründen nicht mehr geklappt (ua weil es in der cor. Zeit war).
Auch wenn es unglaublich heftig ist, sich der Demenz von Angehörigen zu stellen, es ist es dennoch wert.
Ich sehe einen riesigen Unterschied zwischen mir und meinen Brüdern. Ich habe durch das lange kümmern, erst Mutter 17 Jahre Alzheimer, danach über 20 Jahre Vatern, da alt bis zum Schluß seehr alt, in vielfältiger Weise Chancen erhalten, mich zu überwinden, die Vergangenheit zu verarbeiten, durch den Liebesdienst böses mit gutem zu vergelten.
Jetzt, wo wir Geschwister unsere Vergangenheit physisch entsorgen müssen, kommen diese Unterschiede massiv zum Tragen. Der der sich am meisten rausgehalten hat, ist gleichzeitig derjenige, der am wenigsten von der Vergangenheit abgegeben hat. Je mehr gekümmert, desto mehr im Frieden mit dem Erlebten und mit sich selbst.
Wirklich, das empfinde ich als viel Wert. Dafür hat es sich auch gelohnt, für den inneren Frieden, auch wenn ich an den am wenigsten gedacht habe, während all der Jahre.
Es gibt noch eine Sache, die ich für meine Eltern tun kann. Das wird hoffentlich sehr zeitnah sein. Und in mir kam gestern ein Gefühl auf, das sagte dann wirst du frei sein!
Puh, das Gefühl kenne ich nicht. Macht mit etwas Angst.
Was mir aber bereits aufgefallen ist, daß ich morgens plötzlich von selber aufwache und mich nicht über Stunden in den Tag hinein quäle. Puh, auch das ist neu für mich.
Na gut, Schritt für Schritt in eine unbekannte Zukunft. Es waren jetzt gute 40 Jahre sich kümmern um Elternteile. Da entwickelte sich eine große Souveränität. Vatern überließ mir schon vor Jahren alle Diskussionen mit Ärzten, einschließlich Eingriffe im Krankenhaus, weil er merkte, daß ich ua auch da im laufe der Jahre Kenntnisse sammelte, zu seinem besten handelte und ihm immer erklärte, was los ist, warum so und daß er eh die letzte Entscheidung dazu trifft. Das fand er gut. Das klappte gut. Und die Ärzte waren froh über eine brauchbare Ansprechpartnerin. Nur ein Beispiel von vielen. Allerdings war er 'nur' altersdement (Abbau ua der Erinnerungen in allen möglichen Bereichen). Da half das über Jahre aufgebaute Vertrauen.
Ich umarme eine jede von Euch, die gerade in dieser verzweifelten Situation ist. Ich weiß wie hart es ist. Ich kenne die regelmäßigen Zusammenbrüche.
Deswegen schließe ich mich der Aufforderung anderer an: nehmt alle Hilfen in Anspruch, die angeboten werden. Es gibt sie ja inzwischen aus guten Gründen. Auch die Leistungen der Krankenkassen. Auch die hatten wir früher nicht in dem Umfang. Ihr braucht das. Nutzt es!
Ich werde mich vorbereiten auf eine Zeit, wo es bei mir vielleicht selber schlimmer werden wird. Als Kind von mehreren Alzheimer Generationen könnte es auch mich treffen. Absolut kein schönes Gefühl.
21.07.2024 07:02 •
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