Die Diagnose Demenz haben wir für meinen Vater (noch) nicht. Aber er bringt uns alle an unsere Grenzen. Vor allem meine Mutter. Vater hatte vor 21 einen schweren Schlaganfall, berappelte sich anfangs wieder. Dann kamen andere Gesundheitsprobleme dazu, und in den letzten Jahren ging es nur noch bergab. Heute ist er ein kompletter Pflegefall, kann körperlich lediglich seine rechte Hand benutzen und mit größter Mühe einen Schritt mit dem rechten Fuß machen. Meine Mutter wollte nie einen Pflegedienst, lediglich als sie im letzten Jahr selbst den Knöchel gebrochen hatte, kam für einige Wochen der Pflegedienst. Später bestellte sie den wieder ab.
Nun hat sich die Situation zugespitzt. Mutter hatte sich mit Corona infiziert, und wurde ziemlich heftig erwischt. Zum Glück geht es wieder bergauf, aber sie ist noch sehr kraftlos. Mit meinen 2 Geschwistern kümmere ich mich um Vater, da aktuell kein Pflegedienst zu bekommen war. Alles übervoll.
Vater ist teilweise klar, teilweise verwirrt, sicher auch durch den unglaublichen Haufen an Medikamenten, die einzunehmen sind. Alles hat sich um ihn zu drehen, er realisiert nicht, wie sehr er Mutter fordert. Dass sie ihm jetzt nicht wie gewohnt zur Verfügung steht, hindert ihn nicht daran, ständig nach ihr zu rufen.
Ein Beispiel von heute Abend. Vater wollte unbedingt raus aus dem Pflegebett. Also wuchten Mutter und ich ihn gemeinsam in den Rollstuhl. Ich bringe beiden das Abendessen. Mutter bereitet ihm alles mundgerecht, er ist zuerst dran. Als sie selbst zu essen beginnt, will er wieder zurück ins Bett. Nach geschätzten 15 Minuten. Er jammert und fordert, lässt sie nicht zu Ende essen. Gut, wir bringen ihn wieder ins Bett. Mutter setzt sich, um ihren Tee zu trinken. Vater will gedreht werden, was ich übernehme.
So geht das ständig, alles muss umgehend gemacht werden. Er weiß, dass er morgen Geburtstag hat und wie alt er wird, kapiert aber nicht, was er anderen zumutet.
Damit unsere Mutter im Moment zur Ruhe kommt, um richtig gesund zu werden, schlafen wir Kinder abwechselnd bei Vater im Zimmer. Heute habe ich Nachtschicht. Nach 2 Stunden in denen er schlief, ging es grade wieder rund. Ein Stück Schokolade essen, das Bein einreiben, Musik anmachen, Marmeladenbrötchen essen, ständige die Frage nach der Uhrzeit..... Sage ich Nein, nützt das nichts. Er beginnt nach Mutter zu rufen und hört einfach nicht damit auf. Da kann ich bitten, schimpfen, erklären wie ich wiill, er gibt keine Ruhe.
Jetzt ist er grad wieder dabei, einzuschlafen, ich sitze hellwach im Sessel neben dem Bett, und muss mir den Frust mal von der Seele schreiben.
Oft bin ich wütend, aber dann tut er mir wieder leid. Es rührt mich auch wenn er so hilflos ist, und verstört nach meinen Blick sucht. Später wieder liegen die Nerven blank. Ich komme damit nicht klar. Nicht mit der gegenwärtigen Situation und nicht mit meinen Emotionen diesbezüglich.
Traurig in mir selbst, aufgrund der unglücklichen Liebe, bin ich ja auch noch.
Zusätzlich betrübt mich das ständig präsente Corona-Thema, der Riss der in meinem Umfeld zwischen den Menschen entstanden ist.
Es dürfte gern mal was Gutes auf mich warten, ich hätte nichts dagegen.
Danke fürs Lesen. Ich versuche jetzt auch zu schlafen.
Gute Nacht.
12.12.2021 01:21 •
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