Wahnsinn. Fühl dich. gedrückt.
Mein erster Gedanke war: Kann es sein, dass die Metastasen ins Hirn gestreut haben?
Mein zweiter: Ein Freund von mir wurde auch nach fünf/sechs Jahren Krebs und Pflege von seiner erkrankten Freundin verlassen. In dem Fall gleich dreifacher Krebs, vor allem Hals und Rachen betroffen, sie konnte dann nur noch flüstern, also musste er auch alle Anrufen für sie erledigen etc Verlassen hat sie ihn für jemand, der auch Krebs hatte.
Ich kannte sie lange, aber nur flüchtig, aber ich konnte ihre Gründe verstehen, und vielleicht hilft es dir ja, deinen Frieden damit zu machen.
Auch wenn er sich dann lange um sie gekümmert hatte, war die Beziehung lange bereits mau. Eine typisch eingeschlafene Beziehung halt, sicher kaum noch S., eher Freundschaft. Er hatte seine Jobs über sie, und sie managte eigentlich das meiste, war die treibende Kraft hinter allem. Früher saßen sie auch viel beim Wirten, mit dem Krebs ging sie dann eher wandern, das wollte er weniger. Da er weniger verdiente, weil er eher behäbig ist, ging auch sonst vieles nicht, was sie gern gemacht hätte, außer, sie lud ihn ein, falls er sich dazu aufraffen konnte. Sich einmal im Nobellokal Champagner mit Austern gönnen als Jux lehnte er ab, er fühlte sich im billigen Wirtshaus mit 6 B. wohler. Urlaube verliefen dann ähnlich.
Auch wenn er sich sehr kümmerte, verstand er ihre Situation nicht. Denn sie hatte natürlich den Tod vor Augen (sie starb mit 38 ). Es war ihr durchaus bewusst, sie hat nur mehr ein paar Jahre, und gute noch weniger. Und war dann nicht mehr gewillt, für eine maue Beziehung Kompromisse zu machen. Denn es ist ganz was anderes, wenn ein Gesunder meint, er hat noch viele Sommer und alle Zeit der Welt. Die andere Person verstand sie da, mit ihr erlebte sie neue Abenteuer, die sie nie mehr im Leben hätte machen können, denn er hätte sich aus seiner Komfortzone nie so weit rausgewagt.
Liebe kann man sich nicht verdienen. Sie brauchte keinen Pfleger, sie wollte noch Dinge tun, die sie immer tun wollte, aber nie getan hatte oder mit ihm machen hätte können. Da hätte er sie zuviel gebremst.
Ich sag dir das, weil ich denke, deinem Ex geht’s ähnlich. Und vielleicht hilft es dir, wenn du ihn verstehst. Er konnte mit dir einfach manche Dinge nicht tun, weil die Strukturen einer so langen Beziehung nicht mehr zu ändern sind. Dazu die Aufregung der Verliebtheit, der Glücksrausch des ersten Kusses. Alles noch viel intensiver, weil du weißt, das ist wirklich das letzte Mal. Er will noch einmal intensiv leben. Und das geht mit einer Neuen eben besser als mit der Alten, wo er genau weiß, für was du alles nicht zu haben bist. Nach 32 Jahren macht man automatisch auch viele Abstriche. Manche Diskussionen hat man bereits aufgegeben. Andere versucht man gar nicht erst. Und wenn du genau weißt, das war’s jetzt dann bald, ist ist man nicht mehr bereit, diese Abstriche weiterhin einzugehen.
Ich weiß nicht, ob dich das jetzt tröstet. Aber wenn du ihn verstehst, fällt es dir vielleicht doch leichter, ihn loszulassen. Oder sogar nochmal deinen Frieden mit ihm zu machen, solange er noch da ist.
Ich hab sie nach einiger Zeit absolut verstanden. Und als sie starb, fand ich Trost darin, dass sie wenigstens ein paar Jahre noch hatte, in dem sie das Leben nochmal von einer neuen Seite kennenlernen durfte. ich hätts an ihrer Stelle genauso gemacht. In dem Fall war das Leben nämlich wirklich zu kurz. Wenn du ihn wirklich und selbstlos liebst, musst du ihn loslassen. So bitter das ist. Alles Gute!
24.11.2023 04:59 •
x 2 #22