Hallo Alena,
heute habe ich ein paar Stunden gearbeitet. Dabei habe ich zeitweise an nichts denken müssen. Und wenn die Gedanken an alles kamen, ließ ich sie einfach zu.
Ja, das Kaff, in dem das Haus steht, in dem meine Ex mit unserer Tochter und ihren Kindern lebt, ist herrlich ruhig und grün. Mit Wald in der Umgebung. Eine wirklich gewachsene, ruhige und natürliche Struktur. Freundliche tratschende Menschen. Da kann man es gut aushalten. So wie ich in Teilen meiner Kindheit.
Das totale Kontrastprogramm einer Großstadt mit steriler, schneller Einheitsarchitektur, bei der es um den Profit der Mieteinnahmen geht. Die Menschen, die dort leben - mich eingeschlossen - sind hektisch, viele sind in ihrem Hamsterrad gefangen. Ihre Gespräche drehen sich um Geldströme, Kostenreduzierung, Termindruck, Budgetplanung und solches Zeug. Privates wird im Small-Talk abgerufen. Ich bekomme das aus nächster Nähe mit.
Und trotzdem will ich nicht mehr zurück in das Dorf, wenn es sich vermeiden lässt. Das Haus und den Garten kann ich nicht mehr betreten. Der psychische Druck ist zu groß. Vielleicht wenn alles besenrein ist. Fast neun Jahre habe ich da mit Kindern, Sport und Tieren - mal mehr, mal weniger - aber doch mit gelebt. Unterm Strich hatten wir eine gute Zeit.
Bis zu dem Abend, an dem mir deutlich war, ich habe da längst nur noch eine Ex, die ein Kind mit mir hat. Ein neuer Häuptling ist da. Man ist ausgetauscht. Wie das gekommen ist, ob schleichend oder offen, wer wie viel dazu mitgetan hat, das ist in diesem Moment ohne Bedeutung. Es gilt nur die Realität. Ob man will oder nicht, es gehen sofort sämtliche Lichter aus. Dass man den Halt verloren hat und was da sonst noch dran hängt, erhellt sich einem einige Tage später.
Was soll ich sagen? Das sind Erinnerungen, die man an sich ranlässt, wenn man sich in den Schmerz fallen lässt. Mir ist aufgefallen, man geht dann achtsamer mit sich um. Das, was andere einem ständig raten, geht dann automatisch, ohne dass man es unmittelbar wahrnimmt. Im Radio lief ein Song von Cliff Richard (She means nothing to me, I'm still as free as a bird...), den ich seit Jahrzehnten nicht mehr gehört habe. Der Inhalt ist Ironie. Es ist genau umgekehrt. Passt genau in meine Lage.
Mittwoch muss ich wieder hin wegen Einschulungstest. Das ist so abgesprochen. Mit der regelmäßigen Ausübung des Umgangs wird mir nun mehr Verantwortung in meinem Leben zukommen. Dem Kind etwas bieten können, vor allem aber an der Erziehung mitwirken. Wie soll man das machen, wenn man so angeballert ist? Weiß ich noch nicht so genau... Es wird ja seit vier Monaten nicht wirklich besser. Wie soll alles werden?
Es ist komisch, aber ich sorge mich um meine Ex. Sie hat neun Jahre in mich investiert. Nun steht sie bald wieder da, wo sie vorher war. Mit einem Kind mehr. Sie scheint das entspannt zu sehen. Immerhin hat sie emotionalen Halt, während ich doch sehr allein mit mir bin. Nach Kontakten ist mir nicht zumute.
Obwohl ich morgen wieder zum Sport muss. Die beiden Jungs, mit denen ich das Schiedsrichterteam bilde, sind 19 und 21. Sie sind immer froh, wenn ich dabei bin. Sie können natürlich nicht verstehen, was mit mir los ist und warum ich auf einmal qualme wie ein Süchtiger. Ziemlich schlank geworden bin ich. Hab in der Winterpause Sport gemacht, sage ich dann.
Ich hab keine Suizidgedanken. Schon aus der Verantwortung gegenüber meinem Kind heraus nicht. Das geht nicht. Für den Körper, vor allem für die Psyche ist es (schwerste) Zwangsarbeit. Aber ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass mir der Stecker rausgezogen wird. Sie kann alles haben. Ich will nur noch abspringen.
Hast Du das auch so erlebt?