459

Transgenerationale Weitergabe von Traumata

J
@Hola15

Zitat:
Und trotzdem verneige ich mich vor dem Leid der Opfer der Schoa.


Ich danke dir. Ich hoffe, ich darf das sagen, ohne das du dich persönlich angegriffen fühlst. Ich mag den Ausdruck Shoah nicht. Ich weiß, dass viele, insbesondere Juden selbst, diesen Begriff verwenden. Ich lehne ihn ab, weil ich ihn merkwürdig verharmlosend finde. Er bedeutet so etwas große Katastrophe/großes Unheil. Als ob diese menschengemachte Ungeheuerlichkeit eine Naturkatastrophe wäre.

22.03.2025 14:54 • x 5 #76


Hola15
Zitat von justawoman:
@Hola15 Ich danke dir. Ich hoffe, ich darf das sagen, ohne das du dich persönlich angegriffen fühlst. Ich mag den Ausdruck Shoah nicht. Ich weiß, ...

Danke für diese Rückmeldung

22.03.2025 14:55 • x 1 #77


A


Transgenerationale Weitergabe von Traumata

x 3


J
Zitat von FrauDrachin:
Mir fällt gerade auf, dass ich so etwas bei einigen Familien, bei denen ich etwas Einblick hatte, festgestellt habe: Bei mir z.B. weiß ich, dass ...

Es scheint oft eine Person zu geben, der vermeintlich schlimmeres widerfahren ist, und die zumindest rudimentär die Möglichkeit hat, sich zu äußern, und andere, die ihre Geschichte davor herunterspielen. Hat noch jemand diese Erfahrung gemacht?


Meinst du mich? Ich mach das übrigens leider mit mir selbst. Dass ich zu mir sage: Jetzt reiß dich mal zusammen, überleg mal, was dein Vater erleben musste. Das ist schwierig, wenn man seine eigenen Gefühle so disqualifiziert. Leider habe ich auch von meiner Mutter Sätze gehört wie Ihr wisst gar nicht, wie gut ihr es habt. Man kann und sollte nie vergleichen. Es soll sich hier unbedingt jeder äußern.

Ich möchte mich entschuldigen, wenn ich mich hier zu sehr in den Vordergrund gedrängt habe. Ich rede so selten über das Thema, da bricht es manchmal einfach aus mir heraus.

22.03.2025 15:06 • x 5 #78


Hola15
Zitat von FrauDrachin:
Ich glaube zu wissen, dass sein Vater Soldat in Frankreich war.

Mein „Opa“ liegt auch in Frankreich

Ich kann leider nichts zu den Geschichten der Großeltern sagen, da ich die nur paarmal gesehen habe.
Bei mir: Mutter hat erzählt, Vater nix, weiß ich nur von Mutter und erfragen bei der (entfernten) verbliebenen Verwandtschaft.

22.03.2025 15:15 • x 2 #79


ElGatoRojo
Zitat von Blanca:
Um diese Toten gäbe es nichts zu trauern, sagten sie. Die Trauer um die Toten der Bombennächte verdränge die eigentliche Trauer, nämlich um die Toten der KZs.

Nun ja - auch unter Linken gibt es die 10 % Idioten wie bei jeder Menschengruppe.

22.03.2025 15:19 • x 2 #80


Z
Zitat von justawoman:
Fühlst du dich auch ständig bedroht? Das Gefühl ist so tief in mir verwurzelt, das werde ich wohl nie wegbekommen.

Nervensystemarbeit kann helfen.

Es geht sich nur darum, seinem Körper beizubringen in Sicherheit zu sein. Unabängig von Vergangenheit oder Zukunft. In dir den Anker zu setzen.
Ist nicht so schwer zu erlernen und wäre einen Versuch wert.

22.03.2025 15:32 • x 2 #81


J
Zitat von Zaungast:
Nervensystemarbeit kann helfen. Es geht sich nur darum, seinem Körper beizubringen in Sicherheit zu sein. Unabängig von Vergangenheit oder Zukunft. ...

Hast du da Literatur zu oder konkrete Übungen?

22.03.2025 15:37 • x 1 #82


FrauDrachin
Zitat von justawoman:
Ich möchte mich entschuldigen, wenn ich mich hier zu sehr in den Vordergrund gedrängt habe.

Das war überhaupt kein bisschen so gemein, das weißt du, oder

22.03.2025 15:41 • #83


P
Zitat von justawoman:
Ich bin im Krieg aufgewachsen mitten im Frieden.


Danke für diesen Satz. So habe ich mein Leben lang empfunden. Bis vor zwei Jahren war der Krieg, Gefangenschaft und Vertreibung regelmäßig Thema gewesen, über Stunden hinweg. Seitdem gibt es in der Nähe tatsächlich Krieg.
Ich habe mich immer gefragt, wie es ist, einfach in Frieden leben zu können. Vatern hat den Verlust der Heimat nie verkraftet. Die Schrecken im Krieg hat er überstanden mit der Hoffnung und Bindung auf zu Hause. Das war plötzlich weg. Ab da hat er nur noch existiert, irgendwie.
Natürlich hat sich das auf die nächsten Generationen ausgewirkt. Und wenn man als Kinder 'normal' sein wollte, dafür lagen Stöcke griffbereit auf dem Schrank.
Sein Bruder hat es in Worte gefasst er sei nie hier (im Westen) angekommen.

Zitat von Blanca:
daß manche - wenn überhaupt - nur mit geschultem Fachpersonal über sowas reden.


Jetzt wurde die eigene Überforderung mit Dingen 'ausgeglichen' oder zu ersetzen versucht, die nach heutigem Maßstab eigene Traumatisierung der nächsten Generation zur Folge hatte. Und, mit Verlaub, es gab jahrzehnte lang kaum jemanden vom Fach, der vorhanden war oder damit umgehen konnte. Nicht umsonst gab es sehr lange Warnungen untereinander, daß viele Personen durch schlechte Therapeuten erst recht kaputt gemacht wurden.
Inzwischen hat sich da sehr viel Gutes getan.

Zitat von justawoman:
Ich möchte mich entschuldigen, wenn ich mich hier zu sehr in den Vordergrund gedrängt habe. Ich rede so selten über das Thema, da bricht es manchmal einfach aus mir heraus.


Alles gut. War gar nicht so viel, wie Du denkst.
Eine Anekdote. Vor etwas über zwanzig Jahren war ein HC Überlebender eingeladen bei Alfred Biolek in dessen Sendung zu sprechen. Es gab viele Sorgen, ob er überhaupt etwas sagen wird und was. Denn dieser Mann hatte sehr viele schlechte Erfahrungen gemacht, daß das Erzählte runter gemacht, geleugnet, er angegangen wurde etc. Also begann das Gespräch sehr vorsichtig.
Nun begab es sich, daß ich dort arbeitete und auf der Seite landete, die in seiner Blickrichtung lag. Und meine Position ist oft die, daß ich Blickkontakt mit den Personen haben kann, die im Studio sind. So auch hier.
Wir hatten sehr viel Blickkontakt. Dieser Mann sah, wie ich auf seine Berichte reagiert habe. Er sah meine ehrliche Betroffenheit. Er sah meine Tränen in den Augen. Er sah, daß ich es schrecklich fand. Er sah aber auch, daß ich eine Ahnung hatte. Er sah, wie ich mit den Grauen umgehen konnte, denn ich dachte an das, was eine Generation später unter dem Radar des offiziellen Friedens einander angetan wurde, um mit den Schrecken des Krieges umgehen zu können. Und das ist auch keine Kleinigkeit. Nur, daß man selber mit niemandem darüber reden darf, bis heute nicht, weil zu schrecklich (und Fachleute dazu nicht existieren bzw sie 'es nirgends gelesen haben' = diskreditiert).
So hat dieser Mann erzählt. Er fühlte sich verstanden und akzeptiert. Er erzählte weit mehr, als er jemals davor oder danach in einem Interview von sich gegeben hat. Und zum Schluss haben wir uns noch kurz angeschaut, angelächelt und zugenickt. Wir wussten um die Leiden des anderen auf ganz eigene Weise, die nicht erklärbar ist und uns beiden gut getan hat.

Dieser thread ist vom Thema her besonders. Ich hoffe, das bleibt auch so.

22.03.2025 15:48 • x 7 #84


Hola15
Zitat von justawoman:
Hast du da Literatur zu oder konkrete Übungen?

Schau mal bei Verena König oder Dami Charf.
Peter Levine, Bessel Van der Kolk und Deb Dana als eher Grundlagen- Literatur. Muss nicht sein.

22.03.2025 15:50 • x 1 #85


Funkenline
Mein Vater verbrachte seine komplette Schulzeit unter dem NS-Regime und verlor seinen Vater im Krieg.

Als Kinder mussten ich und meine Geschwister uns ständig anhören, dass wir nicht alles glauben sollen, was die Lehrer im Unterricht erzählen. Eine Einstellung, die angesichts seiner Biografie verständlich erschien, mich als Kind aber sehr irritierte. Zeitlebens hegte er ein starkes Misstrauen gegenüber Obrigkeiten und trat, obwohl politisch über Jahrzehnte aktiv, nie einer Partei bei - da er sich dann gegebenenfalls einem Fraktionszwang hätte unterwerfen müssen.

Da er sehr früh den Vater ersetzen und den elterlichen Betrieb übernehmen musste, wurden ich und meine Geschwister zudem sehr früh an die Arbeit herangeführt und zur Selbstständigkeit erzogen. Sozusagen präventiv, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Was grundsätzlich ja nichts Schlechtes ist, wäre dabei nicht unsere Kindheit auf der Strecke geblieben.

Ich bin mir sicher, dass dies noch eine der harmloseren Erfahrungen ist, die wir Nachkriegsgenerationen machen mussten und teilweise noch heute machen. Mir hat das schon gereicht. Nicht auszudenken, wie es ist, wenn die Vorfahren Verfolgte bzw. Holocaustopfer waren. Mein Mitgefühl stellvertretend für dich @justawoman.

22.03.2025 15:56 • x 3 #86


Scheol
Zitat von justawoman:
Hast du da Literatur zu oder konkrete Übungen?


TRE

22.03.2025 16:11 • #87


Z
Zitat von justawoman:
Hast du da Literatur zu oder konkrete Übungen?

I
Die Stichwörter sind allgemein dysreguliertes Nervensystem. Darunter neurogenes Zittern, Atemübungen (Parasympathikus aktivieren), Somatic Tracking bei Schmerzen. Bottom up und Top down Übungen.

Somatic Experiencing taucht öfter als Begriff auf. Da weiß ich selber nicht, was damit alles gemeint ist.


Polyvagal Theorie von Stephen Porge.

Darüber Auszug von Google:
Die Polyvagaltheorie ist ein führendes Modell zum Verständnis der Rolle des Nervensystems bei Traumata . Die 1994 entwickelte Polyvagaltheorie erklärt, wie der Vagusnerv, der das Gehirn mit dem Körper verbindet, unsere Emotionsregulation, unsere sozialen Kontakte und unsere Angstreaktion beeinflusst.

Desweiteren Bücher von Alan Gordon . Z.B. Wege aus dem Schmerz.
Dr. Howard Schubiner mit Zusatz Trauma - googeln

Natürlich schulmedizinsch in D alles verpönt. Unwissenschaftlich...blablabla.

Die Amis schauen zum Glück über den Tellerrand.

22.03.2025 16:14 • x 2 #88


J
Zitat von Hola15:
Ich habe hier gerade noch das Buch „Leben mit Auschwitz“ rumliegen. Da geht es um die Enkel ihm Rahmen transgenerationaler Traumatisierung. Aber mich hat der Anfang schon wieder so betroffen gemacht, bei dem Beitrag einer noch jungen Enkelin, die in ihrer großen Loyalität mE nach von ihrem Großvater missbraucht ...

Ich habe hier auch noch diverse Bücher zu dem Thema herumliegen, die ich angefangen, aber nicht weitergelesen habe. Das ist einer meiner Fortschritte, dass ich mir nicht mehr ohne Rücksicht auf Verluste alles zu dem Thema reinziehe, sondern auf meine Grenzen achte.

22.03.2025 16:37 • x 4 #89


J
Zitat von Zaungast:
I Die Stichwörter sind allgemein dysreguliertes Nervensystem. Darunter neurogenes Zittern, Atemübungen (Parasympathikus aktivieren), Somatic Tracking bei Schmerzen. Bottom up und Top down Übungen. Somatic Experiencing taucht öfter als Begriff auf. Da weiß ich selber nicht, was damit alles gemeint ist. Polyvagal ...

Vielen Dank. Ich habe mal EFT ausprobiert. Ehrlich gesagt hatte das keinerlei Effekt bei mir.

22.03.2025 16:42 • x 3 #90


A


x 4




Ähnliche Themen

Hits

Antworten

Letzter Beitrag