Also der Thread heißt ja, Tipps um das Alleinsein zu meistern:
Ihr braucht keine Tipps. Keiner von Euch! Denn Ihr meistert. Jeder einzelne, jede Stunde, jeden Tag!
Also klopft sich jetzt mal jeder selbst auf die Schultern und ein großes Lächeln würde ich von jedem für sich jeweilig selbst auch gern noch sehen. Abmarsch zum Spiegel.
Ja und wenn das jetzt nur so ein schiefes Lächeln wird oder ein bissl halbherzig ausschaut, dann ist das jetzt so. Für den Anfang reicht das mal sehr gut.
Ja ich weiß schon, meine Definition von „meistern“ und manche hier getroffene gehen schon arg weit auseinander. Aber nochmal: jeder hier meistert das Alleinsein.
So, wer von Euch steht jetzt auf und sagt, „na Dankeschön, unter meistern hatte ich mir nun aber wirklich was anderes vorgestellt!“
Ach Mädels, ich verstehe Euch.
Aber Lektion 1: zwischen etwas schaffen und etwas vermeintlich „gut“ schaffen, gibt es natürlich dann schon so auch ein bissl Unterschiede. Nur ist das eben auch eine Frage der Perspektive, nicht!
Also stellen wir uns mal vor: @hallome , @Meer7 , @Miss Thoughty ; @Julam und all die anderen machen eine große Busreise in das „alone but not lonely-Resort“ mitten im die-Zukunft-bleibt-spannend-Land und dann ist dieser blöde Busfahrer übermüdet und kracht mit Euch volle Kanne in so einen total doofen ich-krieg-das-nie-alleine-hin-Felsen, der zweithöchste Berg im Mist-ich-hatte-mir-mein-Leben-aber-ganz-anders-vorgestellt-Gebirge.
Und natürlich hatte keiner den Sicherheitsgurt angelegt, is ja auch blöd, wenn man sich nen neuen Kaffee holen mag oder mal aufs Klo muß. Und der Bus sah ja auch recht sicher aus und so neu.
Hinterher krabbeln die Schwerverletzten aus dem Bus heraus und müssen ins Krankenhaus. Brüche, innere Verletzungen, Schnitte, Bewusstlosigkeit, dutzende OPs, das volle Programm.
So und nach den ersten Eingriffen erlangt man dann so völlig benebelt langsam wieder das Bewusstsein und ihr sitzt völlig lädiert in Euren Betten könnt grade den Suppenlöffel von der bescheiden schmeckenden Krankenhauskost heben und irgendeine Stimme aus Eurem inneren OFF sagt „wie Du kannst jetzt keinen Marathon laufen“.
Lektion 1: Gut meistern schaut sehr verschieden aus, je nachdem ob ich mit einem dreifach genagelten Bein oder im vollen Training versuche, einen Marathon zu meistern.
Hätte man sich vorher den Bus genauer anschauen sollen? Bucht man immer wieder den gleichen Anbieter, obwohl man schon beim ersten Mal nur bedingt mit dem Preis-Leistung-Verhältnis zufrieden war? Naja und das der Busfahrer jetzt vielleicht doch nicht und so… Fragen über Fragen, Gedanken über Gedanken.
Hätte ich doch… Wäre es nicht besser gewesen wenn…
Und dann noch ganz weit vorn: Wieso ich?
Einige von Euch haben laut den Posts ja Kinder… Nun, ein so-genanntes „Neues Leben“ entsteht doch auch nicht in drei Wochen oder fünf und zwischendurch darf man sich häufig übergeben, kriegt geschwollene Füße und heult immer mal wieder aus irgendeinem Grund. Ach und diese Art von Tränen oder geschwollene Füße nehme wir irgendwie anders wahr, oder?
Soviel zum Plädoyer für: gebt Euch doch bitte ein wenig Zeit.
Nun also: wie issen das so mit dem Alleinsein. Also, das mit der Selbstliebe und der Geduld mit sich selbst etc, da bin ich selbst noch immer Lernende, aber zu dem Alleinsein darf ich echt was sagen, aus Erfahrung und so.
Wie das geht? Banal formuliert durch Gewohnheit. Wir vergessen immer, dass die vertraute Zweisamkeit am Ende einer Beziehung auch viel mit Gewohnheit zu tun hat.
Mädels, die wenigstens Menschen lernen jemanden kennen und schlafen dann von jetzt auf gleich, jede einzelne Nacht nebeneinander (bewußt gesagt statt „mit“), frühstücken zusammen oder planen eventuelle Lebensmitteleinkäufe miteinander. Bis zum „Schatzi, ich war wie jeden Samstag einkaufen und hab Dir Deine Lieblingssemmel mitgebracht, weil die war im Angebot“ ist es doch bei Lichte betrachtet schon ein bissl hin.
Warum sollte das mit Beziehungsstand „in einer Beziehung mit sich selbst“ so anders sein?
Aber die Frage galt ja auch der Hoffnung: Kann man/frau eigentlich alleine ohne Partnerschaft glücklich sein. Und „falls“ (!) ja, wie geht denn das?
NATÜRLICH geht das. Im Zweifel so gar viel einfacherer. All die Energie, die man/frau vorher in ein ohnehin totgerittenes Pferd gesteckt hat, kann und darf man jetzt für etwas anderes nutzen. Das fühlt sich im ersten Moment ungewohnt an.
Um bei Krankenhaus-Vergleichen zu bleiben, manche Beziehungen sind Pflegefälle. Da rammelt man jeden Tag ins Krankenhaus, spricht mit den Ärzten, schwankt zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Der Zustand des Patienten verschlechtert sich, nur um sich dann für weitere 6 Wochen zu stabilisieren, raus aus der Intensiv und wieder rein… Und falls Heilung nicht eintritt und der Patient dann irgendwann stirbt, bleibt ein riesengroßes Loch. Nicht weil man selbst es so toll gefunden hat, ständig ins Krankenhaus zu fahren, sondern weil es eben auch zum Lebensinhalt geworden ist.
Das macht orientierungslos und falls man vielleicht bis zum Schluss gehofft hatte, der Patient möge genesen, ist man nicht nur seines Tagesablauf beraubt sondern eben auch noch mit Trauer konfrontiert.
Neben einem Plädoyer gegen die Ungeduld hier nun auch eins für die Trauer.
Ich verstehe, daß man im Grunde möchte, daß es einfach nur wieder aufhört. Niemand fühlt sich gern so. Aber ist Euch schon in den Sinn gekommen, daß nicht einfach nur negativ zu bewerten?
Ohne Trauer, Frustration, Schmerz und Unglück hätte Goethe nie den Werther geschrieben und Nirvana Songs würden sich heute wohl ganz anders anhören. Will sagen, keiner von Euch soll in der Trauer verharren, aber (Praxistip) mir hilft es manchmal, daran zu denken, daß wir ganz große Werke auch all den so gennanten „negativen“ Gefühlen verdanken.
Den größten Mut konnte ich immer dann aufbringen, als eh schon alles egal war. Manchmal hilft mir der Gedanke an all die Märchen, die ich als Kind gelesen habe, in denen es galt einen Krug voll Tränen zu sammeln und manchmal hilft mir, mich daran zu erinnern, daß heute, genau jetzt, in diesem Moment in dem ich mich unendlich klein, allein und mies fühle, der vielleicht beste Moment im Leben eines anderen ist. Denn das bedeutet gleichzeitig, daß der blödeste Moment für jemanden anders eben auch mein schönster Moment sein kann. Relativität.
Irgendwo auf dieser Welt wird gerade ein Kind geboren und irgendwo anders wird gerade eine Beziehung beendet. Wir sind nicht allein.
Nur manche unter uns waren zu sehr damit beschäftigt ein tot-gerittenes Pferd zu pflegen, als dass sie noch Kraft für die Offenheit gehabt hätten, die es braucht das zu erkennen.
So und wie war das jetzt mit der Einsamkeit? Kein Mensch auf diesem Planeten fühlt sich nicht irgendwann in seinem Leben mal einsam. Es gehört zum Menschsein dazu. Es braucht sie, um die nicht einsamen Momente wertzuschätzen. Es braucht sie, um in anderen Einsamkeit zu erkennen.
Weder die Einsamkeit noch die Trauer sind böse, sind unsere Feinde.
Sie sind. Einfach so.
Aber im Gegensatz zur Bräsigkeit des Glücks besuchen uns die Trauer und Einsamkeit nie ohne ihre Kumpels, Trotz, Mut und Kraft. Und natürlich auch Erleichterung. Ich persönlich glaube, daß nur eine Sache schlimmer ist, als alles verloren zu haben. Die Angst alles zu verlieren.
Setzt ne Menge Energie frei, wenn die nicht mehr da ist, weil schon passiert.
Also, atmet durch mit oder ohne Collier auf der Brust, sammelt die Tränen in einem Krug, denn nur so wird es Euch gelingen, den Drachen zu besiegen und erinnert Euch daran, daß jede von Euch meistert, jeden Tag.
Ach und, können wir uns vielleicht darauf einigen, daß Ihr erst mal langsam wieder zu Kräften kommt, bevor wir hier den Marathon diskutieren?
Und in neun Monaten, wenn das „neue Leben“ dann das Licht der Welt erblickt hat, dann reden wir mal über die Kinderkrankheiten die das Alleinsein so mit sich bringt.
Glaubt an Euch.
26.08.2016 18:37 •
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