@sankaty: ich empfehle Dir das kleine e-Büchlein Wie werde ich eine gute Co-Narzisstin von Angela Rudloff. Es ist nicht teuer, lade es Dir runter und lies es. Mir hat es die Augen geöffnet und sehr geholfen. Es ist witzig und traurig zugleich. Ich wusste beim Lesen nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Weil das Buch so erfolgreich war, hat Rudloff noch ein weiteres über die Opfer von Narzissmus und ein Interview mit einem Narzissten geschrieben. Ich habe alle gelesen. Aber das erste fand ich am Besten. Und es war für mich ein Schlüsselerlebnis. Ich glaube, auch Dir wird es danach besser gehen.
Ich versuche, die Kernaussagen, die uns hier in unserem Thread betreffen, zusammenzufassen: Nicht jeder gebundene Mann, der eine Affäre hat, ist ein Narzisst. Aber jeder gebundene Narzisst hat Affären. JEDER. IMMER. Und aus diesem Grund sind so viele von uns hier auch auf Narzissten gestoßen bzw reingefallen. Das war der eine Grund. Der andere liegt in uns. Dazu aber weiter unten mehr.
Rudloff beschreibt den Mechanismus in ihrem Buch hervorragend. Ich habe mich/meine Situation in allem, was sie beschreibt, wiedergefunden. Vier dominierende Eigenschaften liegen bei dem Narzissten vor - die vier Es: er ist empathielos, er ist egozentrisch (interessiert sich nur für seine Bedürfnisse, braucht Bewunderung, ständige Fütterung von außen, da er kein eigenes Selbst hat und eine ständige innere Leere, ein schwarzes Loch in sich. Das alles geht einher oft mit Lügen und Betrügen, denn der Narzisst hat nur eine niedrige Moralschranke), er ist extrem empfindlich ggü Kränkungen und er entwertet andere (das kann sich zB in Größenwahn äußern, er könne alles, denn das sei doch alles kein Hexenwerk etc pp.)
Weil der Narzisst ständig Bewunderungs-Zufuhr von außen braucht und keine Liebe empfindet (niemandem ! ggü) , genügt ihm die eine Trude, mit der er zusammenlebt nicht. Die Ehe-Trude (das Wort stammt von Rudloff, ich kannte es vorher nicht, aber es gefällt mir) hat er sich bewusst ausgesucht. Sie soll unterwürfig sein, nicht allzu gut aussehen, ihm unterlegen und machen, was er will ihm sozusagen hörig sein. Daraus zieht der Narzisst seine tägliche Selbstbestätigung, ihr ggü fühlt er sich immer als der Größte. Das braucht er, um sich im Alltag zu stabilisieren. Doch die Trude genügt ihm auf Dauer für die Bewunderungszufuhr nicht. Und deshalb sucht der Narzisst ständig Affären. Dazu braucht er geeignete Opfer. Wieso wir diese Opfer werden konnten, dazu - wie gesagt - weiter unten. Trude ist übrigens auch ein Opfer. Ein Dauer-Opfer sozusagen. Ich hab mich ja oft gewundert, warum angeblich so glückliche betrogene Gattinnen hier jahrelang wie Untote durch das Forum geistern. Nun weiß ich es. Ein Narzisst liebt niemanden. NIEMANDEN. Außer sich selbst.
Weil das Ego des Narzissten klein und schwach ist und er seine innere Leere und seine immensen Selbstzweifel nicht spüren will, sucht er sich (eine oder mehrere) Geliebte, die er erobern kann. Sie können durchaus auf Augenhöhe mit ihm sein (anders als die Trude zu Hause), denn der Narzisst plant ja von Anfang an nicht, dauerhaft mit ihnen zusammen zu leben. Vielleicht trennt er sich für eine gewisse Zeit von Trude, wenn er ein in seinen Augen besonders hochwertiges Opfer erobert hat. Aber er weiß: Trude bleibt, er kann innerhalb einer bestimmten Zeit zu ihr zurück. Und wenn er zurückkommt, dann wird Trude noch unterwürfiger sein, denn sie wird immer Angst haben, dass er sich evtl wieder von ihr trennt. Sollte Trude doch mal dank einer Therapie den Absprung schaffen, wird sie ersetzt. Aber NICHT mit der Geliebten. Denn die ist idR viel zu stark. Gesucht wird dann eine unterwürfige, pflegeleichte Trude 2.0.
Um auf der Jagd nach Bewunderung, Abwechslung, Gefühlen von Frauen, Geld oder was auch immer der Narzisst gerade braucht, erfolgreich zu sein, muss er lügen. Eine Abfuhr würde den Narzissten natürlich empfindlich kränken. Das könnte er gar nicht ertragen. Deshalb sucht sich der Narzisst ein empfängliches Opfer: eine Single-Frau oder eine, die in einer lieblosen, unglücklich oder sonstwas Ehe festhängt oder eine in einer Lebenskrise etc pp. Bei diesen betreibt er dann Love-Bombing. Die Geliebte ist begeistert, denkt sie hätte das große Los gezogen. Rudloff schreibt sooo passend: Genießen Sie den Beginn mit einem narzisstischen Mann auf Wolke 7, denn es wird nie wieder so sein. Unmerklich werden Sie abhängig von seiner Ausstrahlung, seinen Zärtlichkeiten, den Gemeinsamkeiten und der ganz, ganz großen Liebe. Das Problem: bald schon wird die Beziehung mit dem Narzissten zu einer on-off-Beziehung, er zieht sich zurück, will Abstand, ist nicht richtig greifbar, taucht ab, verschwindet mal für kurze Zeit. Das liegt daran, dass er keine echte Liebe empfinden kann und zu niemandem eine echte Verbindung hat. Echte Nähe mit einem Narzissten gibt es nicht. Sobald man mit ihm echte Nähe herstellen will, desto mehr wird er sich distanzieren. Ein Narzisst lügt. Grundsätzlich. Immer. Er will und muss Menschen manipulieren. Und das ist nur mit Lügen möglich. Das Lügen ist sozusagen seine zweite Haut.
Leider ist das Bild vom Anfang der Beziehung mit einem Narzissten im Kopf der Geliebten so mächtig, dass sie nicht wahrhaben will, dass der Mann gar keine richtige Beziehung mit ihr führt. Dass er sie nur benutzt sie aussaugt. Dass sie ihm lediglich zur Befriedigung seiner Eitelkeiten und Bedürfnisse dient. Und dass hinter seiner Fassade nichts ist außer Grausamkeit, Leere, Hass, Neid und Bitterkeit. Ein Narzisst hat nichts zu geben. Nichts. Er nimmt nur. Er braucht die Bewunderung, die Anerkennung, das Lob und die Bereitschaft der Geliebten, immer und jederzeit für ihn da zu sein. Wenn sich in dieser Hinsicht etwas ändert oder bei Kritik, ist der Narzisst weg. Dann sucht er sich genau - eine neue Geliebte. Irgendwann ist muss die eine Geliebte sowieso gegen eine neue ausgetauscht werden, denn er braucht den Reiz des Neuen. Der Charakter eines Narzissten ist so grausam, weil er nicht fühlen kann, was andere Menschen fühlen. Weil er nichts fühlt, kann er auch sehr leicht die Gefühle anderer Menschen verletzten. Die Geliebte merkt nicht, dass sie einer Illusion erlegen ist. Sie liebt ein Phantom, eine Fassade den Mann, den sie meint zu lieben, gibt es nicht. Es ist nur eine Projektion. Wenn der verheiratete Narzisst die Geliebte fallen lässt, ist sie fassungslos über seine eisige Kälte, die ihr das Blut in den Adern gefrieren lässt. Ist das derselbe Mann, der sie vor wenigen Tagen noch soooo warmherzig geliebt hat?! Mit dem sie so großartigen 6 hatte, wie noch mit keinem Mann zuvor? Wie kann das alles sein? Und warum nur macht er das? Lässt sich nicht alles klären in einem Abschluss-Gespräch vielleicht?
Ich habe versucht, das Wichtigste aus dem Buch zusammenzufassen. Alles was dort drin steht, passt perfekt auf meinen AM.
Doch jetzt kommt die entscheidende Frage: wie konnte so etwas passieren? Wie konnten so viele von uns hier in so eine leidvolle Beziehung hineingeraten? Wo liegt unser Eigenanteil?
Was hat das alles mit uns zu tun und warum sind ausgerechnet wir an so einen Narzissten geraten und zur Co-Narzisstin geworden? Warum lassen sich viele von uns hier so schlecht behandeln bzw haben sich so schlecht behandeln lassen? Warum sind wir nicht einfach gegangen, statt wie die Verrückten im Boot mit dem Kaffeelöffel zu rudern? Die Antwort darauf habe ich in dem Buch Und alles für ein bisschen Liebe von Julia Kathan gefunden. Es ist die Liebessucht unter der wohl viele Frauen hier leiden. Das ist ein umgangssprachliches Wort für emotionale Abhängigkeit, Besessenheit von einem bestimmten Mann, Fixierung auf einen bestimmten Mann ein anderer Ausdruck ist Co-Abhängigkeit, eine Beziehung, in der die Frau mehr investiert und mehr Einsatz zeigt, als der Mann. Dahinter steckt immer dasselbe: mangelnde Selbstliebe.
Was soll uns das Leiden mit dem AM über uns sagen? Es ist doch so: manche Menschen treten als irdische Helfer in unser Leben. Und manche sollen uns anscheinend knallhart unsere Defizite vor Augen führen. Uns zeigen, wo wir noch wachsen müssen. Bevor ich meinen AM kennengelernt habe, habe ich für eine Frau mit einem guten Selbstwertgefühl gehalten. Aber war für eine Selbstliebe hat jemand, der sich dermaßen schlecht behandeln lässt und dann immer noch an dem Gedanken hängt, dass vielleicht alles nur Irrtum gewesen ist! Was sagt das über mich aus, wenn ich Liebe, Ehrlichkeit und innere Verbundenheit bei einem anerkannten Betrüger suche. einem Menschen, der über seine Frau sagt, er habe sie nie richtig geliebt, er habe sie immer unterlegen und minderwertig empfunden und sie habe lediglich der Stabilisierung seines Lebens gedient. der seinen Stief-Sohn hat verwahrlosen lassen. seine Familie, Freunde, Geschäftspartner belogen und betrogen hat. Freunde nach 30 Jahren Freundschaft eiskalt hat fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. was sagt das über mich aus, wenn ich von so einem Menschen Loyalität und Verbundenheit erwarte? Ich muss zugeben: die Antwort darauf gefällt mir ganz und gar nicht. Ich habe einem Betrüger mein Herz angeboten. Und er hat es genommen, durch den Fleischwolf gedreht und mir ein Tütchen Hackfleisch zurückgegeben. Aber warum habe ich erst dort gesucht, wo die Alarmsirenen so laut und schrill waren, dass ich besser davon gelaufen wäre? Was ist das für eine merkwürdige Sucht, die mich manipulativen Worten aufsitzen lässt? Suche ich vielleicht dort, wo ich ganz sicher nichts finden werde, vielleicht gerade deshalb, weil ich gar nichts finden will?
Julia Kathan schreibt, dass sich Liebessüchtige sehr häufig in Geliebten-Beziehungen mit verheirateten Männern finden und dort sehr oft an Narzissten geraten. Warum ist das so? Nach Kathan liegt das daran, dass Liebessüchtige auf Machos stehen, das Drama lieben, Liebe und Leidenschaft für sie Unterwerfung und Erniedrigung bedeuten, Hörigkeit so eine Art Dro. für sie sei, sie den unnahbaren, beziehungsunfähigen Mann erobern wollen und die Netten, die Normalen, die sich für sie interessieren und beziehungsfähig sind, gar nicht haben wollen. Guten 6 könnten sie nur mit den schlechten Männern haben nur da würde die Liebes-Projektion funktionieren. Mit dem Drama und den intensiven Gefühlen in einer Beziehung, in der sie nicht gut behandelt werden, wollen die Liebessüchtigen die eigene innere Leere füllen (Co-Narzisstinnen) und diese Leere, das Gefühl von Einsamkeit, Ohnmacht und Hilflosigkeit, wenn die Affäre vorbei sei, entstehe dadurch, dass sie keinerlei Eigenliebe für sich hätten.
Diese Selbstliebe sei das Wichtigste, denn nur wer sich selbst liebe, könne auch jemanden finden, der einen liebt, da man immer das anzieht, was man ausstrahlt. Statt sich selbst zu lieben, sich um ihr Leben, ihre Wünsche und Ziele zu kümmern, widmen Liebessüchtige ihr Leben Dramen, Katastrophen und Krankheiten (letzteres sehe ich anders als Kathan). Kathan schlägt vor, die Liebe zunächst einmal in sich selbst zu suchen. Und dann: 80 Prozent Selbstliebe und 20 Prozent Liebe dem Mann widmen. Aus der Liebe für sich selbst würde dann auch Beziehungsfähigkeit zu einem guten Mann entstehen, weil man die schlechten Männer dann nicht mehr anziehen und sich nicht mehr in sie verlieben würde. Kontaktsperren und andere Manipulationsspielchen seien in einer ehrlichen Beziehung dann auch nicht mehr nötig.
Zu allem anderen, was Kathan noch schreibt (inneres Kind etc pp) schreibe ich jetzt nichts, weil es den Beitrag sprengen würde. Erstaunlich finde ich, dass es in diesem ganzen Forum keinen Selbstliebe-Thread gibt. Denn wie übt man Selbstliebe, setzt sie täglich um? Das ist doch gar nicht so einfach und braucht Ausdauer und Durchhaltevermögen über eine lange Zeit. Da wäre ein Unterstützungs-Thread sehr sinnvoll. Und unter mangelnder Selbstliebe leiden doch viele, die sich in Beziehungen schlecht behandeln lassen haben bzw emotional abhängig waren. Das wäre doch mal ein Schritt nach Vorne: sich in dieser Selbstliebe zu unterstützen und mit Rat und Tat zur Verfügung zu stehen. Ich wäre jetzt jedenfalls bereit dafür
An all die großartigen Frauen und Männer dieses Forums ein Gruß in die langen Sommerferien wo auch immer ihr gerade seid. Eine Tüte Trost für alle, die gerade leiden und traurig sind. Ihr seid nicht allein! Üben wir uns in Erwartungslosigkeit, Offenheit und Vertrauen in das Leben. Verwandeln wir wie die Indianer Gift in Medizin, Schwächen in Stärken. Die Lösung liegt bereits im Problem. Am Ende kommt immer alles zum Besten. Immer.