Narzissmus aus der Sicht eines Narzissten Von einem Narzissten! dachte es könnte euch interessieren.
Hallo liebe Leute.
Zunächst ein Mal möchte ich mich dafür bedanken, dass es dieses Forum gibt und dass sich so viele Menschen Zeit dafür nehmen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzten.
Zunächst würde ich gern kurz etwas zu mir und meiner Situation erzählen, anschließend würde ich dann gern erklären, welche Probleme daraus resultieren und zu guter letzt würde ich mich über Anregungen und Hilfe, natürlich aber auch Kritik oder Anmerkungen freuen.
Dann mal los: Ich bin mittlerweile 31 Jahre alt, seit Mai diesen Jahres verheiratet und nach dem Lehramtsstudium, einem kurzen Ausflug auch in den Job des Lehrers bei einem großen, deutschen Versicherungsunternehmens. Die Diagnose Narzisstische Persönlichkeitsstörung (ab jetzt NPS) liegt bei mir gute zwei Jahre zurück und der Weg dorthin war lang und steinig.
Als Schüler war ich einigermaßen gut in der Schule, musste mich nie anstrengen und hatte ein akzeptables Abi, ohne was dafür getan zu haben. Sozial war ich sehr beliebt, wenn ich auch zu Beginn meiner Pubertät eher dicklich und somit für das weibliche Geschlecht eher Kumpel als interessant war. Das änderte sich aber so mit 16, 17 nach einer Diät. Nach dem Wehrdienst ging es an die Uni und ab da begannen die Probleme. Ich studierte zwei Jahre BWL sehr erfolglos, weil ich mich noch nicht zum Lernen bequemen konnte und wurde frustiert, da bis dahin mir alles einigermaßen leicht gefallen war. Darauf folgte der Wechsel zum Lehramt, wo ich zunächst Mathe und Geschichte, später HGeschichte und Germanistik studierte. In Mathematik war ich erneut gescheitert und ich fragte mich, wie das passieren konnte, hielt ich mich doch für überaus intelligent und meinen Kommillitonen, die zwar bessere Noten hatten, dafür aber auch lernen mussten, weit überlegen.
In meinem sozialen Umfeld merkte von dieser stetig wachsenden Misere niemand etwas, konnte ich doch alles hinter einem charmanten Vorhang und einem kecken Lächeln verstecken, erzählte Lügen von bestandenen Prüfungen und ließ mich immer in dem bestmöglichen Licht dastehen. Dies ging so weit, dass ein halbes Jahr lang niemand etwas von meinem Wechsel von Mathe zu Germanistik erfahren hatte. Was sollten die Leute denken? Mir, dem alles leicht fiel (Freunde, Frauen, gut im Sport, usw.) gelang etwas nicht? Niemals sollte diese Schwäche rauskommen! Es ging so weit, dass ich aus dem Haus zu angeblichen Vorlesungen ging, während ich mich tatsächlich in der Mensa oder einem Cafe verkroch. Irgendwann lasteten die Lügen zu sehr auf mir und ich ging zur psychologischen Beratungsstelle meiner Uni, wo man nach langer Therapie die Diagnose Depression stellte. Und ganz ehrlich, das gefiel mir! So hatte ich eine Ausrede für mein Versagen, so bekam ich Mitleid und Aufmerksamkeit, fühlte mich auch irgendwo wichtig. Depression, so sagte ich mir, ist bestimmt die Folge meiner Tiefgründingkeit. Jaha, mein Kopf ist halt was besonderes.
All das änderte sich vor zweieinhalb Jahren, als ich eine Frau kennenlernte, die ich jetzt geheiratet habe und die der Grund ist, warum ich hier schreibe. Beim Kennenlernen erzählte ich ihr, dass ich gerade mein Examen machte (was nicht stimmte), dass ich Ehrlichkeit für unerlässlich hielt (stimmt noch weniger) und viele weitere Mosaiksteine, die mich bestmöglich dastehen ließen. Wir verliebten uns, überbrückten eine räumliche Trennung von 200 Km und sahen uns wann immer es ging. Ich erzählte von meinen Heldentaten an der Uni, im Sport usw und merkte gar nicht, was für ein Lügengespinst ich wieder aufbaute, nur um die Bestätigung von ihr zu bekommen, nach der ich so sehr lechzte. Nach einem halben Jahr war damit Schluss, denn zum ersten Mal durchschaute jemand meine Fassade. Mir wurden unbequeme Fragen gestellt, ich wurde unsicher, war nicht mehr so toll wie sonst, sondern verwandelte mich ihr gegenüber in den unsicheren Menschen, der ich im inneren bin. Sie drängte mich zu einer erneuten Therapie und die Diagnose war NPS. Ich hatte davon noch nie gehört, aber meine Freundin recherchierte und fand die zahllosen Meldungen derer, die unter einem NArzissten zu leiden hatten. So ein quatsch, dachte ich mir, ich bin nicht so. Klar, ich bin nicht so zuverlässig und natürlich finde ich Bestätigung toll, wer denn nicht? Diagnose abgehakt, Leben geht weiter.
Aber es geht und ging nicht mehr weiter. Meine Frau geht an mir kaputt. Wir haben geheiratet, weil ich sagte, ich ändere mich. Ich will nicht mehr lügen, nicht unzuverlässig sein, nicht anderen Frauen mit charmanten Bemerkungen den Hof machen, nur um zu hören, wie toll ich bin... Aber so funktioniere ich nicht. Kriselt es ein wenig zwischen meiner Frau und mir, so schwindet mein Selbstbewusstsein so sehr, dass ich jedes Mittel nutzen würde um mir Selbstbestätigung zu holen. Versteht mich nicht falsch, ich würde meine Frau körperlich nicht betrügen, aber seelisch mach ich es andauernd. Der Narzisst in mir akzeptiert die Ablehnung nicht, die entstanden ist, weil mein geschauspielertes ich durchschaut wurde und wendet sich ab. Ich lüge, verspreche, mache und tue um die Anerkennung meiner Frau zu bekommen... aber mach ich was sinnvolles? Nein. Mein Kopf sagt mir, verlass die Frau, sie will es nicht, sie mag dich nicht und auch es ist besser für sie. Mein Kopf will den leichten Weg... und ich versuche mich zu wehren, aber es fällt mir schwer. Meine Frau leidet furchtbar unter mir, unter meinem Egoismus (den ich nicht sehe), meiner Arroganz (die ich nicht fühle), meinen Lügen (die ich ja nie so meine) und meinem Instinkt, immer den leichten Weg zu gehen. Was macht man, wenn seinem eigenen Kopf nicht trauen kann?
Ich hoffe, dass das alles nicht zu ausführlich war und ich niemanden gelangweilt habe und bin gespannt auf Kommentare und Anregungen.
Beste Grüße: