Lieber (s) Silvester,
ich mochte dich immer sehr. Du warst mir immer wichtig. Jedes Mal, wenn deinetwegen Raketen in den Himmel abgefeuert wurden, überkam mich dieses wohle Gefühl. Mein Partner hielt mich in den Armen, schaute mir liebevoll in die Augen und wir wünschten uns ein gesundes friedvolles neues Jahr. Wir lachten, wir tanzten, wir hatten Freude an uns. Am nächsten Morgen standen wir gemeinsam auf, spazierten ein wenig verkatert durch die Stadt und lachten Hand in Hand. Selbst als durch dich meine Gartenmöbel auf meiner Terrasse abbrannten, mochte ich dich immer noch. Ich regelte das mit der Versicherung, mein Partner stand mir zur Seite und war mir eine große emotionale Unterstützung. Ein wunderschönes Gefühl, vom Partner in den Arm genommen zu werden, und zu spüren, alles wird gut!
Aber Silvester, was ist denn nur passiert? Wolltest Du mich die letzten Jahre testen? Ich überlege, ob Du es warst, der mir dann den Mann, den ich aus der Schule kannte, 23 Jahre später schickte? Wolltest du nicht, dass ich bei dem Mann bleibe, mit dem ich 5 Jahre lang Seelenfrieden, Liebe und schönste Silvesterfeiern hatte?
Ich verliebte mich in den Mann aus meiner USA Schulzeit. Meine Augen glänzten, wie Feuerwerkskörper, mein Herz liebte wie nie zuvor und ich wurde der reinste Liebeskaspar. Aber der Glanz verschwand nach der Hochzeit.
Wen hatte ich denn da an meiner Seite? Zu einem schönen Abend mit dir, liebes Silvester, kam es nicht mehr. Ich war blind, oder? Habe ich vor lauter Liebe diesen innerlich zerstörten Mann nicht sehen können, der damals an meinem Geburtstag einen Streit provozierte, mich anschrie, weil ich ein für ihn zu teures Ticket fand, was für den Besuch seiner Tochter in Deutschland gedacht war? Warum schreit mich denn jemand an, dem ich behilflich war? Warum gerät jemand wegen so einer Kleinigkeit in Rage? Vielleicht um an meinem speziellen Tag nicht mit mir essen gehen zu müssen? Und warum war mein Mann gegen Abend immer noch im Schlafanzug, und machte keine Anstalten sich für das versprochene Geburtstagsessen fertig zu machen? Weil er noch sauer war. Oder wütend? Du weißt ja noch, liebes Silvester, dass ich mich dann hübsch zurecht machte, und alleine in das Restaurant ging. Mozzarellasticks und ein Glas Prosecco. Das hübsche Ambiente war immer wieder so verschwommen, und mein Kloß im Hals versperrte den Sticks den Weg zum Ziel. Die Kellnerin war sehr lieb, gratulierte mir, und stellte keine unangenehmen Fragen.
Wieder zuhause, Wohnzimmertür verschlossen. Ich ging zu Bett, Mann auf der Couch. Nächsten Tag zur Arbeit. Danach noch schnell was einkaufen. Nachhause. Keiner da. Keine Sachen von ihm zu finden. Im Mülleimer, alles was ich ihm geschenkt habe. Hinsetzen. Kopf sortieren. Robotermodus einschalten. Eine Woche unter Schock. Dann der Zusammenbruch.
Ich habe NIE wieder etwas von ihm gehört.
Du musst verstehen, Silvester, ich habe mich nicht auf dich freuen können, obwohl du mir so wichtig warst. Mir wurde der Boden unter den Füßen weggerissen.
Und so ließ ich mich doch von einer Freundin und ihrem Freund überreden, das alte Jahr in der Heimat ihres Freundes abzuschließen. Außerdem hat er ja einen Freund, den ich kennenlernen sollte; ich wär ja die perfekte Frau für ihn…
Oh, Silvester, ich freute mich wieder ein wenig auf dich. Der Mann, der uns dann am Flughafen abholte sollte DER Mann sein? Ja, er war groß, aber ganz und gar nicht mein Typ. Wir fuhren zu dem Haus des Freundes. Dann lud mich dieser Mann auf eine Harleytour ein, und wir verschwanden in der Nacht. Sightseeing, Bars, Strand, Mondschein, reden, küssen.
Zurück zum Haus, albern, kichern, lachen, und……
Warum ist mir denn da nicht schon aufgefallen, dass er über seine EX EX sprach. Die tolle Frau. Und die jetzt EX? Die böse Frau.
Na, egal, ich habe eine tolle Nacht mit dir gehabt, liebes Silvester. Tolle Leute kennengelernt. Ein neues schönes Leben sollte beginnen. Altlasten über Bord, ich fand den neuen Mann auf einmal toll, und er mich. Und wir waren 2 Seelenverwandte, die sich gesucht und gefunden haben.
Liebes, Silvester, es geht mir gar nicht darum, dir Vorwürfe zu machen, aber ich verstehe nicht, warum er beim 2. Jahreswechsel einen Streit aus dem Nichts vor einem Club hervorrief, ein Taxi bestellte und mich mit den Worten „kannst ja mitkommen“ stehen ließ. Ehe ich reagieren konnte, war er schon weg. Und ich stand verdattert mit dem Pärchen, was wir kennenlernten da. Und sie schauten mich fragend an. Als ich früh morgens nachhause kam, saß er vor dem PC und skypte mit allen und jedem. Mehr als ein „na?“ hatte er nicht übrig. Am nächsten Morgen lud ich ihn zu einem außer Haus Brunch ein. Es würde alles wieder gut werden, und es würde ihm gefallen. Ist nicht so schlimm, dass er mir völlig verkatert gegenübersaß und kaum redete.
Und beim 3. Jahreswechsel waren wir in seiner Heimat. Bei seinen Freunden. Ich mochte sie sehr. Kannte sie schon von vorherigen Besuchen. Ich bemühte mich mit meinen paar Brocken italienisch, und sie sich mit ihren paar Brocken englisch. Auf einmal war er weg. Ach, er kommt bestimmt gleich wieder. Nach einer Stunde fragte ich, wo er sein könne. Vielleicht im Haus neben an, da feiert die Tochter der Freunde mit ihren Bekannten Silvester. Dann geh ich mal in meinem feierlichen Outfit durch´s Geröll und schaue nach. 5 vor Mitternacht. Danke für den Wink, Silvester, wär ich nicht rübergegangen, hätte ich ohne ihn anstoßen müssen. Aber da saß er. Feiernd am Tisch. Mit freiem Oberkörper und einem Damen BH um den Hals.
Der nächste Jahreswechsel steht an, und ich habe entschieden, dem keine Bedeutung mehr beizumessen. Ich brauche dich nicht mehr, Silvester. Ich habe keine Angst mehr vor dir. Keine Angst vor einem einsamen Jahreswechsel. Ja, die letzten 2 Male war ich gemeinsam einsam, aber diesmal werde ich mit MIR zusammen sein. NUR mit mir. Ich habe mich ganz bewußt dazu entschieden.
Ich werde mich hübsch anziehen, Fondue machen und eine Flasche Sekt trinken. Nein, ich bin nicht allein. Ich bin mit mir. Ich werde dem Universum kurz vor Mitternacht meinen Brief vorlesen. Einen Abschiedsbrief an alle Altlasten. Ich werde mich von der Illusion verabschieden, mit der ich schöne Zeiten verbrachte, und dem Menschen, der meine Seele vergewaltigt und mein Vertrauen missbraucht hat.
Alle Tränen, die ich vergießen werde, sind die letzte Reinigung. Aller Kummer, der noch übrig ist, wird heraus geschwemmt werden. Ich werde dreckbefreit mit hoch erhobenem Kopf in das Jahr 2014 schreiten. Wie Phoenix aus der Asche.
Ich habe keine Angst mehr vor dir, Silvester. Ich freue mich wieder auf dich.
Deine Freundin
27.12.2013 09:18 •
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