Hallo!
Ich hab den ganzen Thread durchgelesen (und auch die anderen zum Thema Partner mit ADHS) und klinke mich mal ein.
Ich bin ja auch hier, weil mein Partner mich nach 7 Jahren von heute auf morgen verlassen hat. Total brutal und ohne Vorwarnung. Das ist jetzt mehr als ein Jahr her, aber richtig Ruhe ist erst seit drei Monaten. Jetzt fange ich an mich zu erholen. Aber das Warum beschäftigt mich immer noch.
Viele im Forum hier meinen ja, es ist völlig egal, warum eine Beziehung den Bach runter gegangen ist. Dann hätte es halt nicht gepasst, oder man solle halt seine eigenen Anteile suchen. Stimmt ja wahrscheinlich auch, aber es gibt Beziehungen, die lassen einen völlig fertig zurück mit lauter Fragezeichen.
Es war ja nicht meine erste Beziehung, die nicht funktioniert hat. Aber die anderen gingen mehr oder weniger freundlich auseinander. Man versuchte, sich so wenig wie möglich zu verletzen. Und eigentlich hat es sich seit langer Zeit abgezeichnet.
Meine letzte war aber nicht so. Die war sehr anstrengend. Ein dauerndes Auf und Ab. Jede Menge Drama und Chaos. Er war egoistisch, wankelmütig, unzuverlässig, impulsiv, aufbrausend und oft mürrisch. Aber er konnte auch anders. Dann war er humorvoll, liebevoll, interessant und unterhaltsam.
Aber es war halt ein ständiger Kampf mit ihm. Er wirkte oft zerstreut und vergesslich. Alles und alle anderen hatten Priorität. Ich kam mir oft vor, als spielte ich kaum eine Rolle in seinem Leben. Dann war er wieder total anhänglich. Er hörte nicht zu. Interessierte sich für nichts, was ich machte. Er spielt stundenlang Ballerspiele am Computer, braucht laute Musik, hängt ständig am Handy, der Fernseher oder das Radio laufen. Ablenkung nonstop. Schnell wird ihm alles langweilig. Das war alles sehr anstrengend, aber auch irgendwie anregend. Er agiert total impulsiv und unüberlegt. So hat er sich wohl auch sofort in eine Affäre gestürzt, als sich die Gelegenheit bot. Dann war er weg, denn die Neue war wieder aufregend und interessant.
Ich hab das alles nicht verstanden. Weil ich wirklich alles gegeben habe, damit diese Beziehung funktioniert. Ich hab ihn so genommen, wie er war. Aber es war ihm alles einfach nicht genug. Auch Nähe konnte er nicht wirklich aushalten. Und Ruhe und Frieden schon gar nicht.
Nachdem mein Leben von einem Tag auf den anderen implodiert ist, habe ich verzweifelt angefangen nach einer Antwort zu suchen. Was habe ich falsch gemacht? Hätte er noch mehr Freiraum gebraucht? Hätte ich ihm noch mehr Abwechslung bieten können? Er hat mir ja auch alle Schuld am Scheitern gegeben.
Aber ich konnte bei aller Selbstkritik keine echte Ursache bei mir finden, sondern sein Verhalten war einfach für mich unerklärlich. Irgendwann bin ich im Internet auf den Begriff Narzissmus gestoßen und dachte mir, dass wäre es. Vielleicht ist er einfach ein Narzisst, dem alles und jeder egal sind. Aber so ganz passte das auch nicht.
Dann ist mir eingefallen, dass ich mir gleich zu Beginn unserer Beziehung dachte, dass er vielleicht ADHS hat. Vor allem, da auch sein Vater, sein Bruder und sein Neffe eindeutige Anzeichen zeigten. Vor allem bei seinem Neffen, der noch ein Kind ist, war es nicht zu übersehen. Aber alle waren nie in Behandlung. Hatten nie eine Diagnose bekommen. Also hab ich das dann irgendwann wieder vergessen. Aber die Familie war einfach anders.
Aber jetzt habe ich zufällig in einem Buch ein Kapitel über ADHS gelesen und da fielen mir die vielen Parallelen auf. Ich möchte niemanden diagnostizieren, das steht mir nicht zu. Aber ich denke mittlerweile, dass es vielleicht viele Erwachsene gibt (vor allem ältere, in deren Jugend ADHS noch gar nicht bekannt war), bei denen ADHS niemals erkannt worden ist. Und die kämpfen offenbar heute als Erwachsene mit den Symptomen, haben ihre eigenen Mechanismen entwickelt, damit fertig zu werden und erscheinen für andere halt oft als schwierig und nicht beziehungsfähig.
Vor allem die für Kinder typische Hyperaktivität (Zappelphilipp) scheint bei Erwachsenen mehr in einer Form von innerer Unruhe vorzuliegen. Mein Ex musste sich immer irgendwie beschäftigen. Aber nicht still mit lesen, sondern immer was mit Action. Und wenn er mal still dasaß, dann schaute er Lets play-Videos am Tablet.
Schwierig ist auch, dass sie nicht Zuhören können. Einen niederreden oder ständig unterbrechen. Gerade in einer Beziehung ist das fatal, weil man da schon mal Dinge besprechen und auch gehört werden möchte.
Die fehlende Impulskontrolle war für mich auch ein Problem. Er hat immer alles spontan und unüberlegt gemacht. Alles musste er sofort haben. Wenn er etwas nicht bekam, dann konnte er endlos rumnörgeln wie ein Kleinkind.
Und das Schwarz-Weiß-Denken macht es auch schwierig, wie ihr schon geschrieben habt. Heute wird man geliebt und ist die Traumfrau, morgen wird die ganze Beziehung in Frage gestellt, wenn mal was nicht so läuft. Heiß und kalt die ganze Zeit.
Stimmungsschwankungen sind auch so ein Thema. Total aufgekratzt in einem Moment, verschlossen und grantig im nächsten.
Gleichzeitig war mein Ex aber auch so liebenswert und intelligent. Ich hab mich oft gefühlt, als säße ich in einem Sturm. Manchmal dachte ich, wir schaffen es, wenn er eine zugängliche und ruhige Phase hatte. Dann wieder der Wechsel. Und schlussendlich das brutale Ende, das mir sehr zu schaffen macht.
Im Nachhinein denke ich mir, ich hätte gar nichts machen können. Ich hab ihn geliebt, so wie er war. Aber er konnte halt nicht.
Ich weiß nicht, wie sein Leben weiter verlaufen wird. Ob sich seine neue, junge Freundin damit arrangieren wird, wie er ist. Ich glaube, es würde helfen, wenn er sich selbst einmal infrage stellen würde. Aber das macht er nicht. Für ihn sind immer die Partnerinnen Schuld, dass wieder eine Beziehung nicht geklappt hat (und ich war ja nicht die erste). Meine Beziehung mit ihm war mit 7 Jahren seine bislang längste.
Vielleicht hätte es etwas geholfen, wenn ich meinem ersten Eindruck, dass er ADHS hat, nachgegangen wäre. Vielleicht hätte ich es geschafft, ihn zu einer Therapie zu bewegen. Vielleicht, vielleicht, vielleicht.
07.10.2019 17:50 •
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