Zitat von HeikoA13: Könnte jedoch auch sein, das meine Bindungs-Angst größer ist, als gedacht.
Und bis vor 3 Wochen wusste ich noch gar nix über Bindungsangst.
Jetzt hab ich es aber erlebt
Tja, das ist das Los der Bindungsvermeider. Sie verspüren oft eine große Sehnsucht nach einer Liebesbeziehung mit viel Nähe, Vertrauen und Beständigkeit und stellen sich das wunderbar vor. Endlich mal irgendwo ankommen und sich wohl und aufgehoben fühlen. Wie schön wäre das!
Dann kreuzt ein/e potentielle/r Partner/in den Weg und es stellt sich Verunsicherung ein. Passen wir wirklich zusammen, am liebsten würde ich gleich alles mit ihr oder ihm teilen, aber ist das nicht alles ein wenig zu viel Gefühlsüberschwang?
Dann stellt sich heraus, dass - oh was für ein Glück - dieser neue Mensch im Leben ebenfalls etwas Festes anstrebt und wenn das dann der Bindungsängstliche instinktiv erspürt, schlägt das Pendel um. Und wie bei einem Automatismus, bei dem ein bestimmtes Knöpfchen gedrückt wurde, spürt der Vermeider, dass ihm jetzt schon alles zu viel wird und geht auf Distanz. Das Engagement lässt spürbar nach, weil der Betroffene jetzt auf einmal seine Unabhängigkeit und Ungebundenheit in den Vordergrund stellt. Schleppt sich die Beziehung dennoch weiter, so wird daraus ein Eiertanz aus aktiven und passiven Bindungsvermeider.
Der aktive verteidigt seine gefühlte Freiheit mit Worten (die auch verletzend sein können) und Taten (z.B Abtauchen, den Anderen im Ungewissen lassen, auf Fragen verschwurbelte Antworten geben, die alles und nichts bedeuten, selbstständige Unternehmungen, über die man den Partner wenn es hoch kommt, gerade noch informiert, aber gleichzeitig signalisiert, dass man ihn nicht dabei haben will usw.). Am Ende kommt es noch zur Abwertung des Partners. Ach die oder der, ja, er/sie ist ja sehr liebevoll und sehr bemüht sich nach mir zu richten, aber dennoch geht mir diese Anhänglichkeit, um nicht zu sagen Affenliebe, gehörig auf die Nerven. Ein aktiver hat oft ein hübsches Repertoire an Nähe vermeidenden Mechanismen.
Und der passive läuft quasi hinterher, macht und tut, um den Partner im Orbit zu halten und entwickelt auch seine Mechanismen, mit der gefühlten Misere umzugehen. Er begibt sich auf den Pfad der Hoffnung. Wenn ich nur schön brav abwarte, nicht zu viel verlange, keine deutlichen Forderungen ausspreche, dem Partner nicht auf die Nerven gehe mit meiner Bedürftigkeit, dann wird er ...eines Tages. Nur dass eines Tages nie kommt.
Es entstehen Konflite, die entweder offen oder verdeckt ausgetragen, aber nicht gelöst werden. Es kommt zu Frust und Enttäuschung und letzendes zu einer Ermüdung. Am Ende steht die Trennung, die meist vom aktiven ausgesprochen wird, denn er wollte ja schon lange wieder seine Ruhe haben. Bloß dass ihm die auf Dauer dann auch nicht gefällt, weil die Einsamkeit auf längere Sicht auch nicht glücklich macht.
Insofern ist es besser, solche Beziehungen erst gar nicht anzufangen und den/die Partner/in nicht erst hinzuhalten. Aber natürlich ist der nun doch enttäuscht. Denn erst sah doch alles so vielversprechend aus, wir hatten doch gemeinsame Interessen, unsere Treffen waren doch schön und harmonisch und nun das!
Traurig, aber Bindungsvermeider sind so und gehen aufgrund innerer Mechanismen oft auch unempathisch und rücksichtslos vor, denn die Eigenständigkeit des aktiven Vermeiders darf nicht eingeschränkt werden.
Der spürt nur, dass der Partner Gas gibt, Erwartungen hat, Unternehmungen vorschlägt, aber auf einmal will er das alles doch gar nicht mehr. Es wächst ihm über den Kopf und eine innere Abwehrreaktion tritt ein.
Das alles findet im Unterbewusstsein statt, denn dort sind die Bindungsängste angesiedelt, die man meistens schon in der Kindheit erworben hat .Instabile familiäre Verhältnisse, Trennungen der Eltern, plötzliche Abwesenheit enger Bezugspersonen oder eben auch ein falsches Erziehungsmuster, das dem Kind unbewusst beigebracht wird. Liebe und Bestätigung gegen Leistung, was für das Kind heißt, für ein bißchen Lob und Bestätigung muss ich mich schon anstrengen, etwas bringen und das tun, was Mama und Papa von mir erwarten. Es gibt noch weitere Fehler, die Eltern machen können wie ein Kaltstellen des Kindes, mangelnde Berücksichtigung der kindlcihen Bedürfnisse. Das Kind erfährt sehr früh, Bindungen sind problematisch und konfliktbeladen und überhaupt bin ich sowieso nicht gut genug. Wäre ich anders, würden sie mich vielleicht lieben, aber so...? Und so wird in einem verankert, dass man Bindungen lieber aus dem Weg gehen sollte, denn sie werden einem zwangsläufig weh tun.
Das alles wird im Lauf der Zeit ins Unterbewusstsein verlagert, also verdrängt, weil man es nicht spüren will. Aber das Unterbewusstsein ist kein hermetisch abgeschlossener Raum, sondern eine sehr mächtige Instanz und steuert uns eben unbewusst mehr als wir glauben. Hinter bindungsvermeidenden Verhaltensweisen stehen immer Ängste, die sich maskieren, aber wer verspürt schon gerne Angst?
Und auch der passive ist mit im Boot, denn welcher Mensch mit einem klaren Verstand würde sich eine Beziehung mit einem aktiven Vermeider freiwillig antun? Keiner, aber der ist eben auch gesteuert von denselben Ängsten, die sich hier nur anders maskieren. Nämlich in Anhänglichkeit, dem Bestreben, die fragile Beziehung um jeden Preis zu halten, Hinterherlaufen und natürlich auch dem Aushalten von Enttäuschung. Irgendwann muss er mich doch lieben, ist das Mantra, das verfolgt wird. Und das wiederum geht ja nur mit dem aktiven Bindungsvermeider, denn dem kann man gefühlt gefahrlos hinterher laufen. Auf der bewussten Ebene ist eine große Sehnsucht nach Beziehung spürbar, aber der passive sucht sich unbewusst, aber pfeilgerade einen Partner, mit dem genau das nicht möglich ist. Dem Unterbewusstsein ist das egal, ob der Mensch auf der bewussten Ebene Enttäuschung und Traurigkeit empfindet, es lehnt sich bequem zurück und sagt sich: Passt alles, soll sie oder er sich abstrampeln , mir egal, Hauptsache es gibt gar keine Beziehung, die diese Bezeichnung verdient.
Solche Menschen können oft keine gesunden Beziehungen halten und stehen sich selbst im Weg, was sie nicht merken. Zwar würde man sich ja eine Beziehung wünschen und all das, was dazu gehört, aber wenn man es dann haben könnte, macht man es sich wieder kaputt, weil die unbewussten Mächte das Steuer übernehmen.
Und es ist sehr schwierig und langwierig, Bindungsängste abzulegen. Oft geht das nur mit einer langen, tiefenpsychologischen Behandlung, für die es einen geeigneten Therapeuten bräuchte.
Und so bleibt es meistens dabei, dass jeder sein inneres Programm weiter abspult, denn Änderungsbedarf wird nicht gesehen. Nur dann, wenn die innere Verzweiflung groß genug ist, aber da gibt es ja auch andere und bequemere Wege. Da bleibt man halt wieder allein, bis der nächste potentielle Partner den Weg kreuzt, mit dem sich alles gut anfühlt, ehe das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlägt.
Man kann schon was für sich tun, sich z.B. erinnern an uralte Gefühle, an Situationen von innerer Einsamkeit und Zusammenhänge herstellen, denn Bewusstwerdung ist auch hilfreich. Was für auf die bewusste Ebene holen können, steuert uns weitaus weniger, weil wir diese Gefühle besser einordnen können. Man kann lernen, damit umzugehen, aber es ist ein langer Weg.
Der Wunsch nach Bindung ist seit Urzeiten im Menschen angelegt, denn ohne Beziehungen hätten frühzeitliche Menschen nicht überleben können. Sie mussten in Gruppen, Sippen zusammenleben, sich arrangieren, Konflikte austragen, um Erfolg zu haben. Das steckt immer noch im Menschen drin, aber Manche tun sich damit sehr schwer. Heute macht es nichts mehr aus, wenn man allein lebt, aber auf lange Sicht ist es meistens auch nicht befriedigend.
Wenn Du magst, informiere Dich über Bindungsängste und darüber, wie sie sich äußern. Es gibt zahlreiche Bücher darüber und auch im Internet wirst Du fündig. Man kann sie durchaus erkennen, aber mit der Bewältigung sieht es oft schlecht aus.
Ich habe das Buch Jein. Bindungsängste erkennen und bewältigen von Stefanie Stahl gelesen und fand dort meine Beziehung mit einem aktiven Bindungsvermeider gut geschildert. Die Mechanismen ähneln sich immer stark. Aber die Tipps zur Bewältigung sind dann doch dünn und wenig hilfreich. Und ein gelesenes Buch informiert, führt aber keine Änderung von eingepflanzten Ängsten herbei. Aber es wäre ein Anfang sich selbst auf die Schliche zu kommen.