Hallo,
nach fast sechs Jahren ist es mir nun auch passiert: Ich wurde von meinem Freund verlassen. Es war wie ein Schlag ins Gesicht, kam vollkommen unerwartet.
Wir führen seit einem Jahr eine Teilzeitfernbeziehung, das heißt, er ist immer für 4 Monate in einer anderen Stadt, danach hocken wir vier Monate komplett auf 38 Quadratmetern aufeinander. Wir hatten auch ziemlich Probleme dadurch, und ich konnte ihm das lange nicht verzeihen, dass er den Job angenommen hat, der ihn 600 km weit weg von mir brachte, während ich hier mit meinen eigenen Problemen allein sitze und irgendwie klarkommen muß. Und Probleme hatte ich hier genug, ganz unabhängig von ihm. Aber ich nahm es ihm übel, dass er sich nicht um mich kümmern konnte. Als er dann wieder nach Hause kam, regte ich mich über Kleinigkeiten auf, da ich es nicht mehr gewohnt war mein Leben komplett zu teilen, z.B. über liegengelassene Klamotten.
Ich bin über die letzten 1 1/2 Jahre über meine eigene Probleme immer gastiger und unentspannter geworden, und ich gab ihm die Schuld daran, obwohl er nichts dafür konnte. Aber es war so leicht, und für mich in diesem Moment so klar: Er hätte mir helfen müssen, und er war nicht für mich da, obwohl ich für ihn da war, als er Probleme hatte. Und er war nicht da. Das führte zu ständigen Vorwürfen, auf die alle unsere Streits hinausliefen. Selbst im Urlaub haben wir uns hefitg gestritten
Nun ist es auch so, dass wir von Anfang an wußten, dass wir zwei völlig unterschiedliche Menschen sind. Wir haben ein ganz anderes Streit- und Trostverhalten. Ich gehe sehr schnell in die Luft, und er hat mir immer Zugeständnisse gemacht und alles in sich hineingefressen. Es hat ihn über die Jahre zermürbt, ohne dass er es sich aht anmerken lassen, weil er so ein introvertierter Mensch ist.
Am Freitag, als er wieder nach Hause kommen sollte, stellte er mich überraschend vor vollendetete Tatsachen: Er hatte sich in eine Kollegin verliebt. Und auch, wenn da bis jetzt nichts weiter passiert ist zwischen ihnen und wenn er nichts mit ihr anfangen wird in nächster Zeit, kann er sich diese neuen Gefühle nicht verzeihen. Ich nehme ihm diese Gefühle nicht mal übel. Ich bin von Natur aus glücklicherweise nicht eifersüchtig und habe das selbst schon in einer anderen Beziehung erlebt. Daher kann ich damit zum Glück gut umgehen.
Wir haben übers Wochenende einen Neustart versucht, den er bereits am Montag abgebrochen hat, da er von Gefühlsschwankungen geplagt wird und siene Meinung ständig ändert.
Es läuft darauf hinaus, dass er die Streits zwischen uns nicht mehr erträgt. Als harmoniebedürftiger Mensch hat er immer zurückgesteckt und über Jahre alles in sich hineingefressen.
Ich habe ihn angefleht, es noch mal mit mir zu versuchen, und er denkt bis Montag darüber nach, weil es für ihn auch nicht einfach und er sehr unglücklich ist. Diese Wartezeit macht mich verrückt. Wir stehen über Mail in Kontakt, wobei ich nicht weiß, ob das so gut ist in dieser Situation. Aber es hilft, wenigstens ein bißchen von ihm zu hören.
In den letzten Tagen ging es mir immer schlechter, und ich habe mit vielen Leuten geredet, auch mit einer Psychologin. Und plötzlich erkenne ich, wie viel schief gelaufen ist, was ich zuvor gar nicht gesehen habe. Ich weiß jetzt, dass er sich nicht durch seinen Weggang schuldig an meinem persönlichen Unglück im Studium gemacht hat. Ich weiß auch, dass ich -egal wie er sich entscheiden wird- unbedingt Hilfe brauche, um aus meiner persönlichen Krise wieder rauszukommen. Und ich bin bereit dazu. Aber mit dieser Erkenntnis bin ich mir auch sicher, dass wir beide es in einem neuen Versuch miteinander schaffen können, weil ich jetzt so viele Dinge erkenne und verstehe. Ich will die Chance, es besser zu machen.
Ich habe aber auch so schreckliche Angst, dass es bereits zu spät ist, und dann waren die sechs Jahre umsonst, und alle unsere gemeinsamen Pläne, bald zu heiraten und Kinder zu bekommen. Das haben wir bereits so geplant, bevor er in die andere Stadt zog. Ich erkenne jetzt, dass ich mein ganzes Leben auf diesem Mann abgestimmt habe, ohne mich ihm anzupassen.
Ich weiß einfach nicht, wie es ohne ihn weitergehen kann, obwohl es weitergehen wird. Aber auch dieses Wissen hilft mir nicht aus meiner tiefen Trauer. Und die Hoffnung, dass er sich für mich entscheidet, will ich nicht zu groß werden lassen aus Angst vor einer Enttäuschung.
Ich wollte mir das hier einfach mal von der Seele schreiben. Ob es was hilft, weiß ich noch nicht.
Grüße aus einem Berliner Krisenherd.
06.09.2007 07:00 •
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