Sorgsamer Umgang mit den Gefühlen des Anderen

C
Sorgsamer Umgang mit den Gefühlen des Anderen – diese Regel vereinbarten wir.

Am Anfang einer Beziehung, die begann wie in einem Roman von Rosamunde Pilcher. Das Ende ähnelt eher einer schlechten Vorabend- Soap und ich habe eine ungewollte Rolle darin.

Getroffen in einem Chat vor knapp 5 Jahren, so fasziniert voneinander, dass nächtelangen Telefonaten, einem kurzen Sehen und Berühren in Deutschland, eine Wochen in New York folgte und das den Beginn einer wundervollen, lebendigen (Fern)-Beziehung einläutete.

Eine sehr intensive, nahe Beziehung, in der wir die Woche mit täglichen Abendtelefonaten überbrückten. Ich habe ihn als gefühlvollen, zärtlichen Partner; als klugen, interessanten, charismatischen Mann an meiner Seite geschätzt und war sehr glücklich, ihm begegnet zu sein.

Es gab auch andere Facetten, die das Leben mit ihm schwierig gestalteten. Er ist kein werteorientierter Mensch, beschreibt sich als Egozentriker, hatte ein ganz eigenen Blick auf die Welt. In seiner langjährigen Ehe hat er seine Frau mehrmals ‚platonisch’ betrogen. Suchte das Gefühl der ständigen Verliebtheit. Ein Verhalten für mich unvorstellbar. Ich vertraute, da ich liebte.

Meine berufliche Entwicklung hat in dieser Zeit einen sehr dynamischen Trend erfahren. Bei ihm dagegen, ist eine Plateauphase – auf einem allerdings sehr hohem Niveau – eingetreten. Bei abendlichen Telefonaten nahmen meine beruflichen Themen mehr und mehr Raum ein.

Meine Intuition zeigte mir irgendwann schmerzlich, dass er sich zurückzieht, warum auch immer. Ich schob das auf eine persönliche Krise, das Stagnieren seiner Karriere, die Probleme mit seinen beiden Kindern, die obwohl schon über 20 ohne Ausbildung und lebensuntüchtig. Auf nicht vorhandene Ziele in seinem Leben.

Ich fragte ihn, ob er noch bei mir ist .. und bekam immer ein Ja.

Ende September plante er einen Trip zur Biennale nach Venedig. Allein. Ich unterstützte das sehr, da er in einer immer schlechteren Verfassung war.

Er kam nicht mehr zurück zu mir, informierte mich telefonisch über seinen Rückzug. Er nannte mir keine Gründe, nur, dass er ein Stück Weg allein gehen muss. Hoffte als Einziges, das ich die Zeit genauso positiv wie er einschätze.

Mir hat es schlichtweg die Füße unter den Boden weggezogen. Er war einfach gegangen, ohne zu klären, ohne zu reden. Hat sich einfach der Situation entzogen.

Für mich so unwirklich, als ob er mir nie nah war, mich nie berührte, nie meine Hand nahm.

Seitdem versuche ich nun – seit Januar mit lieben Zeitgenossen aus diesem Chat – zu akzeptieren, was ich nicht verstehen kann. Ein schwerer Weg. Manchmal, nur manchmal, habe ich für einen kurzen Augenblick den blauen Himmel wieder gesehen.

Bis letzten Donnerstag. Ich bekam mitten in einem Workshop einen Anruf von einer Frau.

Sie erzählte mir, dass sie ihn bereits seit März aus einem Chat kennt. Dort hat sich mit mehrere Frauen getroffen. Seit Juli sind sie ein Paar. Sie war mit in Venedig. Sie wollen jetzt zusammenziehen. Sie hatte ihn aufgefordert, mir ‚reinen Wein’ einzuschenken. Nun hat Bedenken, ob man ihm trauen kann. Fragt mich, ob ich nichts gemerkt hätte. Fragt mich um Rat, was sie tun soll.

Ich habe ihr zugehört, noch ohne zu erfassen. Es kam zeitversetzt. Körper und Geist wehrten sich.

14.02.2004 23:08 • #1


E

Liebe catherin,

man sagt: Jeder Krieg ist schon gewonnen oder verloren, /bevor/ er geführt wurde. Manchmal kommt mir das bei Beziehungen auch so vor.

Dein Ex scheint kein Interesse an langfristigen Bindungen zu haben, sondern an Lebensabschnittspartnern. Die kann er wechseln, wenn ihm etwas nicht mehr passt. Also genau in dem Moment, in dem man in einer ernsthaften Beziehung eine Problemlösung anstreben würde.

Zugute muss man halten, daß er dich relativ wenig im Unklaren gelassen hat. Wer seine Frau mehrfach betrügt (ob jetzt platonisch oder nicht, nimmt sich m.E. nicht viel), zeigt schon ein Potential in diese Richtung. Vielleicht hast du dir (was viele Frauen tun) aber gedacht, du hättest ihn jetzt sozusagen festgebunden an dich - gezähmt - und bräuchtest dir keine Sorgen mehr machen.

Dass er dich dann belogen hat, ist allerdings reichlich unfair. WENN man schon so leben will, sollte man den jeweiligen Abschnittspartner auch erwachsen behandeln. (Vielleicht hätte er sich auch um seine Kinder mehr kümmern sollen? Sind die mehr der Typ höherer Sohn+verwöhnt?)

Wenn ich ehrlich sein sollte, würde ich dir empfehlen, seiner Neuen eure Geschichte in Kurzform zu erzählen. Denn letztendlich läuft doch das Gleiche wieder (Flirten im Chat), nur diesmal verbraucht er eine neue. Da sollten Frauen, denke ich, sich gegenseitig helfen. So wie es klingt, ist diese Dame ja in genau deiner Lage damals: Sie lernt ihn gerade kennen (und schätzt ihn evtl. auch viel zu rosamundepilcherig ein)

Vergiss den blauen Himmel nicht! Der macht Mut.

Viele Grüße,
Thorsten

Wobei mir gerade einfällt, daß Rosamunde Pilcher auch immer obskure Dreieckskombinationen von Adlige+Adliger+heroischer Landarbeiter konstruiert, und am Ende darf der Landarbeiter mit der Adligen... So weit weg ist das gar nicht...

15.02.2004 08:51 • #2


A


Sorgsamer Umgang mit den Gefühlen des Anderen

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E
Was mir gerade noch einfällt... Hast du mal die Nanny Diaries gelesen? Da geht es auch durchgehend um Schein und Sein...

15.02.2004 10:23 • #3


C
Hallo Thorsten,

danke für Deine Zeilen. Ich weiss nicht ob ich es als meine Aufgabe ansehe diese Frau 'zu warnen'. Zum Einen muß jeder seine Erfahrungen selbst machen und vielleicht klappt es ja mit ihr.

Ohne dieses neue Wissen wäre das Ende zwar immer ein 'bisschen offen' geblieben, aber ich hätte 'in Liebe' Abschied von einem Menschen nehmen können, der mit sehr nah war.

Und jetzt?

Ich weiss nun, daß ich belogen und betrogen wurde. Er hat innerlich gekündigt und ist doch an meiner Seite geblieben.

Ich weiss nicht mehr was wahr ist .. weiss nicht wie ich meine letzten Jahre einschätzen soll .. weiss nicht, wer an meiner Seite war.

Einem Kind kann man sagen .. das tut man nicht. Was sagt man einem erwachsenen Mann, den das gar nicht zu berühren scheint.

catherin

15.02.2004 12:42 • #4


E
Hallo Katherin,

verzeihe bitte, wenn ich Dir sagen moechte: ich verstehe.
Es hat mit Ueberheblichkeit nichts zu tun. Denke ein wenig darueber nach, Du wirst auch rasch einsehen, dass es so kommen musste, wuerde...
Es ist jetzt zwar keinen Trost, jedoch ist jeder Erkenntnis, jede Einsicht, jede Erfahrung ein Schatz, den wir mit Dankbarkeit mit uns fuehren sollten...

Ein nachdenklicher Dom

15.02.2004 14:07 • #5


E

Hallo catherin,

einem erwachsenen Mann sagt man genauso Das tut man nicht. - Denn dein Ex scheint eine Überlappung der Beziehungen eingeplant zu haben. Die ehrliche Art, ERST Schluss zu machen und DANN jemand Neues zu suchen, war wohl nicht drin. Reichlich rücksichtslos, aber sehr komfortabel für ihn: Der Rückgriff auf den (unwissenden Ex)partner ist ja immer möglich, falls die neue Beziehung doch nicht das ist, was er wollte.

Ich verstehe glaube ich ganz gut (auch aus eigener Erfahrung), wie es dir jetzt geht. Meine Vermutung wäre, daß er für sich irgendwann einen Schlussstrich gezogen hat, ab dem ihm irgendetwas (das wäre herauszufinden) nicht mehr gepasst hat. Vielleicht hält er es einfach an sich nicht (mehr) lange in Beziehungen aus und braucht alle paar Jahre jemand anders. Vielleicht hat er Angst vor endloser Bindung und braucht die Kontrolle darüber. Hast du evtl. dezent Themen wie Heirat, Kinder o.ä. anklingen lassen? Es gibt Männer, die bei sowas panikartig die (innere) Flucht beginnen. Oder sucht er immer noch die unerreichbare Traumfrau?

Schlimm finde ich immer, wenn selbst Menschen, die offensichtlich gebildet und intelligent sind, bei Gefühlsdingen so ein Trauerspiel verursachen. Manchen Schmerz kann man nicht vermeiden, aber SO muss es dann doch nicht laufen. Du hast jeden Grund, wütend zu sein.

Wo ich gerade hier den Knopf Vorschau unter dem Formular sehe, würde ich dir empfehlen, nach dem anfänglichen Schmerz auf Vorschau zu schalten: Sehen, was DU jetzt brauchst, wie DU jetzt leben willst. Er ist Vergangenheit, Schnee von gestern. Du brauchst Frieden mit eben dieser Vergangenheit. Es spricht nichts dagegen, sich an die schönen Erlebnisse von früher zu erinnern, aber auch den Fehler deines Partners brauchst du nicht vergessen.

Vielleicht solltest du, bevor du eine neue Beziehung eingehst, auf Signale achten: Wie steht dieser Mensch zu Treue? Falls jemand seine Frau (auch nur platonisch) betrügt, ist das eine grelle rote Warnlampe. Ebenso Beschreibungen wie Egozentriker. Dabei zeigt sich nämlich, worauf es jemand am Ende ankommt: auf ihn selber. Make no prisoners. Für mich wäre ein Partner, der nicht werteorientiert ist, also nach Gefühl und Wellenschlag Entscheidungen trifft, indiskutabel. Weil eine solche Nicht-Orientiertheit im Grunde schon Dinge wie Untreue, Unzuverlässigkeit usw. beinhaltet. Wozu hat man denn Werte? Zur Orientierung, wenn man eine Entscheidung vorschnell treffen will. Denn dann sagt einem ein Wert wie Treue: Erst alte Beziehung beenden, DANN neue suchen.

Viele Grüße,
Thorsten

15.02.2004 14:21 • #6


E
Liebe Catherin,

wir haben ja schon im Chat über deine Geschichte gesprochen, ich konnte deinen Wunsch nach einer Klärung seines Verhaltens (d.h. Rückzug und seinen Weg allein gehen wollen) gut verstehen, denn ohne Antworten hängt man in der Luft.

Nun hast du deine Antwort, und zwar eine, die ich befürchtet und auch vorhergesehen hatte. Es zeugt von deiner Liebe und deinem grenzenlosen Vertrauen zu ihm, dass du die Annahme eine andere Frau könne im Spiel sein vehement verneint hast.

Dass er sich nun als Lügner und Betrüger präsentiert, und du das auch noch von seiner neuen Partnerin erfahren musst, ist sehr hart...ABER...es ist für dich auch der Punkt einer Standortbestimmung und die Möglichkeit, dein Leben zu ordnen und dich neu zu orientieren.

Schau, wenn du nicht von der Neuen erfahren hättest, dann wäre dir weiterhin die Hoffnung geblieben, die dich in deiner Entwicklung und in deinem Weiterkommen noch lange behindert hätte.

Ich weiss genau welche Fragen dich jetzt quälen: Wer war dieser Mensch an meiner Seite? War alles Lüge was wir gelebt haben? War nichts authentisch was er je gesagt hat? Wie konnte jemand mein Vertrauen so mißbrauchen? usw. usf.

Catherin, was er getan hat, war einfach nur feige, er war weder ehrlich noch offen zu dir was die Trennung angeht. Das heisst aber noch lange nicht, dass eure ganze Beziehung eine Lüge war. Vielleicht hatte er irgendwann mal das Gefühl angekommen zu sein, vielleicht hat er sich auch gewünscht anzukommen, um dann zu erkennen, dass es nicht so war.

Natürlich ist das keine Entschuldigung für sein Schweigen über die Gründe für die Trennung, er hätte schon lange mit dir reden müssen, wenn die Beziehung nicht das war, was er brauchte und suchte.

Was ich dir einfach sagen möchte ist dies: Verdamme nicht alles an dieser Beziehung, erinnere dich an die Zeiten, die gut und richtig für dich waren, auch wenn du am Ende schmerzhaft erkennen musstest, dich in ihm getäuscht zu haben, was seine Authentizität angeht.

Versuche die guten Zeiten vom schlechten Ende zu trennen, auch wenn es schwer fällt. Ich weiss, was es heisst, zu glauben und zu vertrauen und am Ende ent-täuscht zu werden, aber es darf dein weiteres Leben nicht dahingehend negativ beeinflussen, dass du nie wieder vertrauen, glauben und lieben möchtest oder kannst.

Du hast jetzt alle Fakten, die für dich wichtig sind, nun gilt es nach vorne zu schauen, und diesen Schmerz zu verarbeiten und abzuschütteln. Ich weiss, dass du das kannst, du bist eine starke Frau, und du wirst deinen Weg auch ohne ihn gehen und meistern.


Fühl dich lieb umarmt

Thilde

15.02.2004 14:25 • #7


C
Hallo Thorsten, Dom, Thilde,

danke, daß ihr offen seit für solche Themen.

Auch wenn ich nicht alles verstehe .. Dom, Deine Botschaft habe ich nicht verstanden.

Kinder waren kein Thema Thorsten. Ich habe eine Tochter. Er zwei Adoptivkinder aus seiner Ehe. Und heiraten wollte ich auch nicht.

Aber eines erkenne ich deutlich: Ich habe ihm solche Dinge wie .. das tut man nicht .. nicht gesagt. Habe ihn für viel zu reflektiert, wissend gehalten. Auch der Altersunterschied von 12 Jahren hat mich glauben lassen, er ist sich über sein Tun durchaus bewusst.

Nein ich denke, er sucht nicht die Traumfrau .. die ist austauschbar .. beliebig. Er sucht die dauerhafte Verliebtheit, nicht Liebe. Den ständigen Kick.

Ich hätte nach diesem unsäglichen Telefonat die Flucht nach vorn ergriffen. Hätte geklärt. Thilde sagte mir eben und wahrscheinlich hat sie recht
..
Sei nicht naiv, mach Deine Wertevorstellung nicht zu Seiner. Er kann auch gut weiterleben auch ohne sich Dir zu stellen!
..

Ich weiss nicht, wie man mit so einem Tun leben kann. Es nicht an sich heranlassen? .. oder bin ich tatsächlich komplett naiv.

catherin

15.02.2004 15:24 • #8


E
Hallo Catherin,

Ich weiss nicht, wie man mit so einem Tun leben kann. Es nicht an sich heranlassen?


Damit setzt du voraus, das solches Tun nach deinen Wertvorstellungen reflektiert, bewusst und überlegt ist.

Ich sage dir noch einmal: leg nicht deinen Wertemaßstab an ihn an, hast du nicht vorhin selbst Folgendes geschrieben:

Er ist kein werteorientierter Mensch, beschreibt sich als Egozentriker, hatte ein ganz eigenen Blick auf die Welt

Warum machst du dann den Fehler ihn mit deinem Maß zu messen? Er ist deinen Maßstäben nicht gewachsen, sieht Treue, Ehrlichkeit, Offenheit etc ganz anders als du, vielleicht sieht er SEIN Verhalten sogar als das allumfassende Gültige an, weil er sich die Welt macht, wie sie ihm am besten passt, ohne Rücksicht auf die Gefühle und Werte des Gegenüber.

Auch wenn DU so niemals handeln würdest...ER hat es getan, und das zeigt, dass hier die Vorstellungen weit auseinanderklaffen, was sich in einer Beziehung, bzw auch in der Art der Trennung gehört, und was nicht.

Leider wirst du akzeptieren müssen, dass er nicht so ist, wie du ihn gesehen hast, ob du ihn dir schön geredet hast, oder ob er wirklich so überzeugend war, kannst nur du allein beurteilen, wenn du die Jahre jetzt im Nachhinein reflektierst.


Du wirst da durch kommen Cathi, vielleicht nicht ganz heil, sondern arg zerzaust, aber die Zeit wird dir helfen, wieder den blauen Himmel zu sehen.


Liebe Grüsse

Thilde

15.02.2004 16:29 • #9


E

Hallo catherine,

mit einem Wort: Er ist infantil. Er sucht Bedürfnisbefriedigung ohne Rücksicht auf Verluste. In diesem Fall: Gebrochene Herzen pflastern seinen Weg. Wer weiss, wie viele Konkubinen es vorher schon gab, die das gleiche wie du erlebt haben? Und wetten, seine neue Flamme endet genau in dem Jammertal, in dem du jetzt sitzt? Deshalb meinte ich, solltest du sie warnen. Aus reiner Menschenliebe. Sie denkt vermutlich gerade genau das gleiche wie du, als ihr damals zusammenkamt.

Ansonsten muss ich Thilde zustimmen: Du erwartest von ihm, die gleichen Maßstäbe zu haben wie du selber. Das ist aber ein klassischer Attributionsfehler. Verwandt mit: Wenn ich jemand sympathisch finde, findet er mich auch sympathisch. Man deutelt zu schnell alles mögliche in einen geliebten Menschen hinein, wovon dieser Mensch aber a) nichts weiß und b) dadurch oft völlig überladen wird mit Erwartungen. Du hast deinen Ex z.B. als sehr reifen Menschen beschrieben. Ich dagegen würde ihn nach deiner Beschreibung als in Beziehungsdingen unreif bezeichnen. Er ist offenbar nicht in der Lage, eine dauerhafte Beziehung zu unterhalten. (Wobei man jetzt wieder darüber diskutieren kann, ob man diese Fähigkeit von einem Menschen erwarten darf/kann/muss)

Wichtig ist, daß dein Denken sich nun auf DICH konzentriert: Was will ICH? Du musst die Bande, die von dir aus noch mit ihm verbunden sind, lösen. Dir muss es BESSER gehen.

Viel Erfolg dabei,
Thorsten

15.02.2004 16:51 • #10


C
Ich habe das Gefühl, dass zwischen mir und der Welt eine dicke Watteschicht ist. Obwohl mir nicht klar ist, ob sie ein Eindringen oder ein Ausdringen verhindert.

Mein Ratio sagt mir, natürlich willst Du Wahrheiten und wirst dadurch schneller Abstand gewinnen können. Aber will ich sie wirklich? Was hat mir diese Information denn wirklich gebracht?

Ich kann noch nicht mal so richtig wütend sein, da ich noch viel zu fassungslos bin.

Und wenn ich den Gedanken weiter verfolge, was hätte es gebracht seiner Ex-Frau auch ‚reinen Wein’ einzuschenken. Nein. So etwas würde ich vehement von mir weisen.Ich würde einer Frau im nachhinein noch Kummer bereiten, so dass sie - nicht 4,5 wie ich - sondern 20 Jahre komplett in Frage stellt.

Seine Aussage .. das erste halbe Jahr war gut dann fingen die Probleme an .. ist ein kompletter Schlag ins Gesicht. Er lies sie über die Dauer der Beziehung im Dunkeln.

Ein Körnchen Wahrheit steckt allerdings insofern darin, als das wir nach einem halben Jahr eine nicht so harmonische Woche in Venedig verbrachten.

Ich komplett abgehetzt aus einer Interims-Geschichte kommend, habe Venedig von einer wenig attraktiven Seite kennen gelernt. Eine Woche nur grau, nur Regen und eine allumfassende Trauer über dieser Stadt. Er Venedig liebend, eben gerade diese Melancholie. Ich konnte dieser Erwartungshaltung nicht nachkommen und wollte es auch nicht.

Bei anderen Beziehungen fangen dann die Gespräche an. Ich glaube immer noch daran, das in einer Beziehung 2 eigenständige Persönlichkeiten aufeinandertreffen. Es ist nicht real zu erwarten, dass der Partner den identisch gleichen Blick auf die Welt hat. Laut seiner Aussage begann da bereits das Delta, der Beginn der Trennung.

Was hat mir nun diese Information gebracht? Die Frage ist .. ist die Wahrheit an jeder Stelle wirklich empfehlenswert. Oder lebt es sich leichter ohne Details zu wissen.

Ich war schon weiter in der Verarbeitung. Hätte ihn ziehen lassen, wissend, dass er sich mir gegenüber in dieser Trennung sehr unfair verhalten hat. Jetzt kenne ich Abgründe und weiß nichts mehr, stelle alles in Frage.

catherin

16.02.2004 19:54 • #11


E
hallo catherin,

erstmal herzlichen dank für deinen schönen schreibstil !

Nachdem sich hier doch auch teilweise etwas unterbelichtete Charaktere breit gemacht hatten, tut es gut, dass wieder etwas mehr kultivierte Akzente gesetzt werden.

Weißt du, aus Erfahrung kann ich dir sagen, ihr habt 5 Jahre eine Entfernungsbeziehung geführt und wart über weite Strecken glücklich, das ist doch eine gute Leistung.
Doch irgendwann möchte einer der Partner meistens etwas Näheres und Konkreteres, weil der Zauber des Unverbindlichen nicht ewig hält und dann geht es meistens damit zuende, dass ein neuer Partner plötzlich da ist.

Grüble nicht über die Warums, analysiere nicht irgendwelche Statements, denn erstens ist er bereits bei jemand anderem und zweitens bringen dich ja Vermutungen auch nicht weiter.

Es war für eine Zeit gut und reichte nicht für mehr....

Mick

17.02.2004 08:18 • #12


C
Hallo Mick,

danke für Deine Worte. Ich weiss es natürlich alles.

aber ....

Ich verliere einen Menschen, der mir sehr nah war. Dem ich eine auch Zeit sehr nah war.

Ich verliere einen Freund, der mir sehr wertvoll war.

Ich verliere einen wichtigen Gesprächspartner.

Und ich verliere den Mann, der mich berührte.


So wie er gegangen ist, werden wir uns wohl nicht wieder begegnen können.

Der letzte Satz in meiner letzten Mail lautete (vor dieser schrecklichen Information) lautete

...
Noch kann ich mir nicht vorstellen, daß Du nie wieder mein Hand nehmen wirst.
...

Und gleichzeitig weiss ich natürlich, daß man niemand zwingen kann einen zu mögen. Ich bin mir auch zu wertvoll dafür.

catherin

19.02.2004 22:13 • #13


E
Hallo Catherin,

eigentlich haben schon alle alles geschrieben, aber ich möchte dennoch mein Verständnis für deine Gefühle fernab jeder logischen Betrachtung deiner Situation mitteilen.

Du sagst, du siehst die Welt hinter einem Wattebausch...

.... du bist in deiner ertastbaren Höhle und diese Form der Sicherheit brauchst du auch unter diesem Schock.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man in solchen Situation oft das Abgesonderte........ bei mir war es zu dem immer das Dunkle........ braucht. Vielleicht kann nur die Kühle, die dort herrscht solche Feuer löschen... zu irgendetwas müssen diese Phasen ja gut sein... gepaart mit der unverbindlichen Wärme einiger Menschen hier wird bei dir bestimmt auch diese Verletzung heilen.

Und am Ende wirst du zwar immer noch nichts bei der Sache begriffen haben, aber dann wird es dir nicht mehr wichtig sein, weil jemand kommen und dich berühren wird, der in einem ähnlichen Wertesystem wie du lebt.

Ich wünsche dir alles Gute
Susa3

PS: Da kommt bei mir jetzt glatt die Frage auf, ob man im Hinblick auf das Verhalten anderer Menschen nur tolerant sein kann, wenn man absolut egoistisch denkt. Schließlich kann man nur dann nichts von anderen erwarten und ihr soziales Verhalten welcher Art auch immer tolerieren.

20.02.2004 00:53 • #14


E
Liebe catherin,
meine situation war die: mein partner und ich waren fuenf jahre zusammen, hatten soeben erst ein gemeinsames haus gekauft, als er sich ploetzlich und fuer mich in keiner weise absehbar entschied, kuenftig mit seiner kollegin weiterzuleben. es war ein schock. mir war in den ersten momenten unendlich wichtig zu verstehen warum - mit hilfe vieler menschen hier im forum durfte ich erleben, dass ich meine genesung auch ohne dieses wissen wirkungsvoll weiterentwickeln konnte. scheinbar war es sehr wichtig zu VERSTEHEN, aber das war auch mir nicht vergoennt, und ich glaube heute, dass es auch nichts zu verstehen GIBT. gefuehle - auch die in beziehungen - aendern sich, und unsere eigenen verhaltensmassstaebe muessen nicht zwangslaeufig auch fuer andere gelten. auch ich habe gedacht, ich kennte meinen partner und wuesste genau, wie er ist und was er niemals tun wuerde. aber es war offenbar nicht so, das war eine ausgesprochen schmerzvolle erkenntnis. ich wollte gespraeche, eine gemeinsam ergriffene chance feur eine korrektur dessen, was schiefgelaufen war... er bot mir nichts davon.
aus heutiger sicht bin ich ehrlich froh, dass er mir nie hoffnung machte und ich auch zeitweilig wut und enttaeschung nutzen durfte, um die losloesung schneller zu vollziehen. trennungen verlaufen in phasen, und ich durchschritt diese phasen sehr bewusst und hielt meinen gefuehlen stand, habe nichts vermieden.
auch war mir wichtig zu erfahren, ob er mich mit der neuen bereits betrogen hat. er behauptete stets nein. ich hatte auch keinen anlass, an dieser aussage zu zweifeln, da ich ihm stets unerschoepfliches vertrauen entgegenbrachte. aaaber... in der ersten, sehr vulnerablen zeit, war es fuer mich von entscheidender bedeutung zu wissen, ob er mir nun treu war oder ob ich meinen glauben in ihn durch diesen vertrauensbruch noch komplett wuerde begraben muessen. ich HABE ihm geglaubt. aus heutiger sicht hege ich zweifel. es waren da sehr merkwuerdige dinge, die ich aber nicht ganz durchschauen kann. es wurden auch geruechte kolportiert, die mir sehr, sehr wehtaten, die mein partner aber stets dementierte, und ich glaubte ihm, liess los.
die wichtigste erkenntnis daraus: es ist aus heutiger sicht vollkommen gleichgueltig, ob sich nun die beziehungen ueberschnitten haben oder nicht. ich konnte ihn loslassen und musste einige zeit durch eine absolute hoelle gehen. danach war ich aber auch sehr gut geloest von ihm und konnte mein leben wieder in angriff nehmen. ich denke heute noch immer auch an positive seiten, weiss aber um seine schwaechen, die er zumindest in der trennunsphase deutlich gemacht hat - wie bei dir auch, catherin. meine mentorin, die mich damals sehr begleitet hat, sagte mir: er hat sich wenigstens durch sein verhalten waehrend der trennung als erwachsener mann vollkommen diskreditiert. das half mir zu erkennen, dass ich mit einem solchen mann als partner auch wirklich nicht gut beraten war, denn - wie du es ja auch schreibst - habe ich eben andere erwartungen, wie man mit gefuehlsdingen umgeht.
aus heutiger sicht ist es mit egal, ob er die frau nun bereits einige zeit nebenbei hatte oder nicht - aber es gab auch bei mir zeiten, da diese frage sehr wichtig war, hiess es doch, neben dem verlust des vertrauten menschen als liebespartner ihn auch aus dem eigenen respekt entlassen zu muessen und ihn damit nicht mehr als menschen, den man jahrelang geschaetzt hat, anerkennen zu koennen. das ist zeitweilig wirklich doppelt hart, aber man kann diese phase auch nutzen, um wirklich konsequent abschied zu nehmen.
in gewisser weise stuerzt man den partner damit endgueltig von einem sockel, auf dem er heimlich noch immer stand - das macht es wirklich einfacher, wieder neue wege zu beschreiten.
eigene wege.
alles gute
natascha

20.02.2004 12:19 • #15


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