@Pepitta
Tja, vielleicht sollest du das Buch noch mal lesen und dann mal den Inhalt nicht nur auf deine Person beziehen.
Das Buch ist sicherlich nicht besser oder schlechter als andere auch, aber es auch nicht das Buch der Weisheit.
[ftp]ngfg.com/texte/nv040.htm#DieTypologie[/ftp]
[glow=red,2,300]5. Schlußbetrachtung
- Jedem von uns begegnet die Angst vor der Hingabe in einer ihrer verschiedenen Formen. Denn jedes vertrauende sich Öffnen, jede Zuneigung und Liebe, kann uns gefährden, weil wir dann ungeschützter und verwundbarer sind, etwas von uns selbst aufgeben müssen, uns einem anderen ein Stück ausliefern. Daher ist alle Angst vor der Hingabe verbunden mit der Angst vor einem möglichen Ich-Verlust.
- Jedem von uns begegnet auch die Angst vor der Ich-Werdung, vor der Individuation, die immer auch ein wenig Einsamkeit bedeutet. Je mehr wir wir selbst werden, um so einsamer werden wir, weil wir dann immer mehr die Isoliertheit des Individuums erfahren.
- Jedem begegnet auch die Angst vor der Vergänglichkeit auf seine Weise; unvermeidlich erfahren wie immer, daß etwas zu Ende geht, aufhört, plötzlich nicht mehr da ist. Je fester wir etwas halten, beibehalten wollen, um so mehr erliegen wir dieser Angst.
- Jedem von uns begegnet schließlich auch die Angst vor der Notwendigkeit, vor der Härte und Strenge des Endgültigen, des Festlegens. Je mehr wir eine unverbindliche Freiheit und Willkür anstreben, desto mehr müssen wir die Konsequenz und die Grenzen der Realität fürchten.
Da sich die großen Ängste unseres Daseins, die so wichtig für unsere reifende Entwicklung sind, nicht umgehen lassen, bezahlen wir den Versuch, vor ihnen auszuweichen, mit vielen kleinen, banalen Ängsten. In der Verschiebung, Verharmlosung und gleichsam karikierenden Verzerrung der Daseinsängste, erscheinen die neurotischen Ängste als unsinnig - sie quälen und belasten nur noch. Wir sollten sie indessen als Alarmzeichen verstehen, als Hinweis darauf, daß wir auf irgendeine Weise nicht richtig liegen, daß wir etwas vermeiden wollen, statt uns damit auseinanderzusetzen, etwas Wesentlicheres, das die verschobene Angst zudecken will.
Jede Angstbewältigung ist ein Sieg, der uns stärker macht; jedes Ausweichen vor ihr ist eine Niederlage, die uns schwächt.
Es ist verständlich, daß Menschen mit entgegengesetzten Grundängsten ein diffiziles Zusammenleben zu erwarten haben. Dabei muß es nicht unbedingt immer Ablehnung, Streit und Mißverstehen geben; jeder Mensch sieht (ahnt) in dem anderen einen natürlicheren Umgang mit der eigenen Angst.
Wenn sich also schizoide und depressive Partner instinktiv anziehen, hat das meist folgende Grundlage: Der Schizoide ahnt die Liebesbereitschaft und Liebesfähigkeit des Depressiven, seine Opferbereitschaft, sein einfühlendes Sich-Bemühen. Hier darf er sich aufgehoben fühlen. Andererseits fasziniert den Depressiven am Schizoiden, daß dieser etwas lebt, was er sich nicht zu leben gewagt hat: unabhängiges Individuum zu sein, ohne Verlustangst und Schuldgefühle. Zugleich spürt er, daß hier jemand ist, der seine Liebesbereitschaft dringend braucht.
Diese Konstellation kann natürlich in die Katastrophe führen, denn wenn sich der Schizoide zu sehr eingeengt fühlt, wird er sich absprengen, was wiederum dazu führt, daß der Depressive sich näher an den Schizoiden heranschmiegen möchte. Ein Teufelskreislauf kann durch tragisches Mißverstehen die Beziehung sprengen.
Wenn sich zwanghafte und hysterische Partner instinktiv anziehen, hat das oft folgenden Hintergrund: Den als zwanghaft beschriebenen Menschen fasziniert die farbige Buntheit. Lebendigkeit, die Risikofreudigkeit und die Aufgeschlossenheit für alles Neue seines hysterischen Gegentypus. Denn er selbst spürt, wie unnötig eingeengt er ist. Der Hysterische wiederum ist fasziniert vom Zwanghaften aufgrund seiner Ruhe, Stabilität, Solidität, der Konsequenz und Verläßlichkeit, des In-der-Ordnung-leben, was ihm selbst so fehlt.
Auch diese Konstellation kann große Probleme bringen, weil der Zwanghafte sich ebenso behaupten möchte, wie der Hysterische. Dabei wird er Zwanghafte immer pedantischer und der Hysterische wird immer hysterischer, weil er den Eindruck hat, der Zwanghafte wolle ihm die Luft zum Atmen nehmen.
In beiden Fällen kann die Hilfe nur darin liegen, das Anliegen des jeweils anderen zu verstehen, ernst zu nehmen, und nicht aus Angst die eigene Struktur verhärten.
Wenn der Leser sich den Typen zuordnen möchte, sollte er nicht enttäuscht sein, wenn keine eindeutige Zuordnung dabei herauskommt. Gerade diese Verschwommenheit hält Fritz Riemann für ein Kriterium der Lebensnähe und Wirklichkeitsnähe seiner Typologie. Dabei empfindet er sein System nicht als eine von den Menschen erdachte Ideologie, sondern als eine Entsprechung der großen Ordnungen des Weltsystems auf unserer menschlichen Ebene.
Quelle:
Grundformen der Angst von Fritz Riemann, erschienen im Ernst-Reinhardt-Verlag, 1990. 200 Seiten.
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