Er hat als Single, nach seiner Trennung/Depression/Klinikaufenthalt, so gelebt, dass es für ihn und seine Psyche gesund war.
Das war: arbeiten, Sport, Aquaristik, feste Strukturen.
Jeden Freitag wurde Pizza bestellt, immer beim gleichen Bringdienst und er hat einen Film angeschaut.
Samstags hat er geputzt, seine Aquarien gemacht und ist abends eine Stunde in die Stadt gelaufen zum Restaurant.
Sonntags zu seinen Eltern.
Gelegentlich mal ins Kino/Kirmes/Public Viewing, sehr sehr selten mal mit Arbeitskollegen getroffen.
Repeat.
Das war ein Modell, was für ihn stimmig war.
Dann kam ich und dann war natürlich erstmal alles anders, aber verliebt und Hey und schön.
Geheiratet und zusammengezogen, Job verloren, Heimweh , 1. Depression.
Damals schon dieselben Aussagen bzgl Ärzte und Medikamente.
Ich habe gekämpft, mich für jeden kleinen Fehler entschuldigt, gemacht/getan, wollte nicht nach nur einem dreiviertel Ehejahr wieder alles hinschmeißen, obwohl wir kurz davor waren, ich habe in der Zeit viel geweint.
Danach war es ein Auf und Ab. Rückblickend betrachtet aus meiner Sicht und mit Blick auf mein Leben (soziale Kontakte, Freizeit, Interessen, arbeit, kein Sport mehr und dick gefuttert) mehr Ab als Auf.
Ich war viel einsam, habe Kontakte zu Freunden verloren, war nicht mehr viel draußen an der frischen Luft, Wohnung/PlayStation/Paareclubs (das war so das Freizeitprogramm, wobei die Paareclubs vor allem IHM halfen, seinen Kopf frei zu bekommen)...
Umzug ins Haus. Kind 1, Überlastung bei uns beiden. Bei ihm durch den Schichtdienst (weil der natürlich durch den Wechsel seine Strukturen empfindlich stört), bei mir durch Baby und Arbeitslosigkeit.
Diese zweite große Krise packten wir dann aber irgendwie beide. Ich habe ihm geholfen, er mir. Wir wollten beide, da waren noch Gefühle in der Eheberatung - jedenfalls anders, als ich es jetzt spüre.
S. war da aber schon Dauerstreitthema. Es wurde immer extremer, immer mehr ging es nur noch um seinen Kopf und um seine Wünsche, bis ich irgendwann feststellte, dass ich weder noch eigene Fantasien und Vorstellungen hatte, noch Lust. Das war da schon mehr ein Kampf um die Verwirklichung der jeweiligen Vorstellungen, Forderungen, Enttäuschungen und Frust als ein zärtliches Miteinander.
Danach gab es aus meiner Sicht zumindest keine nennenswerte Verbesserung mehr.
Das ist natürlich total subjektiv.
Er sieht das sicher anders.
Im Beratungsgespräch wurde gefragt, was seit dem letzten Termin war.
Ich: nichts. Wir haben nicht geredet und für mich war alles so wie immer, als habe es dieses Gespräch gar nicht gegeben.
Er:Doch. Sie hat sich Mühe gegeben und war freundlicher zu mir, das habe ich bemerkt. Nee, einen Anfang für ein Gespräch habe ich aber nicht gesucht.
Als das Gespräch dann auf Erziehung kam, war für mich aber sofort wieder Aggression und Wut spürbar. Ich wäre überheblich und arrogant, weil ich studiert habe und er nicht, ich würde seine Autorität untergraben, ihn komplett ignorieren und mit den Kindern eine Front gegen ihn bilden usw.
Inzwischen glaube ich, dass er da ganz viel von sich projeziert und abarbeitet.
Dass er Probleme in der Schule hatte, kein Abitur gemacht hat und nicht an die Kunstschule gegangen ist, wie er es ursprünglich wollte, sondern nun Metall-Arbeiter ist. Ich bekomme bei jeder Gelegenheit gesagt, dass mein Job ja keine richtige Arbeit sei und wir verkopften Akademiker total weltfremd seien usw.
Genau so, wie er vermutlich spürt, dass er sich oft rauszieht und Schwierigkeiten hat auf die Kinder einzugehen: daraus wird dann, dass ich ihn mit Absicht ausgrenze (ich habe darauf verzichtet ihn daran zu erinnern, dass er es an Weihnachten vorgezogen hat zu schlafen als mit der Familie zu frühstücken).
Ich bin illoyal, unzuverlässig, ignorant, arrogant, egoistisch.
So seine Einschätzung meiner Person im Rahmen der letzten Sitzung.
Er weiß , dass er diese Strukturen und Rituale braucht, meinte aber, das ginge eben wegen der Kinder nicht (die Kardinalantwort) und er habe bislang keine Alternative dazu gefunden.
Da es nun absehbar erstmal keinen nennenswerten Drive von außen mehr geben wird (Umzug, Haustier, Job, Kind), was vorher eben (auch) dafür gesorgt hat, etwas zu bewegen, sind wir auf uns selbst zurückgeworfen und NUN hier und jetzt wird deutlich, dass dieses Modell sich so nicht dauerhaft gesund für uns beide leben lässt.
Einer geht vor die Hunde.
04.05.2019 09:29 •
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