Danke Mira, für deine netten Worte.
In einigen Teilen sind mein Vater und mein Mann ähnlich, dachte ich zumindest als wir uns kennenlernten.
Da schien mir auch mein Mann charakterfest, beständig, patent, ordentlich.
Ich meinte, da jemanden zu haben, der ebenso zuverlässig ist, wie mein Papa und der für mich da ist.
Inzwischen hat sich herauskristallisiert, dass es doch große Unterschiede gibt.
Mein Vater ist flexibel, anderen Menschen gegenüber offen und gesellig. Er ist extrem belastbar und leistungsfähig.
Offen?
Nein. Mein Papa und ich haben im letzten Jahr lange gesprochen. Er weiß um den Leistungsdruck, dem er mich ausgesetzt hat. Was er nicht wusste war, welche Ausmaße das bei mir annahm.
Er hat sich Mühe gegeben, weiß aber selber, dass das lebenslang auch seine größte Baustelle war und noch ist.
Insofern bin ich mit meinem Papa klar.
Auf meinen Mann bezogen:
Ich habe mir wohl unbewusst jemanden gesucht, von dem ich mir auf der einen Seite Sicherheit versprochen habe, auf der anderen Seite jemanden, an dessen Ansprüchen ich scheitere (bei meinen Mann z.B. sein Anspruch an Ordnung/Pünktlichkeit/Außenwirkung/Se xualverhalten usw.).
Damit habe ich einen wesentlichen Teil meines Verhältnisses zu meinem Papa emotional wiederholt.
Dass es so ist, das wusste ich nicht.
Zu wenig hatte ich mich mit mir selbst und meiner Geschichte auseinandergesetzt.
Ich wusste nicht, was ich wollte/Wer ich sein möchte, hatte mich nach anderen gerichtet, um zu gefallen, Anerkennung zu bekommen. Habe mich nach meinem Mann gerichtet, um geliebt zu werden und jemanden zu haben, habe mein Bauchgefühl und meine inneren Einwände gegen diese Beziehung vor mir selber wegdiskutiert.
Für all dies kann mein Mann heute nichts.
Erst mit und durch die Kinder, auch durch den Job, habe ich bemerkt, dass ich das alles eigentlich ganz gut kann, dass ich stark bin und die Kinder ziehen. Sie fordern, brauchen Energie und Action.
Umso mehr fiel mir dann auf, wie eingeschlafen das auf der Paarebene war/ist. Wenn man drinsteckt, gewöhnt man sich auch irgendwie dran; die Kinder haben mich da scheinbar mehr rausgerissen als ihn.
Ich habe also wieder begonnen, mit meiner besten Freundin auf Konzerte zu gehen, habe meine Haare wieder gefärbt (so wie einstmals mit 19 quer durch die Farbpalette und Hey (!) das macht tierisch Spaß).
Erst dachte ich, es ist eine Midlife-Crisis, weil es so angelehnt an meine Jugend daher kam, aber das glaube ich inzwischen nicht mehr.
Das bin einfach ich. In meiner Jugend war es genau das: mir nämlich schön egal, was X oder Y von mir denkt oder ob ich den Anforderungen von irgendwem genüge.
Da wollte und will ich wieder hin. Nicht so rotzgörenmäßig und verantwortungslos wie damals, aber in der Essenz meines Daseins und meiner Zufriedenheit mit mir selbst.
Das wird noch ein längerer Weg, denke ich. Die ersten Schritte habe ich getan, ich bin gespannt, welche Richtung er nehmen wird.
Dass es noch ein gemeinsamer mit meinem Mann wird, halte ich im Moment nicht für möglich
Das bedauer ich.
Und die nächsten Schritte dieses Weges werden darin bestehen müssen, mit diesem Bedauern und dem Schuldgefühl umgehen zu lernen bzw. es als Ereignis anzunehmen.
Ein Teil von mir kämpft immer noch dagegen: Scheitern? Kann doch unmöglich in Frage kommen! Da MUSST du doch etwas gegen tun!
Aber ich weiß jetzt, dass dieser Teil das Kind in mir ist, das kämpft und nicht scheitert, Leistung zeigt bis zum Ende, um Anerkennung von seinem Papa zu bekommen.
Mit diesem Kind muss ich noch meinen Frieden machen.