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Singles - vom Leitbild zum Sozialschmarotzer

Blanca
Gestern stolperte ich über einen interessanten Artikel über die Wahrnehmung von Singles in unserer Gesellschaft: http://www.zeitschrift-fuer-familienfor ... hradil.pdf

Vor allem ein Auszug auf Seite 45/46 bestätigt, was sich diesbezüglich spürbar verändert hat:

Spätestens seit Mitte der 90er Jahre erscheinen Singles immer mehr als „Defizitwesen“. In TV-„Kuppelshows“ werden dort sog. „Singles“ wie selbstverständlich als Menschen vorgestellt, die aktiv einen Partner suchen. Dass Singles sich mit ihrem Alleinleben arrangiert haben oder damit sogar zufrieden sein könnten, gerät außer Sicht. In der Werbung werden seit einiger Zeit Paare und Familien, nicht länger aber Singles positiv herausgestellt (Rück 2001). Diese dienen allenfalls noch als Kontrastfigur, um das paarweise oder familiäre Glück zu betonen. Theaterstücke (z.B. Franz Xaver Kroetz: „Wunschkonzert“) und Fernsehserien (z.B. „S. and the City“, „Ally McBeal“) stellen uns heute Singles vor, deren Dasein sie zu stets partnersuchendenneurotisierten Wesen macht, die von ihrer Mitwelt gerade so noch ertragen werden.

Demgegenüber war das Bild der Singles in den 70er und 80er Jahren bei aller Ambivalenz doch überwiegend positiv: Singles mit ihrer Autonomie, ihren beruflichen Chancen, ihren Möglichkeiten der Lebensstilisierung galten in der Hochzeit der Individualisierung oft als Leitbild. Singles wurden als „Speerspitze“ der Individualisierung herausgestellt (Ulrich Beck). Wenn man Deutschland als „Single-Gesellschaft“ (Hradil 1995) bezeichnen konnte, dann wegen des Vor- und Leitbildcharakters von Singles, nicht etwa deswegen, weil die Menschen nun massenhaft allein lebten. Abzulesen war die positive Tönung auch daran, wie stolz Prominente ihr Alleinleben hervorhoben, wie häufig die Werbung uns Singles, oft auch weibliche, als sympathische, kontaktfreudige, in herrlichen Wohnlandschaften residierende Wesen vorstellte.

Wenn ich hier im Forum lese, welchen Müll Menschen bereit sind, sich von ihren Partnern bieten zu lassen, wie sie - letztlich nur um diesem Konformitätsdruck nachzugeben - ihr letztes bißchen Würde zu Grabe tragen und schließlich so erkranken, daß langwierige Therapien erforderlich werden ...

... dann frage ich mich ernsthaft, in welchem Verhältnis Anspruch und Wirklichkeit eigentlich noch stehen. Und so rate ich denn allen, die in destruktiven Beziehungen stecken und trotz Paartherapie und haste-nicht-gesehen kein Licht am Ende des Tunnels mehr erblicken, sich ein Herz zu fassen und auf diesen gesellschaftlichen Konformitätsdruck zu spucken.

Mag sein, daß der Mensch nicht zum Alleinsein gemacht ist, aber er hat auch eine individuelle Seite und die will verwirklicht werden. Eine Partnerschaft, die ihre permanente Unterdrückung erfordert, ist ihre Bezeichnung als solche nicht wert. Nur für Freunde, Bekannte, Kollegen, Arbeitgeber, Politiker, Werbefritzen oder Promis sollte man sich das wirklich nicht antun; und was den Partner betrifft, der davon seine Liebe abhängig macht: Der ist genauso irrelevant.

Wie in drei Kreuzes Namen konnte diese elende Gängelei nur je zum Leitbild werden? Es ist erschreckend, wie bereitwillig sich Menschen blenden lassen...

Dir bleibt auf dieser Welt nur eine kurze Gnadenfrist, um zu erkennen, wer Du wirklich bist.
(Alice Ekert Rotholz, Autorin, *1900, +1995)

07.01.2016 11:08 • x 41 #1


V
Danke Blanca, und vor allem das Zitat von Alice Ekert Rotholz trifft es total!

07.01.2016 11:15 • x 3 #2


A


Singles - vom Leitbild zum Sozialschmarotzer

x 3


Tiefes Meer
Klingt spannend. Werde ich mir heute Abend mal vorknöpfen. Lieben Gruss

07.01.2016 11:34 • x 3 #3


S
Hmmm, ich überlege ja im Moment auch oft wo ich nach gescheiterter Ehe mit Kind überhaupt hin will, wie mein Leben überhaupt sein sollte, wenn ich bei wünsch dir was wäre. Also so einsam und allein will ich ja auch nicht bleiben, das ist auch sehr erdrückend für mich so. Aber ich glaube, ich will und muss jetzt erstmal Mensch für mich bleiben auch mit Partner. Will meine Bude jetzt für mich allein behalten, will alleine über meine Finanzen entscheiden u.s.w.. Aber halt auch Jemanden der da ist, gegenseitig exklusiv und trotzdem viel Zeit mit einem verbringt. Die könnt' hier gerne ne Zahnbürste abstellen und oft hier pennen, sollte aber immer ihr eigenes Zuhause auch im Mittelpunkt behalten und das selbst auch nicht nur auf erhoffte, kurzfristige, wartende Sicht... Teilzeitpartnerschaft und
Teilzeitsingle, oder Singlelebenstil trotz ner festen Partnerschaft, ich glaub' das ist der Weg den ich momentan suche...

07.01.2016 14:50 • x 6 #4


P
Hallo Blanca,

interessanter Beitrag...
Doch ich habe von diesem Konformitätsdruck allerdings noch nichts mitbekommen
Ich bin selbst seit mehreren Jahren Single (w/40) und werde wirklich nie gefragt, warum ich denn ohne Partner lebe oder etwa mitleidig beäugt. Genauso wenig hat man mit mir oder anderen Singles im Bekanntenkreis je den ewig in einer Partnerbörse nach Erlösung Suchenden assoziiert.
In meinem Bekanntenkreis ist das alles nie Thema. Da sitzen Verheiratete (mit und ohne Kinder), Dauersingles, glücklich und unglücklich Verliebte, Schürzenjäger, die alle paar Wochen eine neue Affäre am Start haben, an Liebesthemen wenig interessierte...zusammen....

07.01.2016 15:46 • x 1 #5


Blanca
Zitat von Sick:
Teilzeitpartnerschaft und Teilzeitsingle, oder Singlelebenstil trotz ner festen Partnerschaft, ich glaub' das ist der Weg den ich momentan suche...

Wenn ich recht verstehe, schwebt Dir das Lebensmodell Living apart together vor. Das ist auch mein Traummodell, ja.

07.01.2016 16:42 • x 1 #6


Blanca
Zitat von Pina:
Doch ich habe von diesem Konformitätsdruck allerdings noch nichts mitbekommen

Ich schon, allerdings habe ich ihn konsequent ignoriert, indem ich mich von Menschen zurückziehe, die ihn ausüben; das schließt auch Teile meiner eigenen Familie mit ein.

Auslöser für diesen Thread war allerdings das, was ich hier seit Monaten im Forum lese. Ich bin immer noch erschrocken, was Menschen sich alles bieten lassen, nur um nicht allein zu sein. Manche lassen sich über Monate und Jahre völlig entwürdigen, sind sowas von abhängig... sicher ist das auch psychischen Problem gestundet, die schon aus der Kindheit stammen könnten (Verlustangst, etwa durch frühen Tod oder Wegzug eines geschiedenen Elternteils), aber meines Erachtens hat auch der deutlich verschlechterte soziale Status von Singles einen Einfluß darauf.

Wie erheblich der ist, dürfte individuell verschieden sein. Aber daß er einen hat, davon bin ich überzeugt.

07.01.2016 16:47 • x 3 #7


Thomas69
@Sick
wäre auch genau mein Ding mit der Art zu(sammen) leben... Zumindest gefühlt für den Augenblick! Maybe forever...

07.01.2016 16:50 • x 1 #8


C
falls du es schaffen solltest Lucky, Sunflower und Co auf diesen Thread zu locken - wäre ich zutiefst beeindruckt!

07.01.2016 16:54 • #9


S
Zitat von Thomas69:
@Sick
wäre auch genau mein Ding mit der Art zu(sammen) leben... Zumindest gefühlt für den Augenblick! Maybe forever...


Nix da maybe... Ich bin mit dem Projekt Familie und gemeinsam ne Zukunft aufbauen einmal grandios gescheitert, das reicht mir einfach für mein Leben. Auch wenn ich jetzt erst 40 werde, ich will meinen Samen einfach nicht mehr weiter durch's Land verstreuen und darum brauch' ich auch kein Nest mehr bauen. Konnte immer gut für mich selbst sogen(zumindest finanziell, den Rest lasse ich mal dahin gestellt ), das sollten die nächsten Damen bitte auch können - um mir über 3,50€ Mieteinsparungen in 'ner gemeinsamen Wohnung nen Kopp zu machen, denke ich da eh eher in anderen finanziellen Dimensionen...

Standlautsprecher statt Blumenregal, nen Skateboard oder nen Bike ungefragt an die Wand nageln wenn ich's schön finde und die Wohnung 3 x so schnell geputzt ohne den ganzen kitschigen Dekoscheiss überall. Nie wieder gleichgeschlechtlich Tischdeckchen und Platz im Kleiderschrank. Ihre bescheuerten Freundinnen und Mütter können sie dann auch in ihrer eigenen Wohnung treffen und ich mit meinen Kumpels bei mir saufen wie und wann ich will wenn mir danach sein sollte. Der Pate 1-3 am Stück gucken ohne dass wer zu meckern hat, gut!

Nen Schlüssel konnte schon meine letzte Kurzzeitflamme( ) trotzdem recht schnell haben, aber für die galt auch nur gucken, nix anfassen . Wollte sie zum Glück auch gar nicht...

Das hat aber trotz Allem nix damit zu tun dass ich die Frauen nicht mehr ernst genug nehmen möchte, nichts ernsthaft Dauerhaftes suche oder sonst was. Im Gegenteil, ich kann eher gar nix mit unverbindlichen Sachen anfangen. Es ist nur einfach im MOMENT das was ich mir für die nächsten Jahr(zehnt)e wünsche würde...

Aber wie war das? Mache Pläne wenn du das Schicksal lachen sehen willst? Schön wär's trotzdem wenn's so klappt

07.01.2016 17:30 • x 4 #10


P
Zitat:
Standlautsprecher statt Blumenregal, nen Skateboard oder nen Bike ungefragt an die Wand nageln wenn ich's schön finde und die Wohnung 3 x so schnell geputzt ohne den ganzen kitschigen Dekoscheiss überall. Nie wieder gleichgeschlechtlich Tischdeckchen und Platz im Kleiderschrank. Ihre bescheuerten Freundinnen und Mütter können sie dann auch in ihrer eigenen Wohnung treffen und ich mit meinen Kumpels bei mir saufen wie und wann ich will wenn mir danach sein sollte. Der Pate 1-3 am Stück gucken ohne dass wer zu meckern hat, gut!




Klingt ja nach interessanten Frauen...aber ich muss gestehen, dass auch ich einen Mann, der mit 40. noch Skateboard fährt ziemlich unS.y finde.

@Blanca

ich kanns nicht beurteilen aber ich frage mich, ob es da wirklich einen Zusammenhang zwischen diesen (ich nenne es mal-) pathologischen Beziehungen und dem von Dir erwähnten Konformitätsdruck gibt.

07.01.2016 17:37 • x 1 #11


Blanca
Zitat von Pina:
Zitat:
ich kanns nicht beurteilen aber ich frage mich, ob es da wirklich einen Zusammenhang zwischen diesen (ich nenne es mal-) pathologischen Beziehungen und dem von Dir erwähnten Konformitätsdruck gibt.

Ich denke, daß er zumindest latent aufs Unterbewußtsein mit einwirkt, auch wenn es dafür natürlich noch andere Gründe geben mag (siehe meinen letzten Beitrag weiter oben). Irgendwo muß diese Vorstellung ja schließlich herkommen, daß man ohne Beziehung nur noch ein unvollständiger, minderwertiger Mensch sei und sich deswegen behandeln läßt wie der letzte Dreck.

Wir leben hier schließlich nicht in einem Teil der Welt, wo dies auf äußeren Zwängen beruht.

07.01.2016 17:50 • x 1 #12


Räubertochter007
Zitat von Sick:

Standlautsprecher statt Blumenregal, nen Skateboard oder nen Bike ungefragt an die Wand nageln wenn ich's schön finde und die Wohnung 3 x so schnell geputzt ohne den ganzen kitschigen Dekoscheiss überall. Nie wieder gleichgeschlechtlich Tischdeckchen und Platz im Kleiderschrank.



.... genau. Kompromisse waren gestern ich bevorzuge nen Kickerkasten statt Standlautsprecher (ts ts ts, Jungs, es kommt nicht auf die Größe an ) und anstatt Bike und Board kommt ein Stormtrooper in Lebensgröße als Dekoscheiss

Zitat von Sick:

Ihre bescheuerten Freundinnen und Mütter können sie dann auch in ihrer eigenen Wohnung treffen und ich mit meinen Kumpels bei mir saufen wie und wann ich will wenn mir danach sein sollte. Der Pate 1-3 am Stück gucken ohne dass wer zu meckern hat, gut! :


.... genau....endlich ungestörte Weiberabende, kein Kerl trinkt uns was weg und falls frau dann noch aufnahmefähig ist, kann Bruce Willis beim Altern beobachtet werden... Stirb langsam 1-5


Nur falls ihr 'Jungs meint, dass nur Ihr Kompromisse schließen müsst bzw. musstet.

Find getrennte Wohnungen auch besser...

07.01.2016 17:54 • x 2 #13


S
Zitat von Pina:
Klingt ja nach interessanten Frauen...aber ich muss gestehen, dass auch ich einen Mann, der mit 40. noch Skateboard fährt ziemlich unS.y finde.


Da hast du ja richtig Glück dass es die meisten auch gar nicht mehr könnten .

07.01.2016 17:55 • x 1 #14


Sleepless91
@sick: finde deine Einstellung gut! Die wird genau die Frauen fern halten, mit denen du ohnehin nicht glücklich werden würdest. Und die auch ganz sicher mit dir nicht glücklich werden würden. Ich glaube mein ExAM hat diese auch, er ist auch Anfang 40 und hat eine gescheiterte Ehe hinter sich. Ich bin Mitte 20 und möchte ein Nest bauen mit allem drum und dran. Er nicht. Ich glaube er möchte einfach ein bisschen Nähe und Liebe, aber nicht zu viel. Und blos nicht einengend. Alles separat. Muss ich wohl oder übel verstehen. Fällt mir sehr schwer. Wenn ich aber deinen Beitrag lese, fällt es mir etwas leichter bzw. macht ein wenig mehr Sinn für mich da er das nie so in Worte gefasst hat. Thank you

07.01.2016 18:07 • x 2 #15


A


x 4




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