Sie will wieder zurück

I
gerade hat sie eine SMS geschrieben, dass er so wütend war, weil sie länger weg war, dass er abgehauen ist. Es gibt doch echt niedere Charaktere und mit so einem läßt man sich ein,
gibt Kinder, Mann, Haus, Freunde und sichere Existenz auf.
Plemm plemm.

Ingma

28.02.2005 21:12 • #61


E
Hallo Ingma

ich habe meine eigene Theorie was die Liebe anbelangt die Jahrzehnte überdauert …

im Gegensatz zu früheren Generationen gibt es für die heutige kein Muster an dem sie sich orientieren kann, die Möglichkeiten zu leben sind vielfältig, die Möglichkeiten Beziehung zu leben auch ... früher war das anders … noch unsere Eltern hatten eigentlich die Möglichkeit sich an dem zu orientieren was deren Eltern vorgelebt hatten … Scheidung war im Grunde nicht vorgesehen … man hat es einfach miteinander ausgehalten, man war aufeinander angewiesen, nicht mehr so wie in den Generationen davor, aber immer noch genug ...

es ist noch gar nicht so lange her da wurden Ehen nicht aus Liebe geschlossen sondern wegen der Notwendigkeit des Erhalts der Familie, der Versorgung, usw, … vielleicht wenig romantisch, ganz sicher aber haltbarer … man hat gelernt miteinander auszukommen und im Idealfall sich zu lieben … die Rollen waren klar verteilt! … der Mann verdiente das Geld außer Haus und die Frau kümmerte sich um Haushalt, Kinder und hielt dem Mann den Rücken frei, das stellte keiner in Frage … Ausbildung für Frauen war nicht vorgesehen, denn die wurden ja versorgt …

im Laufe der Jahrzehnte hat sich das immer mehr verändert, Heirat ohne Liebe kann sich keiner mehr vorstellen … (aber was ist eigentlich Liebe? was erwartet jeder davon?) … die Frauen heute haben in der Mehrzahl eine Berufsausbildung … man lernt sich kennen, man liebt sich, beschließt zusammenzubleiben und führt dank zweier Gehälter ein freies, gleichberechtigtes , gemeinsames Leben … dann kommt das erste Kind und meist ist es auch heute noch so, dass dann die Mütter erst mal zu Hause bleiben … die Möglichkeiten Kinder unterzubringen sind gezählt und im Grunde bekommt man sie nicht um sie dann gleich wieder in andere Hände zu geben, man will selbst erleben wie sie aufwachsen ...

am Anfang ist frau als Mutter noch ausgelastet, aber spätestens wenn die Kinder im Kindergarten sind mehrt sich die Freizeit … die wird dann mit Gebastel, Kaffeegekränzel und Ehrenämtchen ausgefüllt … das füllt frau auf Dauer aber nicht aus und gibt dem Mann Rätsel auf … es gibt die ersten Verständigungsprobleme … ER ist der Meinung dass sie es doch gut habe jeden Tag zuhause bleiben zu können und 'soviel Freizeit' zu haben, SIE neidet ihm die Arbeit und die Bestätigung die er dadurch hat und den Kontakt mit Menschen deren Hauptthema nicht die neuesten Windelsonderangebote und der Scharlachfall im Kindergarten sind … so leben sie weiter und manchmal immer öfter nebeneinander her … den sehnsuchtsvollen Blick durch das Fenster versperrt eine Kollektion Windowcolormalerei und in Gedanken sind sich hier beide mal einig: SIE denkt: Was bitte mache ich da? – ER denkt: Was bitte macht sie da? … aber sie sagen es sich nicht mehr ...

sie fangen an sich immer kritischer zu beobachten … ER sieht dass die Frau die mit ihm lebt nicht mehr so ist wie die die er geheiratet hat, SIE weiß das und sie spürt das … ihr fehlt Bestätigung von außen ... ihr fehlt die Bestätigung ihres Mannes ... schließlich hat sie doch alles, er tut doch alles damit sie zuhause bleiben kann … mann und frau sehen ihr Leben aus verschiedenen Blickwinkeln ...

Tja …. Und dank heutiger vielfältiger Möglichkeiten kann es nun passieren dass entweder frau oder mann oder beide z.B. per Internet Gespräche mit Menschen finden die sie zu verstehen scheinen, viel besser verstehen als der eigene Partner mit dem man schon länger nicht mehr spricht, weil die eigene Rolle so festgefahren erscheint und die Wege so ausgetreten, dass man nicht weiß wie man da wieder je wieder herauskommen könnte … der Fremde bedient nun was der eigene Partner vermeintlich nicht mehr bedienen kann und wird zum Vertrauten … er schreibt so schöne mails, findet so besondere Worte wie der eigene Partner sie möglicherweise einer anderen schreibt … sie können es noch, nur nicht mehr miteinander …

gleichzeitig wecken die Medien Sehnsüchte … man hat soviel noch nicht gelebt, noch nicht ausprobiert … alles ist möglich … wann, wenn nicht jetzt … just do it … das weitere Leben erscheint leer sollte es so weitergehen wie es momentan läuft, die Zukunft macht Angst … jetzt wäre noch die Chance … und manche nutzen sie wie den rettenden Strohhalm und gehen ...

schon in 10 Jahren wäre es möglicherweise zu spät … in 10 Jahren könnte man das Alter spüren in den Knochen, den Muskeln, der Haut … wer wollte einen dann noch? … könnte man dann noch? … außerdem scheint man alles erreicht zu haben im Leben, könnte zufrieden sein und ist doch so unzufrieden …

ich bin der Meinung die mittleren Jahre sind noch einmal so etwas wie eine weitere Pubertät … in der ersten geht es vom Kind zum Erwachsenen … in der zweiten muss der Erwachsene sich von der Jugend verabschieden und akzeptieren dass ein Teil seines Lebens unwiederbringlich vorbei ist und diese Tatsache annehmen … zufrieden werden mit dem was man erreicht und möglicherweise geschaffen hat … in der ersten Pubertät muss man es mit sich selbst und den Eltern aushalten, in der zweiten mit sich selbst und dem Partner …

Ich glaube, dass sich die Liebe zweier Menschen in wirklich langjährigen Beziehungen in den mittleren Jahren verliert … wer schon 20 Jahre mit dem Partner zusammen ist meint ihn in- und auswendig zu kennen, meint nichts mehr zu entdecken, glaubt nicht an Veränderung … zumindest einer von beiden kann und wird so denken …

Ich glaube aber auch, dass sich die Liebe dieser beiden Menschen wieder finden kann wenn diese Jahre erst mal überstanden sind … wenn man sich die Zeit gibt diese Jahre zu überstehen … man wird irgendwann ruhiger, muss nicht mehr alles erleben was möglich ist …

Eugen Roth hat sich darüber auch so seine Gedanken gemacht :

Ein Mensch möcht, jung noch, was erleben
Doch mit der Zeit wird sich das geben,
bis er, im Alter, davor bebt,
Dass er am End noch was erlebt

Denn eines ist über all die Jahre ganz sicher entstanden und immer mehr gewachsen … das Gefühl der Vertrautheit … und irgendwann kommt eine Zeit wo diese wieder wichtig wird … und aus ihr heraus kann auch die Liebe wieder gefunden werden die in den mittleren Jahren vernachlässigt wurde ...

Ich habe auch in einer unglücklichen Situation ohne erkennbare Liebe gelebt, ich weiß nicht wie lange … Ex und ich habe nebeneinander her und nicht mehr miteinander gelebt … aber hätte es den Vertrauensbruch nicht gegeben hätte ich weiter ausgehalten … im Leben scheint nicht immer die Sonne (trotzdem hab ich die Trennung nie in Frage gestellt, wollte nie zurück, fühlte mich danach besser als davor, selbst in den einsamsten Zeiten in denen die Gedanken die schlimmsten Wege gehen) …ich hatte zu Familienzeiten nicht wenige Bekanntinnen denen es ähnlich geht/ging und die sich deswegen nicht getrennt haben … der Alltag bestand aus häuslichen Pflichten von denen frau sich immer mehr suchte und Mann ihr immer mehr überließ …

wieviel Liebe empfindet frau in Momenten wo mann am Abend nach Hause kommt und sich zum sportlichen Ausgleich gleich noch mal aufs Rad schwingt während Frau 150qm mit dem Handrasenmäher bearbeitet den sie zuvor aus dem Keller nach oben geschleppt hat … im Ohr hat sie noch seine Worte: „Lass das doch, das mach ich dann morgen“ … die Worte klingen seit ungefähr zwei Wochen nach, während der Rasen immer undurchdringlicher wurde …

genauso undurchdringlich wie die Verständigungsschwierigkeiten zwischen den beiden … jeder ist zu sehr auf sich selbst fixiert … versucht bei all den Pflichten noch Rechte zu finden und geht damit am Gegenüber vorbei …

Empfehlenswert ist eigentlich auch das Buch

Das ganz normale Chaos der Liebe
Ulrich Beck, Elisabeth Beck-Gernsheim
Suhrkamp Verlag

Thema ist die Individualisierung unserer Gesellschaft und die sich daraus ergebenden Veränderungen in den Lebensverhältnissen und die sich wandelnden Beziehungsformen und Stellenwerte der Beziehungen

Gruß von lilac,

die weiß dass sie lange nicht alles angesprochen und ausformuliert hat was möglich gewesen wäre


Meine 15 jährige glaubt im Übrigen trotz Trennung der Eltern noch an die ewige Liebe ... der 15jährige von getrennten Bekannten allerdings will nie heiraten weil sowas ja doch keinen Bestand hat ...

01.03.2005 21:34 • #62


I
Hallo Lilac,

ich glaube, deinen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen.
So wird es in 95% aller Ehen laufen. Doch hier müsste im Idealfall Thildes Vorstellung vom Erhalt der Liebe eingreifen.
Wenn beide Partner in der Lage sind, ihre Gefühle, Ängste und Gedanken zu artikulieren, sollte auch in der von dir beschriebenen Midlifecrises ein erfüllter Fortbestand der bewährten Beziehung zu beider Zufriedenheit möglich sein.

Was eine Beziehung wert war, die aus den von dir genannten Gründen auseinandergegangen ist, erlebt meine Frau zur Zeit.
Die neue ersehnte Situation, die auch schon lange zum Alltag geworden ist, lange nicht die schöne Vergangenheit hat wie die alte Beziehung, hat nicht das Seelenheil gebracht.

Doch jetzt beginnt gas Dilemma. Man kann nicht einfach etwas neues ausprobieren, ohne den Partner aufs schlimmste zu verletzen, und meist kann dieser auch nicht mehr verzeihen.
Was zurückbleibt sind viele unglückliche Menschen.
Warum hatte der Verstand nicht vorher Macht über das vermeinlich neu verliebte Herz?????

Das macht mich einfach nur traurig, weil ich meine Frau sehr sehr gerne wiederhätte, sie mich auch, ich es aber nicht mehr kann.

Lieber Gruß

Ingma

02.03.2005 08:30 • #63




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