Chrissy, Du suchst Klarheit, Auflösung der miesen Situation.
Das ist mehr als verständlich.
Und das wird auch kommen.
Aber davor steht meist ein Entwicklungsprozess, der Zeit braucht und Geduld.
Du kannst Dich natürlich auch maximal schützen. Davor, herauszufinden, an welcher Stelle, durch welche Veränderung ihr euch verloren habt. Und auch davor, den gewundenen Weg heraus aus der Familie zu suchen. Das kann man auch radikal für sich abschließen und den Blick nach vorn richten.
Diese vermeintlichen Points of no return:
Wenn sie mit ihm im Bett war.
Wenn sie aus dem Urlaub kommt.
Wenn sie das Comeback nicht erwidert.
Wenn sie ihn nicht abschießt.
Wenn Du von der Geschäftsreise wiederkommst.
Wenn sie den Mietvertrag unterschreibt.
Wenn sie ausgezogen ist.
Das kann man so machen. Sich selbst äußere Anlässe setzen, um Konsequenzen zu ziehen.
Aber wichtiger wären Deine inneren Grenzen. Auch wenn die viel schwieriger zu ziehen sind. Schließlich war Deine Welt vor 6 Wochen noch ganz in Ordnung, dann über Nacht komplett im Eimer. Dann eine Woche Hoffnung schöpfen und kämpfen. Um dann zu erkennen, dass es dafür noch viel zu früh ist. Dann der schwarze Abgrund. Und das Selbstaufrichten wenige Wochen später.
Wie willst Du bei dieser Achterbahn wissen, wann es genug ist. Wann der Point of no return für Dich erreicht ist.
Das ist eine Menge Verantwortung.
Wieviel leichter scheint es da, eine äußere Grenze zu ziehen, an die man sich selbst halten kann.
Viele ziehen sie an dem Punkt, an dem Geschlechtsverkehr mit einer anderen Person vorkam.
Viele bei illoyalem Verhalten oder wenn sich der Betrüger nach dem Auffliegen nicht sofort zu ihnen bekennt.
Hör genau in Dich hinein. Was kannst Du nicht verzeihen. Jeder von uns hat eine andere innere Grenze. Bei mir ist es der Punkt, an dem der Partner sich selbst Vorteile auf meine Kosten verschafft oder mich in einem Irrglauben belässt, um sich Vorteile zu verschaffen. Also die illoyalem Form der Lüge. Da ist mein Point of no return.
Finde Deinen und handele danach.
Das kann (und wird vermutlich auch) Zeit kosten. Vor allem, weil Du den Betrug und die Trennung nicht hast kommen sehen. Du wurdest brutalst möglich schockiert und konntest diesen Schock nicht durch ein Comeback, durch Kämpfen auflösen.
Während der Zeit des Kennenlernens Deiner Grenze wirst Du vermutlich Gefühle der Trauer, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Verwirrung oder auch Zukunftsangst verspüren. Alles andere als angenehm. Es ist verlockend, sich darunter wegzuducken und sich abzulenken. Der Preis für diese Erleichterung ist, dass Du noch über Jahre daran zweifeln wirst, ob Du das Richtige getan hast. Und diesen Gedanken durch Rigorosität wegdrücken müsstest. Das würde ich Dir gerne ersparen. Wenn Du Deine persönliche Grenze kennst und nach ihr handelst, kannst Du jederzeit dazu stehen und musst sie nicht mehr in Frage stellen.
Ich rate Dir also dazu, Dir selbst Zeit zu geben, Dich in dieser neuen Situation besser kennen zu lernen.
Die Ansätze dazu gehst Du ja schon. Fragst Dich zum ersten Mal nach Deinem Sinn des Lebens.
Härte, Rigorosität, das Ausblenden der Alternativen macht Dir das Leben leichter. Aber auch ärmer.
Wir alle wünschen uns klare Regeln. An die sich dann alle zu halten haben. Aber man muss das Leben schon sehr reduzieren, damit das klappt.
Deine Ex war am Ende des Comebacks so aufrichtig zu Dir, wie sie es schon Monate, vielleicht Jahre vorher hätte sein sollen. Sie hat Dir exakt das beschrieben, was Betrüger als ihr Dilemma beschreiben. Hier war ein User Löwenherz bzw. Gangolf, der nie aus diesem Dilemma kam: Durch Umstellungen (meist die neue Rollenverteilung durch Kinder) kommt mindestens einer der Partner zu kurz. Ganz schleichend. Hin und Her gerissen zwischen Verständnis und Liebe für den anderen und Pflichtgefühl für getroffene Entscheidungen werden eigene Bedürfnisse negiert und etwas in ihnen verhungert. Ein Außenstehender bietet passendes Futter für diesen Hunger. Erst jetzt wird dem Betrüger wirklich klar, wie hungrig er seit langem war. Und verheißt sich in den Futterspender, statt beim Partner laut und dringlich die Nahrung einzufordern. In der Folge wird Energie aus der Hauptbeziehung abgezweigt, um sich dem Futterspender zuzuwenden. Die Hauptbeziehung verblasst zunehmend. Dann der Knall in der Hauptbeziehung. Und die Wahl, sich zu dieser zu bekennen, weiter zu hungern und noch kleinere Brötchen zu backen, weil man betrogen hat. Oder zum Futterspender zu wechseln und dann ständig Durst nach der Hauptbeziehung zu verspüren.
Wie man dieses Dilemma auflösen kann, weiß ich nicht. Und ist auch weniger Dein Problem als das der Ex.
Sie schon mal probedürsten zu lassen, um ihr zu beweisen, was sie alles verliert, wenn sie geht, ist bei Deiner Ex nicht nötig. Das weiß sie bereits. Daher auch die Belastungserschöpfung. Wüsste sie es nicht, wäre sie schon viel schneller und eindeutiger weg. Sie weiß, was sie an Dir hat. Traut Dir aber nicht zu, ihren Hunger zu stillen. Ob zu Recht oder unrecht, weißt nur Du.
Daher ist es so wichtig, Deine eigene Grenze zu kennen. Denn Deine Ex wird, so lange sie davon ausgeht, auch in Zukunft bei Dir den Hunger zu haben, den der Futterspender stillen könnte, zwischen Dir und ihm hin und her pendeln.
Gib Dir Zeit.
Finde heraus, wo bei Dir die Schotten dicht gehen. Und dann trenne Du die Beziehung oder füttere Deine Ex. Du hast es in der Hand. Die Ohnmachtsgefühle sind völlig unnötig. Du sitzt am entscheidenden Hebel. Den Du nicht überstürzt ziehen musst. Das geht auch noch lange nachdem sie ausgezogen ist.
Das ist mein Rat.