So, ich schalte mich dann auch noch einmal ein. Ich hatte mit so einer Reaktion schon gerechnet.
Liebe catwoman_,
Du scheinst die Problematik nicht verstehen zu wollen oder zu können.
Ich habe meine Partnerin über sehr lange Zeit direkt neben mir erlebt und die Symptome wahrgenommen, die mich zu meinen Schlüssen kommen lassen. Und das geschieht nicht aus Groll heraus oder aus dem, ihr die Schuld für irgendwas zuzuschieben. Das wäre nämlich in höchstem Maße unfair ihr gegenüber, weil sie verschiedene Dinge einfach nicht in der Hand hat. Und ich habe ja auch gesagt, dass meine Schuld darin besteht, sie nicht direkter mit der Nase auf diese Dinge zu stoßen, sondern still liebend zu leiden und mich aufzugeben.
Versetz Dich doch bitte selbst mal in die Lage eines Partners, der beobachtet, dass der andere teilweise völlig neben der Spur ist, sich von einem Tag auf den anderen merkwürdig verhält, Dir plötzlich nicht mehr in die Augen schauen kann und sich bei ihm Phasen von Euphorie und Lethargie abwechseln usw. Es sind keine normalen Stimmungsschwankungen, die ich von mir selbst und anderen auch kenne.
Was würdest Du tun? Einfach abhauen? Ihm Vorwürfe machen?
In der Zwickmühle steckt man in solchen Fällen, weil man liebt, aber eben gleichsam hilflos ist. Das ist eine beschissene Situation, sag' ich Dir!
Dass was ich hier geschildert habe, sind Vorkommnisse die ich so oder so ähnlich in der Zeit der Partnerschaft erlebt habe. Das sind keine Interpretationen und daran ist auch nicht beschönigt oder übertrieben. Objektiver kann ich leider nicht wiedergeben, was ich erlebt habe.
Übrigens war meine Ex schon mal an einem Punkt, an dem sie sich auf die Couch legen wollte. Aber das schrieb ich ja bereits.
Es scheint in Deiner Lebenswirklichkeit nicht vorzukommen, dass es solche Dinge gibt. Aber das heißt leider nicht, dass sie nicht existieren.
Ich baue mir gerade meinen Freundeskreis wieder auf und muss Dir leider sagen, dass sich darin die psychischen Einbrüche häufen. Fast keiner meiner Freunde ist davon verschont geblieben. Entweder bei einem selbst oder dem Partner. Und meine Freunde sind keineswegs labile Gestalten, die irgendwelche Dro. hinter sich haben oder ähnliches. Es sind Menschen wie Du und ich. Auf die biographischen Hintergründe gehe ich jetzt nicht weiter ein, aber es gibt Parallelen.
Was meinst Du denn, warum man heute mehrere Monate braucht, um einen Termin für eine Psychotherapie zu bekommen? An zu wenig Therapeuten liegt es ganz sicher nicht. Es liegt an zu vielen Patienten. Klar, es gibt auch die, die sich irgendwas einbilden, aber die Masse wird das nicht sein. DAS ist die Realität, auch wenn sie Dir vielleicht nicht gefällt. Mir gefällt sie übrigens auch nicht.
Um nochmal auf den Terminus Zusammenbruch zu kommen: Mir fällt leider kein Euphemismus dazu ein, der die Sache etwas blumiger klingen lassen würde. Also muss ich sie so benennen. Ich will Dir auch sagen warum.
Ich selbst hatte auch meinen Zusammenbruch, der zwar nicht lange dauerte und mich nur für kurze Zeit außer Gefecht gesetzt hat. Es waren keine Depressionen, um das klar zu stellen.
Und ich bin im Nachhinein dankbar dafür, dass mich mein Körper inkl. Psyche wieder auf die Beine gestellt haben und ich reflektieren konnte, was ich aus der Vergangenheit mit mir rumgeschleppt habe.
Es war ein schmerzlicher Einschnitt in meiner Jugend, der aber nicht verarbeitet wurde, weil ich eben funktionieren musste, um mein Leben am Laufen zu halten. Ich habe damals ein geliebtes, sehr enges Familienmitglied unmittelbar an Krebs sterben sehen und konnte mit den Begleiterscheinung (körperlicher und später psychischer Verfall, Siechtum, direkte Äußerungen zum Wunsch nach dem Sprung aus dem Fenster etc.) und dem Verlust damals noch nicht umgehen. Es war wie ein Erwachsenwerden im Zeitraffer oder der Wurf aus dem Nest. So beschreiben es jedenfalls viele und ich finde mich da wieder.
Aber ich habe diese Erfahrungen später mit einer Maske aus narzisstischer Arroganz und gespieltem Selbstbewusstsein kaschiert, wobei ich damit viele nahe Menschen vor den Kopf gestoßen und von mir weggetrieben habe. Erst der Zusammenbruch hat mir gezeigt, was ich die ganze Zeit veranstaltet habe und das ich für die Folgen verantwortlich war. Und er hat mich eben wieder zu dem selbstbewussten Menschen gemacht, der heute wieder empathisch und liebevoll sein kann, anstatt ständig seinen Fehler in anderen zu suchen.
Deshalb wünsche ich ihr den Zusammenbruch oder die Katharsis, wenn Dir der Begriff besser gefällt. Aber der Katharsis gehen, zum Beispiel in der Literatur, meist schmerzliche Einschnitte voraus. Im Leben auch.
No pain, no gain, hat mal jemand gesagt.
Vielleicht kannst Du jetzt besser verstehe, was ich gemeint habe und dass das hier keine böswillige Schuldsuche und Ablenkung von uns selbst sein soll. Auf Narzissmus wäre ich übrigens überhaupt nicht gekommen, weil mir der Begriff zu verurteilend klingt. Ich habe, wenn Du richtig liest, übrigens keine genaue Diagnose, im Sinne von Depression, Narzissmus etc., gestellt. Es gibt bisher nur eine Vermutung, mit der ich aber nicht zufrieden bin.
Und ich muss Dir eben auch sagen, dass ich die Trennung akzeptiert habe und ich meine Trennung auch vollzogen habe. An dem Punkt kann es nämlich für mich auch nicht mehr weitergehen. Und meine Zweifel an der Beziehung sind auch nicht erst außerhalb derselben aufgetreten. Aber ich bin keiner, der eine große Liebe vorschnell aufgibt, weil er sie zu schätzen weiß.
Verstehst Du mich? Ich würde mich freuen.
Liebe Grüße und ein Danke auch an aufgewacht!