Hallo TheSence!
Ich will Dir auch was schreiben, denn Dein Beitrag hat bei mir selbst etliches wieder aufgewühlt. Ich kenne das, was Du gerade durchmachst.
Wirklichen Rat kann ich Dir nicht geben, Trost eigentlich auch nicht. Was ich beisteuern kann, vielleicht einige Bausteine in Deiner Beziehung besser zu verstehen, so dass Du möglicherweise eine andere Sichtweise auf Deine Situation bekommst - obwohl ich denke, dass meine Gedanken Dir momentan nicht als hilfreich erscheinen.
Zunächst ein Gefühl: Mich macht das so wahnsinnig wütend, dass Menschen anderen Menschen so viel Leid zufügen. Es hat so was Unnötiges an sich.
Und ja, ich habe eine festgefügte Ansicht zu dieser Art von Beziehungsverlauf und es gibt darin zunächst einen Schuldigen. Und das ist der Verlasser, der, der sich trennt, der, der sich zu neuen Ufern aufmacht.
Und was mich noch wütender macht, dass derjenige, der verlassen wird, noch die Schuld aufgeladen bekommt, ein schlechtes Gewissen bekommt, denkt, er hätte jemals eine Chance gehabt, wenn er sich nur anders, rücksichtsvoller, empatischer verhalten hätte. Dass dann diese Geschichte einen anderen Verlauf genommen hätte.
Nein, im Gegenteil, gerade weil Du so lieb und hilfsbereit und zugewandt und ausgleichend mit ihr umgegangen bist, das hat sie von Dir entfernt.
Und nein, ich rede hier jetzt nicht davon, dass Du hättest taktieren müssen, dass Du Dich attraktiv, interessant oder ähnliches hättest machen müssen. Taktikspielchen in Beziehungen sind einfach nur Kindergarten, unterste Schublade, unwürdig - und zwar immer.
Ausserdem, Du hättest sowas nicht machen können. Das entsprach nicht dem, was Du von der Beziehung wolltest, wie Du diese gestalten wolltest, welchen Stellenwert Dein Partner darin einnahm. Du hattest einen Partner, dem Du vertrautest, den Du achtetest. Mit so jemandem macht man keine Psychospielchen, da ist die Zeit, die man mit ihm verbringen will zu wertvoll. Da kommt man nicht auf dumme Gedanken.
Ich mache jetzt mal eine Setzung, die Dir gar nicht gefallen wird, weil sie nicht zu Deinen Hoffnungen passt, denn Du möchtest ja weiterhin mit Deiner Freundin zusammen leben. Und diese Setzung versucht zu erklären, weshalb Du keine Chance (2. Chance) hast.
Es scheint wohl viele Beziehungen zu geben - schau Dich hier im Forum um, da ist etliches darüber zu lesen - die haben einen merkwürdigen Verlauf. Nach der Phase der Verliebtheit, die unterschiedlich lang verlaufen kann, dann, wenn beide verstehen, es geht um eine Beziehung, die Dauer haben soll, passiert etwas bei beiden Beteiligten. Der eine (es kann der Mann oder die Frau sein) läßt sich voll darauf ein. Er internalisiert den Partner mit allem, wie er gesehen wird. Er baut seine ganze Psychostruktur mit seinen Wünschen, Hoffnungen, Bedürfnissen so auf, dass der geliebte Partner daraus nicht mehr wegzudenken ist, ohne dass dieses Gebäude restlos in sich zerfällt. Du erkennst Dich vielleicht in dieser Rolle.
Der andere Partner erkennt diesen Zusammenhang irgendwann. Und wenn es ihm an Reflektion mangelt, nimmt er dieses Bild von sich an, das der andere ihm vermittelt. Er denkt, dass er wirklich so toll, so großartig, so wichtig ist, wie er das im Leben seines Partners ist. Also ist er eine wirklich prima Person, die sich aus Liebe, aus Großzügigkeit, aus Freundlichkeit mit jemandem abgibt, der eigentlich recht profan ist. Der eigentlich sogar gewühnlich ist. Nun, es macht auch Spass mit dem, man kann sich auf den verlassen, der ist zuverlässig und immer da, wenn man ihn braucht.......aber irgendwie langweilig, wenig erfüllend, im Zusammensein mit dem fehlt einem der letzte Pep. Aber schau mal, da draussen ist eine bunte Welt. Was es da noch alles zu entdecken gibt. Aber man ist ja leider gebunden. Und zwar an einen, den man für kaum was begeistern kann. Und irgendwie steht der zwischen mir und meinem Leben, schon fast lästig. Naja, er lässt mir wenigstens den Raum, so dass ich allein auf Trebe gehen kann. Nein, ich mag den schon, will ihm auch nichts Böses, aber die Lust ist dort, wo der nicht ist.
Und dann beginnt der Kampf. Und wenn beide Partner genug Gespür haben, merken sie beide, da ist was Ungutes am Werden.
Der Liebende klammert noch mehr, strengt sich noch mehr an, verbiegt sich über jedes Maß hinaus, der andere muss sich beständig beschränken, will eigentlich raus aus der beengenden Beziehung, weiß aber, welches Leid er bei jemandem verursacht, dem er das so nicht antun will und darf.
Und das zieht sich idR hin, bis ein Dritter auftaucht. Der sprengt das Ganze. Er läßt bei dem Verlasser die Phantasie fliegen, alles kommt in Wallung, alles ist wieder möglich. Und hinzu kommt, dass der Verlasser sich erproben kann. Bin ich wirklich so toll wie es mein Partner spiegelt? Oder klappte das nur bei dem, weil der ja eh etwas unterbemittelt ist? In dieser Gemengelage hat der Liebende keine Chance! Und je mehr und je weiter er seine Rolle spielt, seine Chance, die er wie gesagt nie hatte, verschwindet restlos.
Lieber TheSence, was Du von Deiner Partnerin und Dir schriebst, passt da genau rein. Leider!
Selbst das Wissen um die Zusammenhänge, würde es nicht verändern. Das Leid bleibt Dir nicht erspart. Du musst da durch. Wie so viele vor und während und nach Dir. Und was Du dafür im Tausch erhältst, im Tausch für Deinen Lebenstraum, ist sehr zwiespältig und in der Zeit des größten Schmerzes nicht wahrnehmbar. (Aber nebenbei, Dein Lebenstraum war nur Deine Illusion). Und ob Du es aufnehmen willst ist eh die Frage. Du könntest ein Stück Erkenntnis bekommen. Du könntest etwas mehr darüber erfahren, was es mit Dir auf sich hat, wie Du funktionierst, was Du wirklich brauchst. Und vielleicht würde sich Dir daraus ein neuer Sinn in und für Dein Leben erschliessen. Und Deine schwere Verletzung, die Du erhalten hast, kann verheilen. Das ist alles individuell, das hängt an den jeweiligen Personen, die sowas erleben.
Aus meinen Ausführungen ergeben sich Konsequenzen. Du musst radikal und sofort jeden Kontakt zu Deiner Noch - Partnerin einstellen. Jede Begegnung erneuert nur Eure bisherige Beziehungskonstellation. Und die zerstört Dich. Und lässt sie als Mensch ebenfalls nicht reifen.
Wobei, sie wird ihre Art von Beziehungsgestaltung so lange fortführen, bis sie an jemanden gerät, der anders auf ihre Muster reagiert, bei dem ihre Mechanismen versagen. Also für sie ist ebenfalls schon 'ne Menge an Leid bereit gestellt. Das ist halt nur noch nicht so sichtbar. Und mit dem 39jährigen mit Kind erlebt sie das auch noch nicht. Aber der 39jährige wird für seinen Beitrag an Deinem Leid noch was eingeschenkt bekommen. Ich schreibe dies nicht aus Schadenfreude oder ähnlichen grenzwertigen Motiven. Es geht mir nur darum aufzuzeigen, wie sich Leid und Trauer fortpflanzen und wachsen und unendlich weiterwuchern, wenn es den Beteiligten nicht gelingt, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Und dazu wäre Einsicht nötig, Einsicht von allen Beteiligten.
Vielleicht liegt ja da ein Sinn im Leben, über eine tiefe Leiderfahrung zur Einsicht über sein Sein zu gelangen und auf erweiterter Stufe weiter zu leben. Und da vergeht sowohl die Schuld als auch meine Wut.
Ich wünsche Dir viel Kraft für die nächste Zeit. Zuversichtlich macht mich, dass ich aus Deinem Schreiben entnehme, dass Du sehr verantwortungsbewusst bist und auch klug genug zu sehen, dass Du in einem größeren Zusammenhang lebst. Und Du weißt Dir zu helfen. Du bist schon dabei. Du hast z.B. in dieses Forum gefunden. Und Du bist in der Lage, Dein Problem zu schildern und zu reflektieren, auch mit anderen.
der alte