Liebe Memi,
ich war die letzte Woche sehr beschäftigt (Arbeit und habe eine Freundin besucht), so dass ich erst jetzt nachgelesen habe, was ihr geschrieben habt.
Zu allererst: danke für deine Worte. Ohne meine Geschichte im Detail zu kennen, triffst du genau den richtigen Nerv. Mein Ex hat sich im Gegensatz zu deinem (bis jetzt ) noch nicht als A.loch geoutet. Das ändert aber natürlich nichts an der Tatsache, dass es mich unglaublich verletzt hat, wie er die Beziehung beendet hat. Er hat sich einfach feige rausgestohlen. Ich habe ihn in den Wochen davor ab und zu mal gefragt gehabt, ob alles ok ist bei ihm. Er kam mir etwas geknickt vor. Aber ich habe das eben auf sein generelles Problem (Depressionen, Unzufriedenheit mit sich selbst etc.) geschoben und nicht auf unsere Beziehung. Ein Fehler, wie ich jetzt weiß! Ich dachte immer, dass ich ihm helfen kann, seine Probleme irgendwann in den Griff zu bekommen, weil er endlich einen Menschen in seinem Leben hat, der ihn über alles liebt und dem er vertrauen kann. Ich habe seine Probleme immer akzeptiert, weil er sich bis zu diesem Schlussmachen eben in der Beziehung immer toll und liebevoll verhalten hat. Er hat seine Ängste und Wut etc. nie (zumindest nicht für mich spürbar) an mir ausgelassen. Ich habe seine Krankheit als abgespalten von ihm gesehen, weil er mir damit nicht direkt geschadet hat sondern nur sich selbst (er hat z.B. sein Studium und seinen Job geschmissen, hat Rechnungen nicht geöffnet, hat den Kontakt zu langjährigen Freunden abgebrochen...das hat er mir alles immer erst erzählt, als es schon zu spät war. Ja, tatsächlich hat er sein Studium von einem auf den anderen Tag hingeworfen und hat es mir erst erzählt, als er exmatrikuliert war). Und ich Idiot....ich hab ihn unterstützt, hab mich informiert, wie man mit einem Depressiven umgeht. Wollte nichts falsch machen. Hatte Angst, ihn zu fragen, wie es weitergehn soll, ob er seine Rechnungen wieder öffnet, ob er noch Schulden hat. Habe jedesmal tagelang überlegt, wie ich das frage, ohne, dass er sich minderwertig und blöd vorkommt. Ich Idiot...
Was wirklich weh tut, ist , dass ich immer dachte, ich bin ein intelligenter Mensch, der eine gute Menschenkenntnis besitzt und gut auf sich selbst aufpassen kann. Wie sehr ich mich nicht nur in ihm sondern auch in mir getäuscht habe. Für wie toll kann man sich selber halten, dass man denkt, man könne jemandem, der sich selbst nicht hilft und immer wieder die gleichen Fehler macht aus einer Depression helfen. Oder einem Burn Out. Oder einer anderen psychischen Krankheit. Was auch immer es ist. Ich dachte, ok, vll kann er sich selbst nicht so sehr lieben. Aber wenn ich ihm zeige, dass ich ihn liebe und ihn nicht verlasse und mich von ihm abwende, wie es z.B. seine Familie getan hat, dann muss ers doch kapieren. Wie arrogant von mir.
Liebe Memi, jetzt habe ich so viel geschrieben über mich, dabei wollte ich dir eigentlich auf deinen Post antworten. Aber irgendwie ist es gerade herausgesprudelt. Sorry
Also, ich finde du machst dich ziemlich ziemlich gut! Ich finde es toll, dass du dir das mit dem Umzug alleine organisiert hast, dass du alleine deine Taschen geschleppt hast, dass du es geschafft hast, dieser Situation in der anderen Wohnung, die dich belastet, den Rücken zu kehren und was zu tun. Ich weiß, man denkt dann immer: soooooo toll war das jetzt auch nicht, es gibt Leute, die schaffen wesentlich mehr als ich. Mag sein. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, das zu schaffen, was du gerade schaffen musst, damit es dir besser geht. Ich bin mir sicher: müsstest du eine NOCH schwierigere Situation meistern, würdest du auch das hinbekommen. Weil du eine starke Persönlichkeit bist. Ich finde es um ehrlich zu sein schon stark, wenn man es schafft, in dieses Forum zu schreiben. Mit anderen zu teilen, wie es einem geht. Sich selbst bewusst zu machen, was da passiert ist. Möglicherweise auch von andeen gesagt bekommen, dass man selbst total doof war oder selbst schuld war oder...einfach Dinge zu hören, die man nicht hören mag.
Ich habe so ein kleines Tagebuch, in das ich meine Gedanken bzgl der Trennung schreibe. Das erste Mal, als ich mich getraut hab (vor ein paar Tagen) mein EX zu schreiben, da hab ich Rotz und Wasser geheult. Ich konnte es nicht fassen. Nach über einem Monat immer noch nicht. Aber da stand es, schwarz auf weiß. Wir sind nicht mehr zusammen. Wir werden nicht zusammenziehen, nicht heiraten, keine Kinder bekommen. Unsere Wege trennen sich hier, das wars! Oh mein Gott! Gefühlt habe ich 1000 Schritte zurück gemacht. In echt habe ich einen großen Schritt nach vorne gemacht. Nicht, dass es mir deswegen jetzt zwingend gut oder viel besser geht. Nein, das nicht. Aber auf Dauer wird es das. Irgendwann kommt die Botschaft halt auch im lahmsten Hirn an
Was ich eigentlich sagen wollte: unsere Exen, die haben ein ECHTES Problem. Und was tun sie? Sie flüchten sich in eine neue Beziehung (ich weiß nicht, ob mein Ex eine Neue hat. Aber ich habe das hier im Forum so oft gelesen, dass ich es mir mittlerweile, auch wenn er es verneint hat, trotzdem gut vorstellen kann). Und wenn es keine Neue ist, dann lenkt er sich eben mit was anderem ab, damit er sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen muss.
Genau wie dein Ex halt auch. Dabei hätten sie es vermutlich nötiger als wir, hier mal ein paar Takte reinzuschreiben.
Memi, sei stolz auf jeden deiner Schritte und sei er auch noch so klein. Versuche, das alles nicht als vergeudete Zeit anzusehen oder als Fehler. Sieh es auch als Chance. Ich weiß selbst, wie schwer das fällt und oft gelingt es mir nicht. Aber überleg mal so: man bekommt im Leben vielleicht keine bessere Chance, sich mit sich selbst intensiv auseinanderzusetzen wie nach einer plötzlichen Trennung. Man ist ja sonst auch viel zu bequem, sich Gedanken darüber zu machen, wenn alles gut läuft. In meinen Augen ist jeder, egal ob Verlasser oder Verlassener einfach nur dumm, wenn er sich die Chance entgehen lässt, nach einer Trennung alleine zu sein und zu reflektieren, sich zu spüren, sich (schmerzhaft) zu häuten und dann wie ein Phönix aus der Asche wieder aufzuerstehen
Du schaffst das, dein Ex nicht. Und deswegen: auch wenn man das nicht hören will: ihr habt nur an der Oberfläche gut zusammen gepasst. Du bist mutig, reflektiert, empathisch und klug. Er nicht. Zumindest nicht in Herz UND Kopf.
Fühl dich umarmt. Und geniesse den Rest vom Wochenende allein in der Wohnung.
08.02.2015 09:23 •
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