@nepomuk:
Hi nochmal. Du wolltest wissen, wie ich es erfahren habe, die Zweitbeziehung meines verstorbenen Partners. Sie hatte auf der Beerdigung sehr gelitten und geweint, wir blieben in Kontakt. So nach ungefähr 2 Wochen fuhr ich zu ihr. Sie erzählte mir dann davon. In ihrem Haus waren viele persönliche Dinge von ihm. Familienfotos, von ihm beschriftete Klamotten, Zahnbürste, Rasierer. Es war ein Tick von ihm, alles mit seinem Namen zu versehen, mit einer kleinen Etikettiermaschine. So auch hier.
Sie lebte weiter weg. Alle in ihrem Umfeld kannten ihn als ihren festen Freund ala Fernbeziehung,er war durchschnittlich einmal im Monat für 3-4 Tage dort. Sie kannten sich schon viel länger als wir uns kannten und wir waren immerhin 5 Jahre zusammen. Ich würde dennoch sagen, es war eher Freundschaft Plus. Jeder hat seine Probleme stets allein gelöst. Es gab kein eheähnliches Miteinander in Krisen. Ihr genügte das so. Sie mochte ihre Freiheit.
Sie wäre auch nie auf die Idee gekommen, ihn zu pflegen oder so. Umgekehrt ebenso.
Mir erzählte er, er hätte regelmässige Auslandsprojekte beruflich.
Sie wusste erst im letzten Drittel seiner Krankheit von mir. Aber:
Angeblich war ich eine Bekannte, die ihn anhimmelte. Sie wusste aber bei ihrem Besuch, dass da etwas nicht stimmt. Sie sprach mit ihm, aber ich verstand kein Wort (sie sprach holländisch, konnte kein deutsch), spürte nur die Unstimmigkeiten. Merkwürdig für eine Kegelschwester. Warum war sie so? Musterte mich so eigenartig?
Er sagte, sie sei ein schwieriger Typ.
Nach ihrem Besuch versagte er ihr den Kontakt, aber sie rief bei uns zuhause an, wollte ihn sprechen, er weigerte sich. Irgendwann sagte ich ihr, dass er gestorben ist. Das verstand sie. Sie weinte furchtbar am Telefon. Ich sendete ihr eine Einladung zur Bestattung (Adresse hatte ich aus seinem Telefonbuch), die zwei Wochen später stattfand (es war eine Feuerbestattung)...
Also kurz gesagt: es war der menschliche Faktor. Die Trauer hat sie letztendlich reden lassen. Wir haben beide gelitten. Und alle beide wären wir nicht im Traum darauf gekommen, eine Affäre zu sein. Freundschaft Plus oder eine feste Partnerschaft - beides war jeweils für uns Frauen monogam.
Das ist der Unterschied zu eurer Beziehung. Du wusstest von ihr von Anfang an, dir bleibt also der Schock erspart.
Ich verurteile allerdings, wenn seine Frau gerade jetzt nicht die Chance bekommt, die Wahrheit zu erfahren, denn es liegen harte Zeiten vor ihr.
Er hat sich nicht an den Deal seiner Ehe gehalten, sie soll aber das in gute wie in schlechte Zeiten erfüllen.
Du hast nur gute, ausgesuchte Zeiten mit ihm gehabt und alles andere ist ihr Job. Ist nicht wirklich fair, oder?
Nehmen wir mal an, er würde wirklich den Anstand haben, es ihr zu erzählen. Sie geht. Er bittet dich zu ihm zu kommen.
Würdest du dann für ihn sorgen? Deinen Ehemann verlassen, um ihm Tag und Nacht beizustehen?
Wie viel würdest du opfern, um ihm zu helfen?
Immerhin ist sein Leben in Gefahr. Und er ist dir ebenso wichtig wie dein Mann, sagst du.
Die Antworten auf diese Fragen sind auch die Antworten, ob es tatsächlich um Liebe geht. Oder um den Verlust der guten Zeiten.