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Schwindende/Keine Gefühle -Trennung unumgänglich?

A
Belladonna,

du wirst sicherlich erst zur Ruhe kommen,wenn ihr in getrennten Wohnungen wohnt.
Es ist eine schwierige Situation für euch beide.

09.06.2015 17:15 • #676


P
Schau immer nur, wie es für dich jetzt gerade am besten ist.
was in 2 jahren sein wird, wird eben in 2 Jahren sein..
jetzt ist es wichtig, dass du über den tag kommst!

09.06.2015 18:07 • #677


A


Schwindende/Keine Gefühle -Trennung unumgänglich?

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C
Hallo Belladonna,

ja, du hältst dich fest wie eine Ertrinkende am Stück Holz, das von deinem Boot übriggeblieben ist...

Und du bist sehr vorsichtig, versuchst, alles richtig zu machen, damit dir nicht auch noch der Rest des Bootes verloren geht. Stellst keine Fragen, die ihm vielleicht unangenehm sind. Hast Angst, einen Fehler zu machen... wieder etwas falsch zu machen.

Bist einfach froh, dass er da ist - nicht mehr ganz und gar, nicht mehr wie vorher, aber das ist im Moment nicht wichtig. Hauptsache er ist da. Das gibt dir ein kleines Stück von dem zurück, wonach du dich so sehnst: Geborgenheit. Und es fühlt sich so verdammt gut an. Du spürst, dass du soviel kannst, wenn du dich geborgen fühlst. Geborgenheit fühlen macht stark.

So lese ich, was du schreibst.

Ich kenne deine vorherige Lebensgeschichte nicht, weiß nicht, was du erlebt hast, bevor du ihn kennengelernt hast. Aber du hast geschrieben, dass du eine Einzelgängerin warst...

Es scheint mir, als hättest du einen Rucksack mit schweren Steinen mit auf den Lebensweg bekommen. Bist trotzdem deinen Weg gegangen - innerlich einsam, isoliert. Dann trat er in dein Leben. Und je näher er dir kam, desto schwieriger wurde es für dich. Kann etwas einfach leicht und schön sein? Nein - das kanntest du nicht. Der Rucksack hinderte dich. Du wurdest depressiv als ihr das Normalste tatet, was Pärchen meistens irgendwann tun - zusammenziehen. Da war auf einmal auch noch die intensive räumliche Nähe... das war nicht gut für deine innere Isolation, für die Schutzschicht. Deine Seele meldete sich... mit einer Depression.

Aber er blieb. Liebevoll und fürsorglich kümmerte er sich um dich. Obwohl du dich selbst nicht leiden konntest. Und es dauerte, bis du es wirklich zulassen konntest, dass jemand so ist zu dir... dauerte, bis du es annehmen konntest. Und langsam lerntest du, was es heißt, sich geborgen zu fühlen. Dieses wunderbare starke Gefühl breitete sich in dir aus.

Und endlich warst auch du bereit für eine gute Partnerschaft.

Doch es war etwas passiert - mit ihm. Es sind wahrscheinlich zwei seiner Charakterstärken: Fürsorge zu empfinden und Verantwortung zu tragen. Diese beiden Stärken waren sehr gefordert, sozusagen von Anfang an. Es machte ihm nichts aus, glaubte er. Doch er hat sich geirrt. Etwas in ihm blieb auf der Strecke dabei. Vielleicht war es die Sehnsucht nach Leichtigkeit, vielleicht hat er zuwenig an Aufmerksamkeit und an Zuwendung bekommen in der Zeit, vielleicht ist er irgendwie emotional verhungert. Wissen konnte er das vorher nicht; er hat es dann nur irgendwann gespürt, als er sich nicht mehr nur auf's Geben konzentriert hat...

Ob es so war, weiß ich natürlich nicht, sind nur meine Gedanken. Aber leider ist es ja so, dass er zu dir gesagt hat, er würde nicht mehr genug empfinden für dich, um sich ein Zusammenleben mit dir vorstellen zu können. Was immer noch da ist, ist die Fürsorge und Verantwortung, die er für dich empfindet. Aus der kann er sich auch nur schlecht lösen. Das merkt man an seinem Verhalten... finde ich. Aber eine Partnerschaft stellt er sich anders vor - da möchte er auch noch andere Empfindungen haben. Und die sind einfach für dich nicht (mehr) da.

Belladonna, es tut mir sehr leid für dich. Kann mir vorstellen, wie furchtbar es für dich sein muss, ihn zu verlieren. Und mit ihm dieses wunderbare Gefühl der Geborgenheit. Du kannst ihn verstehen, das merkt man, wenn du über ihn schreibst. Auch, wenn da immer wieder dieser sehr quälende Schmerz in dir hochkommt. Und die Angst, was kommen wird, wenn er wirklich weg ist - und mit ihm dein Nest, welches du vielleicht das 1. Mal in deinem Leben als solches empfunden hast.

Er hat dir etwas gezeigt. Vielleicht war das der Sinn eurer Beziehung - wer weiß das schon. Es war nicht umsonst, dass du deine innere Einsamkeit, deine innere Isolation, langsam verloren hattest neben und mit ihm. Ich wünsche dir sehr, dass du das zu deinem Hauptthema in deiner Therapie und der eventuellen Kur machst - wenn du es geschafft hast, ihn gehen zu lassen. Trotz deiner Trauer. Und weil du schwimmen willst, alleine und kräftig und gerne, und ohne die ständige Angst unterzugehen. Den schweren Rucksack musst du mit professioneller Hilfe leichter machen.

Bitte ihn nicht mehr bewusst oder unbewusst darum. Es ist zu schwer für ihn.

Lieben Gruß
clematis

09.06.2015 18:43 • x 7 #678


B
@Clematis: Leider kann ich dir keine private Nachricht schicken. Wer bist und woher kennst du mich? Du hast mich besser beschrieben, als ich jemals könnte. Ich habe deine Nachricht wieder und wieder gelesen, beim ersten Mal saß er in der Nähe und ich musste die Tränen wegdrücken. Es ist so unglaublich, wie du alles beschreibst. Vielleicht sollte ich ihm deinen Text mal zeigen. (natürlich ohne vom Forum zu berichten)

Ich danke dir von Herzen für deinen Beitrag, ich bin immer noch gerührt und mir fehlen die Worte. Danke, Danke, Danke!

09.06.2015 21:02 • #679


B
Hallo,

Der Morgen verlief heute wie immer sehr bescheiden. Dabei bin ich gestern früh im Bett gewesen und er und der Hund sind aktuell noch da. Wie soll das werden, wenn er weg ist?

Ich habe 1,5 Stunden zum Aufstehen gebraucht. Dann bin ich mit dem Hund gegangen und auf dem Rückweg kam er uns mit dem Auto entgegen und hat angehalten. Er meinte ich sei viel zu spät dran und das er mich nun nach Hause fährt. Er hat dann gefragt, ob ich schlecht drauf sein, ich würde so aussehen. Ich habe gesagt nein. Dann er Also nicht schlechter als sonst eh schon? Ich: Korrekt.
Er hat mich und den Hund dann nach Hause gefahren und meinte, er hätte mir ein Brot für die Arbeit gemacht und ich solle es bitte essen, das wäre wichtig. Dann ist er gefahren.
Macht er das dann in zwei Wochen mit ihr und kriegt das vom Kopf her hin? Ich verstehe das nicht.

Ich bin jetzt zu Hause und er wird gleich auch kommen. Heute Abend gehen wir einem unserere Lieblingslokale Sushi essen.Es ist ein Abschied auf Raten. Vielleicht brauche ich das, vielleicht quäle ich mich unnötig, ich weiß es nicht.

Momentan überwiegt die Freude,dass er noch hier ist und vorallem, dass sie noch im Urlaub ist. Mir graut momentan eher vor ihrer Rückkehr, als vor seinem Auszug. Das ist doch verrückt. Aber sobald sie da ist, wird er wieder zu dem seltsamen Menschen, der mich am Telefon abwürgt und fies zu mir ist.

Ich bin wirklich gespannt, wie die nächste Zeit wird. Ob ich das hier alles irgendwann lesen kann und mir denke, Es war schlimm aber es ist überstanden, ob ich die Hoffnung nie aufgebe oder ob ich verbittert sein werde.

10.06.2015 14:49 • #680


V
Erinnert mich an eine Geschichte. Das war noch zu der Zeit, wo wir uns im Guten getrennt hatten, ich zwar wusste, dass sie einen anderen liebt, aber nicht, dass sie mich betrog.

Sie schlief schon seit einer Weile bei ihren Eltern. Sie rief mich eines Tages an, ob sie nicht zu mir kommen, für mich kochen und zuhause schlafen kann. Wie das so ist, haben alle Hoffnungsalarmglocken geschrillt, obwohl wir eindeutig getrennt waren.

Sie kam abends. Wir kochten zusammen, schauten Fern, später fuhren wir noch etwas raus an die frische Luft. Es war wie immer. Ich hätte meinen können, dass wir noch zusammen sind. Fast.

Während der ganzen Zeit suchte ich ihre Nähe. Ich dachte, damit wecke ich vielleicht vergessene Gefühle und sie merkt, wie schön es mit mir ist. Das heißt, ich streichelte sie, kam ihr oft ganz nah, eben Körperkontakt gesucht. Sie ließ es auch mehr oder weniger zu. Schaute aber verdutzt, nach dem Motto: das geht so nicht. Von ihrer Seite kam eigentlich nichts in dieser Richtung. Wir schliefen dennoch im selben Bett - wie immer.

Das Ganze ging soweit, dass ich sie versuchte zu küssen, mehrmals (nicht im Bett, vorher). Wehrte sie deutlich ab.

Ich kann mich noch haargenau an unseren letzten Kuss erinnern, er war nur halbherzig, morgens, kurz bevor ich sie zum ersten Mal zur Rede stellte. Ich kann mich irgendwie nicht abfinden, noch Heute, dass das der letzte Kuss war, den wir jemals teilen werden. Wohl auch daher, wollte ich sie einfach ein letztes Mal küssen.

Nichtsdestotrotz, ich weiß, ich gebe dir hier gerne die harten Ratschläge, von wegen sei abweisend und lass ihn nicht an dich daran, aber zugegeben, kenne ich sehr gut die Situation, wie es sich anfühlt, wenn dieser eine Mensch, auf einmal wieder vor dir steht. Alle Bedenken gehen über Bord.

Ich wette, wenn ich sie heute wieder sehen würde, hätte ich wieder das Verlangen, sie in meine Arme zu nehmen und zu küssen. Auch, wenn ich subjektiv der Meinung bin, dass ich mittlerweile einigermaßen klar komme.

10.06.2015 15:18 • #681


B
@ViaAffective: Danke für deinen offenen Worte. Ich kann total gut nachempfinden, was du meinst. Es fühlt sich fast so an früher, aber leider nur fast. Sobald er länger mit seinem Handy beschäftigt ist dreht sich mir der Magen um. Wenn er sich zu mir setzt und wir miteinander reden wie immer habe ich einen Höhenflug und fast schon Schmetterlinge im Bauch.

Ich hoffe wirklich, ich ertrage das hier alles. Ich habe so eine Angst vor ihrer Rückkehr aus dem Urlaub.
Kann sie sich nicht einfach im Urlaub Hals über Kopf in einen anderen verlieben?!

10.06.2015 15:27 • #682


D
Zitat von Belladonna24:
Kann sie sich nicht einfach im Urlaub Hals über Kopf in einen anderen verlieben?!


Und das würde dir was genau bringen, Belladonna?
Du wärst immer noch das kleine Häufchen Elend welches ihn wie die Luft zum Atmen braucht.
Sie ist nicht das Problem.
Du musst dich aus deiner Abhängigkeit von ihm lösen, ansonsten würde er dich nicht mal mehr wollen, wenn es keine Frau auf Erden mehr geben.
Bedürftigkeit macht unattraktiv.
Klingt einfacher als es ist ich weiß.
Ich wünsche mir trotzdem für dich ,dass du dir ein bisschen mehr wert bist, als das was du dir grade antust..

LG

10.06.2015 15:51 • x 1 #683


B
Note to myself:
Seine Anwesenheit alleine ist kein Garant für gute Laune.

Das Sushi Essen gehen war nicht so gut. Ich musste einmal weinen, als er mich wegen der Arbeit und einem möglichen Umzug gelöchert. Dann meinte er als ich weinte, dass sei der Grund warum wir uns nicht oft sehen sollte. Da habe ich ihn gefragt was er denkt, wie es mir geht wenn er nicht da ist. Seine Antwort: Das weiß ich nicht aber mir geht es besser, wenn ich dich nicht so traurig sehen muss.
Ich konnte kaum etwas essen. Er meinte dann noch erzähl doch mal was aber ich konnte nicht.

Zu Hause angekommen hat er anscheinend ihr geschrieben. Immer das Handy weggedreht, wenn ich in der Nähe war. Ich bin duschen gegangen und habe geheult wie ein Wasserfall.

Eben hat der den Hund ins Schlafzimmer gebracht und mit ihm im Bett getobt, wo ich sitze. Er denkt sich nichts dabei und merkt nicht, wie nah er mir dabei kommt. Er meinte dann noch ich hätte heute einen schlechten Tag, was denn los wäre, ich sei so traurig und das würde ihn auch trauig machen. Ich habe ihm gesagt er macht mich auch traurig. Er hat gefragt was er macht, dass mich traurig macht. Ich habe nichts gesagt.

10.06.2015 20:45 • #684


Myself
Er hat ernsthaft gefragt, was Dich traurig macht? Also ehrlich. Ich hatte bislang einen verantwortungsvollen und sogar feinfühligen Menschen vor meinem inneren Auge. Aber das ist ja ein emotionaler Holzkopf. Ja, Himmel Herrgott, Sack und Asche. Darf man nicht mal einfach traurig sein und weinen nach einer Trennung und nach Deiner harten Phase sowieso... Was bitteschön erwartet er denn? Dauergrinsen, damit er kein schlechtes gewissen haben braucht?!? Depp. Sry, für meinen Ausbruch...

Note to myself hieß Memo an mich - richtig? Oder war ich gemeint und ich hab was verpasst?

10.06.2015 21:04 • #685


B
@Myself: Es war eine Notiz für mich

Er war gerade nochmal kurz bei mir im Schlafzimmer und meinte heute wäre wirklich ein schlechter Tag, es sei wohl nicht so gut dass er da ist.
Ich: Das ist kein schlechter Tag.
Er: dann möchte ich keinen schlechten Tag erleben.
Ich: ich auch nicht mehr

Er ist dann ins Nebenzimmer gegangen zum schlafen.

10.06.2015 21:16 • #686


L
Hallo Belladonna,

langsam fange ich an, zu grübeln, was für eine Art Lehrer er ist (brauchst Du nicht zu beantworten, am Ende finde ich ihn noch ) Er wirkt auf mich wie ein durchgeistigter Philosophierprofessor, der die einfachsten Alltagsdinge nicht merkt oder checkt, weil er ständig mit Höherem beschäftigt ist.
So etwas gibt es leider.
Vielleicht braucht er die deutliche Ansage, ganz unmanipulativ, dass Du traurig bist wegen des Beziehungsendes und dies auch nicht abschalten kannst oder willst.

Liebe Grüße!

10.06.2015 22:24 • #687


B
@Myself LuiseR:
Er weiß, dass es mir auf Grund der Trennung nicht gut geht.
Er wollte gestern wissen, warum ich -seiner Meinung nach - einen schlechten Tag habe was die Depression betrifft. Wollte wissen wieso ich überlege die Therapeutin zu wechseln usw. Als er dann noch sagte, es liegt wohl daran dass wir zusammen in der Wohnung sind habe ich fast schon panikartig gesagt Nein nein, das ist es nicht. Denn immerhin habe keine Panikattacken mehr, seitdem er da ist.

11.06.2015 07:19 • #688


L
Hallo Belladonna,

Du kannst ihm erklären, wenn er wieder bohrt - und Dich dabei gerne auf mich berufen (eine Bekannte ):
Es ist nicht gut, Details aus einer Therapie zu erzählen, sie sind immer aus dem Zusammenhang gerissen und nicht nachzuvollziehen für Außenstehende. Ich spreche aus Erfahrung.
Ob Du ihm evtl. schriftlich mitteilst, dass der Fokus auf Eure Beziehung und die Annahme der Therapeutin, er würde bis auf weiteres bei Dir bleiben,anscheinend ein Fehler war - kannst Du ja noch entscheiden.
Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass ihn das dann dazu veranlasst, sich weiter damit zu beschäftigen, immerhin hat er die Therapeutin ja auch mit besorgt.

Liebe Grüße!

11.06.2015 09:18 • #689


C
Hallo Belladonna,

ich könnte mir vorstellen, dass das Problem wahrscheinlich das ist, dass er auf einer ganz anderen Gefühlsebene ist als du. Ihm bedeutet es nicht dasselbe wie dir, wenn ihr jetzt noch ein paar Tage quasi zusammen verbringt.

Aus seiner Sicht müsst ihr diese Tage zusammen verbringen, notgedrungen, weil er noch keine eigene Wohnung hat. Er versucht auf seine Art das Beste daraus zu machen... ist wahrscheinlich froh, wenn es einigermaßen normal zwischen euch verläuft... aber mehr so in Richtung WG vielleicht... oder großer Bruder, kleine Schwester?

Für dich aber bedeuten diese Tage soviel mehr. Du hast ein Stück deiner kleinen Welt zurück, in der es für dich emotional nur euch beide gab. ER ist wieder da. Und mit ihm eine Kraft, eine Energie, die du ohne ihn einfach nicht spürst.
Auch du tust das, was dir möglich ist, um diese Tage gut sein zu lassen. Für dich, für ihn. Nur aus anderen Gründen als er - bei dir ist noch soviel Hoffnung, dass er ganz zurückkehrt zu dir.

Aber vieles ist eben nicht möglich. Denn du spürst auch immer wieder, dass da diese Distanz von ihm ausgeht. Dass er einfach nicht mehr das empfindet, was er mal für dich empfunden hast. Und das tut dann unglaublich weh. Lässt die Tränen brennen... und laufen. Und es ist zu stark, als dass du die Möglichkeit hast, es weiter gut sein zu lassen wie es ist.
Es ist ja auch nicht wirklich gut. Überhaupt nicht gut. Für dich.

Er aber fühlt sich unwohl, wenn du plötzlich weinst. Für ihn sah es so aus, als kämst du gut damit klar, dass ihr noch ein paar Tage zusammen verbringt - wenn auch nicht mehr als Liebespaar. Er erlebt dich ruhig. Du benimmst dich meistens normal, als würde dir das alles nicht mehr soviel ausmachen, als hättest du alles im Griff...

Du bist nicht aufdringlich (obwohl ja alles in dir danach schreit, dass er dich in die Arme nimmt, dich streichelt, dich küsst, du dich so nach seiner Liebe sehnst), du stellst keine unangenehmen Fragen (obwohl diese andere Frau vielleicht schon eine große Rolle in seinem Leben spielt, und dir der Gedanke daran sehr weh tut)... du schweigst über deine nun ungeheure Angst vor der Zukunft (obwohl diese Angst dich immer wieder lähmt).

Was er wahrscheinlich sieht, ist eine Frau, die die Situation mittlerweile akzeptiert hat. Und die damit soweit ganz gut zurecht kommt. Du verhältst dich ja auch entsprechend (aus Angst, er könnte etwas tun, wovon du glaubst, du könntest es nicht verkraften - sofort wieder gehen z. B.).
Was er nicht sieht, ist die hilflose Qual in dir. Und wenn du dann mal weinst, glaubt er vielleicht, das ist nur ein Moment, in dem es dir mal nicht so gut geht. Du einfach kurz traurig bist.

Dass das eigentlich DEIN normaler Zustand ist zur Zeit, und du nur manchmal nicht die Kraft hast, das tief in dir verborgen zu lassen - woher soll er das wissen? Woher soll er wissen, dass du immer noch so sehr hoffst? Woher soll er wissen, wie klein und weggeschubst du dich fühlst? Woher soll er wissen, dass du eigentlich gerne wissen möchtest, ob und wieviel er für diese andere Frau empfindet? Woher soll er wissen, dass du gar nicht weißt, wie du diesen (gefühlten) riesigen dunklen Berg Zukunft, den du vor dir siehst, bewältigen sollst?

Woher soll er wissen, wie unglaublich schwer es für dich ist, vernünftig zu sein und zu handeln?

Ich vermute, du schämst dich, dass du bist wie du bist. Und dass du fühlst wie du fühlst. Und du gerne anders wärest... und du dich deshalb bemühst, möglichst so zu sein, dass du ihm nicht lästig bist... damit er sich gut fühlt.

Diese Widersprüchlichkeit, dass es dir einerseits gut geht, wenn er einfach da ist, du andererseits aber sehr darunter leidest, weil du die Liebe nicht spürst von ihm, die du eigentlich brauchst, hat den Kern ganz woanders, glaube ich. Und dieser Kern liegt jetzt offen und wund vor dir...

Ein Bild, was ich von dir habe:

Da stehst du nun wie auf einem Drahtseil. Das hin- und herschwankt. Es schneidet sich in deine Füße. Aber das macht nichts. Denn du siehst ihn am Ende stehen - und dort willst du hin. Links und rechts siehst du nur den Abgrund - tief und dunkel. Es kostet dich unglaublich Kraft, nicht runterzufallen. Und es macht dir furchtbare Angst.

Aber vorwärts -zu ihm- kommst du gar nicht. Er hält ja auch gar nicht die Arme offen und dir entgegengestreckt, macht dir gar nicht den Mut, weiterzugehen (du hoffst es nur, achtest auf jede seiner noch so kleinen Handlungen, die vllt. ein gutes Zeichen für dich sein könnten..). Denn er schaut in eine andere Richtung. Doch du wünscht dir so sehr, dass er sich umdreht - zu dir. Dass er dir Mut macht. Dass er dich liebevoll ansieht. Es nicht umsonst ist, dass du dich so bemühst...

Aber du könntest auch diese Kraft benutzen, um umzudrehen, Belladonna. Runter von dem Seil, dass so schmerzhaft einschneidet. Zurück zu dir. Auf deinen Platz im Leben, der nicht nur geduldet ist und auf dem du nur zu funktionieren hast. Denn du bist nicht verkehrt. Du hast nur etwas zu bewältigen, was dir bisher das Leben nicht so leicht gemacht hat, wie du es manchmal gebraucht hättest.


Manchmal weiß man gar nicht, wieviel Kraft und Stärke man besitzt... weil man sie unbewusst immer falsch eingesetzt hat. Und dann gescheitert ist. Das nimmt den Glauben an sich selbst. Lässt einen zweifeln, dass man überhaupt etwas richtig macht.

Es schwächt so sehr, um Zuneigung zu kämpfen. Gefühle zu unterdrücken, die einen quälen, kostet Kraft. Stolz zu zeigen, den man nicht wirklich fühlt, kostet Kraft. Stärke zu demonstrieren, die man in dem Augenblick gar nicht fühlt, kostet Kraft. Vernünftig zu sein, wenn man eigentlich in dem Moment gar keinen vernünftigen Gedanken fassen kann, kostet Kraft.

Soviel Kraftaufwand - nur um geliebt zu werden.

Sei ehrlich zu ihm. Es ist nicht schlimm, dass du fühlst wie du fühlst. Er hat nur eine alte Wunde schmerzhaft aufgerissen, als er sich weggedreht hat von dir. Und damit musst du jetzt zurechtkommen. Musst sie heilen lassen. Nicht mit dem, was er dir noch geben kann... diesem durchlässigem Pflaster. Er ist jetzt nur der Auslöser, nicht der Verantwortliche für die alte Wunde.

Er ist auch nur ein Mensch, mit Stärken und Schwächen. Kein Heiliger, kein Schuldiger. Nur ein Mensch von vielen - so wie du auch.

Nur weil ein Mensch von vielen einem nicht mehr die Gefühle entgegenbringen kann, die man so sehr braucht, auf die man sich so angewiesen fühlt, weil man sie immer so vermisst hat, heißt das nicht, dass man nicht liebenswert ist. Es ist wichtig, dass du dir das immer wieder sagst, Belladonna. Denn es wird dich unabhängiger von den Menschen machen, nach deren Zuneigung du dich so verzweifelt sehnst.

Du bist nicht so hilflos wie du dich gerade fühlst. Dreh dich um. Und geh. Aufrichtig und ehrlich, und ohne dich zu schämen vor ihm, dass du gerade einen sehr tiefen Schmerz verspürst. Es wird dir guttun, nicht mehr darum zu betteln, geliebt zu werden. Daran glaube ich.

Lieben Gruß
clematis

11.06.2015 09:52 • x 3 #690


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