Kaylee, ich weiß sehr gut wie Du Dich fühlst.
Ich kenne das alles, war auch mit einem ähnlichen Exemplar zusammen. Es hielt mit Ach und Krach 14 Monate, aber das auch nur, weil ich alles dafür tat, diese miese Beziehung am Laufen zu halten.
Ich kenne das, wenn man nie weiß, wie gnädiger Herr denn heute wieder drauf ist. Ein Telefonat ( wir hatten selbstverständlich auch eine Fernbeziehung) war ganz nett, da war er lieb, zeigte sich interessiert und ich war wieder angefüttert. Ach, er ist ja trotz allem ein liebenswerter Mensch. Leider konnte das auch immer sehr schnell kippen. Dann meldete er sich weniger und war gefühlt kühler und zurückgezogener und ich fing an, die Schuld für sein Verhalten zu suchen. Ich war wahrscheinlich nicht so, wie ich sein sollte. Ich genügte seinen Ansprüchen nicht mehr. Ich müsste so und so sein, dann ... Ich müsste interessanter sein, klügere Dinge sagen, ihn besser unterhalten, dann ...Stattdessen wurde ich im Lauf der Beziehung immer kleinmütiger und mutloser. Ich fühlte mich oft miserabel, wachte nachts oft auf und fragte mich, was ich nur tun sollte. Wie sollte ich sein, damit er mich dauerhaft und konstant lieben könnte?
Ich fühlte die grauenhafte Schieflage dieser Beziehung. Er auf seinem Thron oder in seinem Bergfried und ich suchte verzweifelt Zugang zu ihm. Wo ist ein ungesichertes Tor, durch das ich zu ihm durchdringen konnte? Ich fühlte mich wie eine Fremde, die im Burghof wartet, sehnsüchtig auf den Turm blickte, der sein Zuhause war und doch keine Chance hatte. Wenn er dann gerade mal wieder anhänglich war und sehnsüchtig wirkte, dann stieg er hinab und gab sich mit mir ab. Und ich zerschmolz wie Butter in der Sonne.
Er hatte mich voll und ganz in der Hand. Ich tat alles um ihm zu gefallen. Wenn ich zu ihm kam, schleppte ich Dinge mit an. Guten Käse, eine Flasche Rotwein und wenn ich wieder weg musste, legte ich ihm Schokolade ins Bett. Natürlich tat ich das alles gern, keine Frage, aber manchmal spürte ich doch, dass mein Invest sowohl auf der emotionalen Ebene als auch materiell ungleich höher war.
Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich Angst hatte. Große Angst, was er als Nächstes wieder an Distanzmanövern aus dem Ärmel schütteln würde. Ein We war schön, aber das sagte nichts darüber aus, wie das nächste sein würde. Womöglich würde er wieder was sagen, was mich kränkte, was er aber gar nicht merkte. Ich zog mich zurück, wurde traurig und ihm war es meistens egal. Er war ein gefühlloser Trampel, der auf meinem strapazierten Nervenkostüm weiter rumtrampelte und mich immer weiter runter zog.
Es ist schwer zu beschreiben, warum man dennoch in so einer Beziehung hängen bleibt, warum man das alles hinnimmt und sich klaglos zum Spielball seiner Befindlichkeiten machen lässt. Er war wie ein Sog, der mich magisch anzog und gegen den ich nichts unternehmen konnte. Ich fuhr wieder zu ihm, denn dieses Mal könnte es ja anders sein. Dieses Mal war er vielleicht liebevoll und ich würde glücklich wieder nach Hause fahren - vielleicht aber auch nicht
Denn es kam immer darauf an, wie ihm gerade zu Mute war, wie er aufgelegt war, wie er mit sich im Reinen war oder eben nicht.
Ich sondierte ständig die Lage, registrierte kleinste Veränderungen, achtete auf seinen Tonfall - und passte mich an. Hätte Jemand zu mir gesagt, Du bist in einer ungesunden Beziehung, hätte ich gesagt, ja, ich weiß es, aber es ist mir völlig unmöglich, mich daraus zu lösen.
Meine Tränen weinte ich im Stillen, meine Ängste um ihn hielt ich daheim aus. Und ich dachte permanent an ihn. Er war der Mittelpunkt meiner Gedanken und meines Seins, denn ich kreiste nur noch um ihn - und merkte es nicht mal. Andere Dinge, ja, gut und schön, freilich war es am Dienstag Abend ganz nett mit Reni und Claudia, aber im Grund genommen war ich mit meinen Gedanken da wo ich immer war.
Er hatte sich in mir festgesetzt und ich hatte an anderen Unternehmungen nicht mehr viel Interesse. Denn ich hatte Probleme, ganz einzigartige Probleme, die niemand sonst hatte - glaubte ich.
Die Beziehung war ein Auf und Ab, beständig war sie nie und dann war da noch ein gewisses Interesse an anderen Frauen. Er wirkte ja immer so verständig, so freundlich, so interessiert, so zugewandt und es gibt Frauen (solche wie mich), die darauf abfahren und glaubten, einen besonders feinsinnigen und empfindsamen Mann vor sich zu haben. Das war seine Maske, die er trug. Kannte man ihn näher, ahnte man die Abgründe, in denen er lebte. Und ich war ein Teil davon geworden und ganz freiwillig und unbewusst mit rein gerutscht. Um ihn ging es, immer nur um ihn. Er war egozentrisch, denn er war der Mittelpunkt seines Universums und andere Menschen waren wie Trabanten, die ferner oder näher um ihn kreisten.
Bemerkenswert war, dass mein Selbstbewusstsein (hatte ich das jemals gehabt?) demolierte, mich klein machte, Ängste verursachte, an mir selbst zweifelte und dennoch an ihm hing. Ich war ihm sicher, das wusste er.
Und je länger die Beziehung dauerte, desto selbstständiger und autarker wurde er. Er beschloss dieses und jenes, er entschied Dinge, ohne mich einzubeziehen. Was war ich denn schon? Seine Freundin? War ich das? Ich fühlte mich eher wie Jemand, der dann kommen konnte, wenn sonst nichts war.
Eines Tages lag eine Konzertkarte auf seinem Schreibtisch für ein Konzert im Sommer. Es war eine Karte, seine. Er hatte mich nicht gefragt, denn ansonsten wäre er Gefahr gelaufen, dass ich Freude strahlend gesagt hätte, ich komme mit.
Aus seinem Urlaub, den er in der Anfangszeit mit Freunden verbrachte, was schon lange geplant war, schickte er mir keine Karte. Wir telefonierten aber manchmal.
Die Karte war sehr schön, er hatte gesagt, er würde sie mir dann geben und tat es nicht. Die Karte lag auf seinem Schreibtisch ohne ein liebes Wort an mich, bis die Trennung erfolgte. Das machte mich traurig.
Ja klar, wann war ich denn eigentlich nicht traurig? Wenn er gerade mal gut darauf war, war auch mein Leben in Ordnung. Oft war es aber anders. Und dann zog es mich runter in ungeahnte Traurigkeit und Niedergeschlagenheit.
Am Anfang war ich toll, ich machte alles richtig, er lobte und bestätigte mich, er machte mir Komplimente. Aber später? Nein, da genügte ich nicht mehr. Da war ich dann anstrengend oder lethargisch oder sonst was. Wenn ich mich beklagte und unzufrieden war, stellte ich unsere Beziehung in Frage. Ich wohlgemerkt, nicht etwa er!
Auf brennende Fragen erntete ich nichtssagende Antworten oder - ganz beliebt - Gegenfragen. Der Ball, der ich ihm zugeworfen hatte, war wieder bei mir. Das verunsicherte mich. Wie sollte ich damit umgehen?
Seine Antworten: Nein, das hast du falsch verstanden, so war das nicht gemeint. Das hast Du nicht richtig begriffen ... Das habe ich doch nie gesagt!
Warum schreibe ich Dir das alles. Weil es so was wie ein Trauma war und weil Du vermutlich viele Dinge hier wieder erkennst. Diese Beziehungen sind alle gleich. Einer ist oben und der andere liegt zu seinen Füßen. Die Positionen werden oft unbewusst schon am Anfang festgelegt und verstärken sich im Lauf der Beziehung immer mehr. Bis von dem schwächeren Partner nicht mehr viel übrig ist, weil der sozusagen ausgesogen wurde. Er nahm mir meine Lebensfreude und meine Energie und ich merkte auch das erst später. Er profitierte von mir und meiner bedingungslosen Affenliebe und honorierte sie nicht.
Klar, wer sich klein machen lässt, wird reizlos, langweilig. Dann lästig. Ach, die, das dumme Schaf, das ständig um gutes Wetter anhält! Ach Gott, sie war auch schon mal interessanter, gähn, aber jetzt? Gott, die traurigen Augen, was hat sie denn nun schon wieder? Herrje, sie kann mich schon nerven!
Aber naja, sie ist ja auch wieder recht liebenswert, so ein paar Monate halte ich es schon noch aus.
So ungefähr könnten seine Gedanken gewesen sein.
Dann kam da noch die Geschichte mit einer anderen Frau, mit der er sich verabreden wollte, was sich dann aber doch zerschlug. Ich erfuhr es, weil ich seine Mailbox checkte. So tief war ich schon gesunken.
Er hatte sie auf einem Kongress getroffen und man hatte nett geplaudert. Sie schickte ihm dann schöne Grüße von Borkum, wo sie hinterher hin gefahren war.
Aha. Es war klar, dass sie angebissen hatte. Er schrieb erfreut zurück und sie schickte ihm begeistert himmelblaue Grüße.
Mein Blutdruck erreichte ungeahnte Höhen. Dieser Drecksack. Ostern wollten sie sich treffen, es war noch etwas unbestimmt, aber in einer vagen Planung.
Ich überlegte, was ich tun sollte. Das Feld hier räumen? Nein, ich würde bleiben und das auf meine Art regeln. Ich sagte nichts, aber am Abend redete ich mit ihm über unsere verfahrene Beziehung. Wie ich mich fühlte mit ihm und wie das weiter gehen sollte? Wir fuhren nicht zusammen in den Urlaub, er plante alles wie er es wollte und ich schaute zu.
Ich erreichte ihn, ich merkte es. Und ich sagte, was soll das? Erst bist Du zwei Jahre mit Maria zusammen und dann sind die Gefühle erloschen und Du ziehst Dich zurück, bis sie fragt, was los ist. Dann erfährt sie, dass sie leider weg vom Fenster ist.
Und jetzt das mit uns? Wo soll das hinführen?
Seltsam, ich wurde auf einmal mutiger, Dinge auszusprechen und unsere Rollen vertauschten sich. Auf einmal war ich oben und er vorsichtiger. Ja, er wisse um seine Probleme, er wisse, dass er oft ein Ar... sei, aber er kann es nicht ändern.
Ab da veränderte sich die Beziehung, Diese Tussi vom Kongress traf er nicht, das fühlte ich und es ging mir besser.
Es war der Anfang vom Ende. Denn ein paar Wochen später machte er Schluss, per Mail.
Ich war am Boden zerstört, meine Hoffnungen zerplatzt, meine Sehnsucht unermesslich. Ich war auf einmal aufgestanden und hatte Position bezogen und das hielt er nicht aus. Mit der vertauschten Rollenverteilung konnte er nicht umgehen, denn die Distanz war geschmälert worden. Ich fühlte mich wohler und sicherer, aber er konnte es nicht ertragen und fühlte sich erdrückt.
Es vergingen Monate, bis ich das überwunden hatte. Mein Lebensinhalt war auf einmal weg! Er fort und ich hier in meinem armseligen Leben, Ihm ging es gut, er unternahm viel, wie ich erfuhr, und mir ging es schlecht. Wie ungerecht das alles doch war!
Später, viel später habe ich viel erkannt. Es war eine toxische Beziehung und es entsprach meinem Naturell, mich darauf einzulassen, ohne es zu merken. Ich war an einen Mann wie ihn geraten, weil ich lernen musste. Ich musste mich selbst besser kennen lernen und meine inneren Mechanismen besser durchschauen.
Es ist nicht normal sich auf eine solche Beziehung einzulassen und sich richtig gehend unterdrücken zu lassen. Er war nie grausam oder bewusst kränkend, aber er war empathielos und rücksichtslos. Er war (und ist?) ein Egoist, der sich und seine Befindlichkeinten auslebt. Er war oft lieblos, kalt und abweisend. Dann wieder warmherzig und liebevoll. Je nachdem.
Später verstand ich viel mehr, auch konnte ich nachvollziehen, warum ich das mit mir machen ließ. Warum ich eisern blieb, obwohl ich von Ängsten und von Zweifeln geplagt war. Ich lebte da einiges aus meiner Kindheit nach. Die Suche nach Liebe kannte ich von Kindesbeinen. Sie wurde oft enttäuscht und ich fühlte mich allein gelassen. Und ich merkte früh, dass ich mit mir allein alles würde ausmachen müssen.
Das schmerzte mich unendlich, aber ich merkte es nicht, denn es war überdeckt. Die Seele kennt kein Mittel sich mitzuteilen, sie kommt verschleiert und schickt uns in sich wiederkehrende Situationen, z.B. wieder eine Beziehung, in der der Mann dominiert und die Frau immer kleiner und verzagter wird.
Er war mein Lehrmeister und das verdanke ich ihm. Ich trage ihm nichts nach, denn ich hatte auch meinen Anteil am Desaster.
Keiner hatte mich da rein gezwungen, keiner hatte mir angeschafft, mich fertig machen zu lassen.
Es lag an mir, dass ich mich freiwillig da rein begeben hatte. Ich lebte sämtliche Kindheitserfahrungen mit ihm nach.
Es war notwendig, denn nichts ist umsonst im Leben. Es hat seinen Sinn, auch oder gerade das Leid hat seinen Sinn. Und nur aus Krisen lernen wir.
Mach Dir mal Deine Gedanken. Was treibt Dich an, dass Du diesen Idioten zum Mittelpunkt Deines Lebens machst? Warum hältst Du diesen Wechsel aus Warm und Kalt unverdrossen aus? Warum haust Du nicht auf den Tisch und sagst zu ihm, so nicht, mein Lieber! Ich bin mehr wert als das, was Du mir zuteilst. Ich bin es wert, dass man anständig und freundlich mit mir umgeht. Ich bin nicht Dein Mülleimer, in den Du rein kotzt und dann wieder verschwindest. Ich bin nicht dazu da, Deine wechselnden Launen auszuhalten.
Ich stelle mir was Anderes für mich vor und nicht einen Mann, bei dem ich nie weiß, ob ich gerade willkommen bin.
Warum sagst Du das nicht? Warum lügst Du und tust freundlich, wo doch innerlich die Wut in Dir hochkriecht gegen diese Ungerechtigkeit und Arroganz, die er an den Tag legt? Warum bist Du immer noch treu ergeben und versuchst, Ochsen zu melken, die keine Milch geben?
WARUM TUST DU DIR DAS AN?
Bist Du keine Frau, die Stabilität will und einen Partner, bei dem sie nicht überlegen muss, wie gnädiger Herr heute wohl wieder zu sein geruht? Dann mach weiter und quäle Dich weiter mit ihm rum und lass Dich klein machen und Dir Deine Lebensfreude nehmen, die er jederzeit kaputt machen kann.
Ich glaube, noch bist Du nicht so weit. Aber Du wirst an den Punkt kommen, wo Du die Schnauze voll hast und gegenrudern wirst. Ob die Beziehung das dann aushält, ist fraglich. Meine hielt es nicht aus, besser gesagt, er hielt es nicht aus. Als ich endlich mal Position bezog und etwas einforderte, gab er sich Mühe. Mühe, das Wort sollte in einer Beziehung kein Thema sein. Aber es war nicht von Dauer, denn er versuchte etwas, was gegen seine Natur und sein Wesen war. Und dann musste er es beenden.
Lange traurig war er nicht, denn ein halbes Jahr später hatte er eine Neue. Wahrscheinlich von früher, aber ich musste es erst begreifen, dass ich längst abgemeldet war.
Ich möchte Dir ein Buch empfehlen: Jein! Bindungängste erkennen und bewältigen von Stefanie Stahl.
Ich kam damals zufällig an das Buch und es öffnete mir die Augen über meine Beziehung. Es war nicht so einzigartig, was ich mit ihm durchlebte, denn wir folgten einer Choreografie. Ein Schritt vor, zwei zurück, einmal im Kreis herum und wieder von vorne. Den Takt gab aber er vor.
Heute geht es mir wesentlich besser. Ich habe nach dieser Beziehung so viel über mich begriffen wie die Jahre zuvor nie. Und was ist mit ihm? Keine Ahnung, er lebt. Das weiß ich, sonst nichts und auch das fühlt sich gut an.
Ich bin nämlich mehr wert als das, wie er mit mir umging. Ich war sein Spiegel und heute bin ich kein Spiegel mehr.
Wenn mein Mann mal nicht gut mit mir umgeht, dann wehre ich mich und zeige ihm meine Grenzen auf. Und wenn ich nicht gut mit ihm umgehe, entschuldige ich mich. Denn in einer Beziehung ist etwas ganz wichtig: gegenseitige Achtung und Respekt!
Aber das. liebe Kaylee muss man sich verdienen.
Ich wünsche Dir was Besseres als den da.Du hast mehr verdient als einen Mann, der so mit dir umgeht. Du bist einfach zu lieb, viel zu lieb, bis zur Selbstaufgabe.
Begonie