Hallo zusammen,
ich bitte hier um Rat. Meine Ex hat mich vor anderthalb Jahren verlassen. Ihre ausformulierten Trennungsgründe: sie habe an ihrem Selbstwert gearbeitet, ihre Bedürfnisse können nicht erfüllt werden, sie hat sich verbogen und immer viel zu mir geschaut, Wertschätzung und Respekt. Ich denke, sie hat sich nicht gesehen gefühlt, sie brauchte mehr Aufmerksamkeit und sie hat sich in eine Abhängigkeit begeben. Sie ist ein harmoniebedürftiger Mensch und leider erkannte ich erst im Nachhinein, wie groß ihr Selbstwertproblem war. Im direkten Kontakt, auch in Interaktion mit anderen Menschen, würde Mann es erst einmal nicht vermuten.
Wir waren 20 Jahre ein Paar, ich bin ihr erster richtiger Freund: Jugendliebe. Allerdings bezogen wir erst nach 17 Jahren Beziehung unsere erste gemeinsame Wohnung. Viele Jahre in der Beziehung war sie sehr fixiert auf mich, mein Vater hat es mal passend formuliert: “sie hat dich vergöttert”. Dementsprechend gestaltete sich auch unsere Beziehungsdynamik, sie hat mehr investiert und ich fühlte mich zu sicher. Ich war immer sehr unabhängig, sie ging in der Regel öfters den ersten Schritt auf mich zu bzgl. körperlicher Annäherung. Bis wir zusammengezogen sind… Es entwickelte sich bereits am Anfang des Zusammenlebens eine andere Dynamik, sie wirkte auf mich sehr verkopft, der S. wurde immer weniger und sie hatte völlig unbegründete Angst, dass ich sie verlassen könnte. Mir fehlte die Leichtigkeit, das habe ich ihr auch so gesagt. Mein Arbeitspensum war hoch, ich habe mich zu der Zeit selbstständig gemacht. Das bedeutet, wir hatten anderthalb Jahre keinen gemeinsamen Urlaub mehr und auch keine Wochenenden an denen wir mal irgendwo verschnaufen konnten und neue Erlebnisse schaffen konnten. Ich arbeitete 6 Tage die Woche. Sie richtete ihren ganzen Tagesablauf nach mir aus, obwohl sie auch arbeitete und ich das nicht verlangt habe. Ich habe mich vor dem Zusammenleben viel mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt, ich war lange Zeit glücklich, dankbar und mit mir im Reinen. Aber sie ist ein Individuum und eine Frau, also auch emotionaler und ich habe ihr öfters vermittelt: Hey, deine Gefühle sind egal. Warum? Weil ich der Meinung war, dass durch Leichtigkeit auch Nähe entsteht und ihr sagte: „Entspann dich mal“. Tatsächlich wäre es meine Aufgabe gewesen, sie ernster zu nehmen, ihr emotionale Sicherheit zu geben. Das habe ich aber nicht. Ich zog mich selbst immer mehr zurück und wahrscheinlich wuchs der Frust auf beiden Seiten. Teils fühlte ich mich auch nicht gesehen, da ich berufsbedingt eine schwere Zeit hatte und ja, sie hat essen gemacht etc.,aber wenn mich etwas belastet hat, dann hat sie es auf die Beziehung projiziert. Also emotionale Unterstützung fehlte mir.
Es entwickelte sich immer mehr eine Distanz zwischen uns und mit dem steigenden Arbeitspensum schwindete auch meine Leichtigkeit. Ich wurde gereizter, sie wurde immer vorwurfsvoller und nörgeliger. Ich möchte sicherlich auch nicht alles idealisieren, sie brachte bereits nach wenigen Monaten des Zusammenlebens eine Trennung auf den Tisch weil sie nicht weiter wusste. Sie meinte auch mal, „ich weiß gar nicht mehr, wie ich dich von deinem hohen Ross herunterbekommen soll“. Dabei ging es mir nur gut. Ich setzte ihr zu wenig Grenzen, sie setzte mir zu wenig Grenzen, sie fühlte sich immer mehr vernachlässigt und tatsächlich war es so, dass ich irgendwann nur noch mit meinem Kopf bei der Arbeit war. Sie betitelte mich als Narzissten, Egoisten, „nie mache ich was für sie“. Dennoch spürte ich, dass sie noch etwas für mich empfand. Wahrscheinlich habe ich auch deswegen wieder nicht rechtzeitig reagiert.
Wie es so kommen musste, lief das Fass irgendwann über und sie trennte sich. Trotz allem war es gefühlt etwas plötzlich. Karma und so, jetzt begab ich mich das erste mal in meinem Leben in eine Abhängigkeit. Ich habe mir sehr viele Vorwürfe gemacht: Wie konntest du ihr nur so wenig Aufmerksamkeit geben? Warum hast du nicht genug reagiert? Wir wohnten nach der Trennung noch 7 Monate zusammen, wahrscheinlich schwankte sie. Allerdings war das auch crazy, unsere gemeinsamen Fotos hingen noch in der Küche, sie spielte auf einen Kinobesuch an, wollte mir eine Mass. geben, wir haben noch gemeinsam gegessen, sie war eifersüchtig… Auf der anderen Seite sagte sie, mach dir keine Hoffnung, gemeinsame Zeit völlig egal… Also bezogen auf die kompletten 20 Jahre. 2-3 Tage später, dann wieder eine Anspielung auf eine gemeinsame Aktivität. Sie wurde teils überheblich, vermute sogar, dass sie mich auch mal richtig verletzten wollte. Sie vermittelte mir, wenn auch subtil, dass ich ja die überwiegende Verantwortung an der Trennung trage. Ich habe mehr und mehr meine Eier verloren, machte ihr mal Vorwürfe, lief ihr dann wieder hinterher… Trotzdem kam dann wieder eine Aussage von ihr:“ist ja auch egal, wenn ich jetzt weg bin“. Also wenn sie in den Urlaub fuhr. Ich war zu stolz auf ihre Anspielungen bzgl. einer gemeinsamen Aktivität einzugehen, nach den harten Aussagen von ihr. Ich wollte die Hoffnung am Leben lassen und wollte nicht noch einmal verletzt werden. Sie hat sich nicht einmal für irgendetwas entschuldigt und ihr Verhalten nach der Trennung war sicherlich auch nicht immer so wahnsinnig rosig, ganz im Gegenteil.
Wie ich ein paar Monate nach der Trennung erfuhr (durch Zufall), gab es da einen anderen Typen. Ja und den wird sie sehr, sehr wahrscheinlich schon in der Beziehung kennengelernt haben. Natürlich stritt sie das immer alles ab, heulte sogar fast, wenn ich das klar angesprochen habe. Letztendlich hat sie sich für den stärkeren Mann entscheiden und das war er. Er wird ihr die Aufmerksamkeit geben haben, die sie sich so lange gewünscht hat. Mich hat das alles so mitgenommen, dass ich auch noch 11 Monate nach der Trennung mich auf die Beziehung bezogen habe und ihr eine Sprachnachricht hinterlassen habe. Das war kurz vor der Wohnungsübergabe, die letzten Monate wohnte ich alleine.
Es war nicht leicht für mich, da unser erster gemeinsamer Urlaub vor der Tür stand. Ich habe meine Selbstständigkeit aufgegeben und mir einen Job im Angestelltenverhältnis gesucht. Sie hat mich in der Probezeit verlassen, 2 Wochen vor unserem ersten gemeinsamen Urlaub nach 3 Jahren . Für mich war es nur noch irgendwann ein Weg zum Glück, zu mehr Lebensqualität. Ich habe das ja auch für uns gemacht. Das hat mir so den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich befinde mich jetzt seit 8 Monaten in der Kontaktsperre. Sie hat sich nicht einmal gemeldet, sie wird wahrscheinlich noch mit dem anderen Typen zusammensein. Wahrscheinlich wird es das auch zwischen uns gewesen sein. Ja, ich liebe sie noch immer, vor allem fühlte ich mich lange so unvollendet. Ich möchte aber vor allem meinen Seelenfrieden finden und überlege deshalb mich aufrichtig, wirklich aus ganzem Herzen, bei ihr zu entschuldigen: keine Spielchen. Ich weiß, das ist nicht attraktiv. Aber kommt es darauf noch an? Ich habe sie tatsächlich in der Beziehung für selbstverständlich genommen. Meine Aufgabe wäre es gewesen, sie aufzubauen. Ich muss sie verdammt verletzt haben. Ich habe sie einen Tag vor der Trennung weinend zurückgelassen, als sie ein Gespräch gesucht hat. Da es spät war und ich am nächsten Tag früh heraus musste, schlug ich vor, am nächsten Tag darüber zu sprechen. Ja ich war heillos überarbeitet und das wusste sie. Zwei Jahre ohne einen Tag Urlaub durchzuziehen ist nicht so easy. Aber das entschuldigt nicht alles. Ich war tatsächlich sehr mit mir selbst beschäftigt. Auf der anderen Seite war ich nicht so ein Assi der sie manipuliert hat oder sie schlecht behandelt hat. Natürlich ist mir auch bewusst, dass zwei zu einer Trennung dazugehören. Aber ich denke schon, dass ich die größere Verantwortung trage. Ich habe mich wirklich gefragt, wer möchte ich sein? Das musste so in meinem Leben kommen, es ging nicht anders. Ich habe mich teils für mein Verhalten richtig geschämt. Deshalb möchte ich das loslassen und dazu stehen, auch dass ich nach der Trennung zu lange ihre Entscheidung nicht akzeptiert habe. Ich habe ihr nicht jeden Tag Nachrichten geschickt, aber 6-7 waren es schon. Da habe ich die Beziehung analysiert, mich auch mal entschuldigt. Allerdings schwankte ich immer, zwischen Selbsterkenntnis und Vorwürfen - ja, verletztes Ego. Das war auch nicht sonderlich rücksichtsvoll. Ihre Tür war wohl nach der Trennung tatsächlich noch etwas offen, berufsbedingt habe ich keine schlechten Menschenkenntnisse und anders kann ich das nicht deuten. Mal abgesehen davon, sagte sie auch bei der Trennung, dass sie mich noch liebt. Aber auch da habe ich mal wieder gedacht, sie zieht das nicht durch. Um es auf einen Nenner zu bringen, es fehlte die Zweisamkeit und wäre ich den Schritt mit der Selbstständigkeit nicht gegangen, würde ich sehr wahrscheinlich diese Zeilen hier auch nicht schreiben müssen. Natürlich war es auch ein großes Kommunikationsproblem. Wir haben beide unsere Bedürfnisse nicht konkret benannt.
Bzgl. der Entschuldigung, ich mache mich ungern klein. Allerdings habe ich mich auch oft nach der Trennung die Arbeitsbelastung und die daraus resultierende Veränderung meines Verhaltens bezogen. Ich konnte das sicherlich nicht weglassen, ich habe damals selbst gemerkt, wie sehr ich meine innere Mitte verloren habe, wie sehr ich am Limit war. Ich war teils zu platt zum ****. Aber irgendwann ging das auch tiefer. Ich brauchte diese Lektion, Demut und die Erkenntnis, dass sie mit ihren Vorwürfen letztendlich nur lange Zeit ausgedrückt hat, wie verletzt sie eigentlich war. Welche Frau will keine Aufmerksamkeit? Es gibt selbst heute noch Momente, da tut es mir im Herzen weh, wie sehr ich Sie enttäuscht haben muss. Natürlich ist mir bewusst, dass kein Wort etwas ändern wird. Eine Verhaltensänderung sicherlich, aber dazu bestand damals noch nicht die Notwendigkeit. Ich musste erst einmal alle Schutzschichten durchdringen, Ich bin auf eure Ansichten gespannt. Danke!
21.08.2024 18:11 •
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