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Schuldfrage bei einer Trennung

R
Nun habe ich mich hier schon durch viele Threads gelesen und mir fällt auf, dass ein Thema immer besonders intensiv diskutiert wird. Wer hat Schuld an der Trennung?

Klar kann das manchmal recht eindeutig sein, wenn wir beispielsweise über häusliche Gewalt oder ähnliches sprechen. Und wenn es um Affären geht, wird die Schuld ja auch meist bei demjenigen verortet, der die Affäre begonnen hat - oft zu Recht.

Aber was ist, wenn die Beziehung einfach nicht mehr funktioniert? Auseinandergelebt, unterschiedliche Vorstellungen, einseitiger Kinderwunsch, Gefühle verloren oder was auch immer. Muss es wirklich immer einen Schuldigen geben? Warum nimmt diese Debatte in den Threads immer so einen großen Raum ein? Entweder machen sich die Verlassenen selbst Vorwürfe und suchen die Schuld bei sich oder machen den/die Ex dafür verantwortlich. Fast nie lese ich, dass es entweder einfach so ist oder eben beide zu gleichen Teilen Schuld daran tragen.

Brauchen wir einen Schuldigen, um das Ganze besser verarbeiten zu können, um uns einfach besser oder moralisch überlegen zu fühlen? Was ist Eure Vermutung oder Meinung?

Gestern 12:46 • x 1 #1


c_minor
Zitat von Roland78:
Brauchen wir einen Schuldigen, um das Ganze besser verarbeiten zu können, um uns einfach besser oder moralisch überlegen zu fühlen? Was ist Eure Vermutung oder Meinung?

Der Begriff Schuld bringt so einen Prozess nur unnötigerweise in eine wenig hilfreiche Richtung, da er viel zu ethisch-moralisch konnotiert ist. Schuld beinhaltet auch gleich noch ein Moment, dass die andere Seite unnötigerweise in die Defensive drängt und die andere Seite (fälschlicherweise) aufwertet. Schuld schreit auch immer nach einer Art von Wiedergutmachung oder einem Täter-Opfer-Ausgleich, woraus nicht selten der Anspruch abgeleitet wird, die verlassende Seite wäre eine letzte Aussprache schuldig.

Ich persönlich finde es hilfreicher, von wechselseitigen Anteilen an der Dynamik zu sprechen, die letztendlich dann zum Scheitern der Beziehung geführt hat.

Zitat von Roland78:
Muss es wirklich immer einen Schuldigen geben?

Manche Menschen brauchen das, um sich selbst moralisch reinwaschen zu können und damit die Auseinandersetzung mit den eigenen Anteilen an der Trennung vermeiden zu können, weil es ihren eigenen fragilen Selbstwert zu sehr belasten würden.

Gestern 12:55 • x 5 #2


A


Schuldfrage bei einer Trennung

x 3


DieSeherin
ich finde auch, dass das wort schuld in beziehungen nichts verloren hat. beide tragen die verantwortung für das hegen und pflegen der liebe, des zusammenseins, des alltags!

benutzt wird es allerdings meist dann, wenn es für denjenigen notwendig ist, damit er/sie sich nicht mit den eigenen anteilen auseinander setzen muss.

Gestern 13:01 • x 3 #3


R
Ich denke, das liegt in der Natur der Menschen.

Viele fühlen sich einfach besser damit, wenn sie einer anderen Person die Schuld an irgendetwas geben können.

Interessant ist das vor allem, wenn man bei einem getrennten Paar beide unabhängig voneinander einzeln fragen wird!

Gestern 14:16 • x 1 #4


C
Zitat von c_minor:
Ich persönlich finde es hilfreicher, von wechselseitigen Anteilen an der Dynamik zu sprechen, die letztendlich dann zum Scheitern der Beziehung geführt hat.

Absolut, vor allem das Wort Dynamik ist hier wichtig. Ich glaube, Beziehungen scheitern fast nie daran, dass einer der beiden Partner einen oder mehrere Fehler macht, sondern es ist Actio und Reactio: Person A verhält sich soundso, darauf reagiert Person B soundso, das wiederum bringt Person A dazu ...

Den Begriff Schuld finde ich daher auch falsch (außer, wie @Roland78 schreibt, tatsächlich irgendwelche Extremsituationen, aber ich denke, von denen reden wir hier nicht). Es muss auch keinen Schuldigen (m,w,d) geben.

Bei uns hatten auf jeden Fall beide Anteile an der Dynamik, die zum Scheitern geführt hat - im Nachhinein kann ich das sehr genau nachvollziehen, z.T. konnte ich das sogar schon während der Beziehung. Man kann und muss das auch nicht genau quantifizieren, 50:50 oder so, finde ich.

Das ist das Scheitern an sich. Die Art und Weise der Trennung selbst, d.h. wie mein Ex diese durchgeführt hat, die vermeidbaren Kollateralschäden etc. - die hat mein Ex zu verantworten. Von Schuld möchte ich aber auch hier nicht sprechen.

Gestern 15:12 • x 4 #5


T
Ich lese weniger von Schuld als mehr von der Frage nach den Anteilen.
Diese zu reflektieren ist m.E. wichtig, wenn man verhindern möchte, dass man aufgrund unbewusster Muster etc. immer wieder in die gleiche Falle tappt oder immer wieder dieselben Konflikte heraufbeschwört oder sich immer wieder einen Partner sucht, mit dem es vielleicht nicht gut passt. (Stichwort auf den oder die falsche gehen)

Für all das wäre es schon wichtig, die eigenen Anteile am Scheitern einer Beziehung zu hinterfragen/zu reflektieren.

Mein Eindruck ist, dass viele es aber auch tatsächlich so machen.
Von Schuld sprechen gerne andere, Außenstehende... nur in den aller wenigsten Fällen in irgendeiner Weise zielführend.

Gestern 15:18 • #6


HeikoA13
@Roland78: tolle Frage !

In meiner Selbsthilfegruppe (Trennung und Scheidung) geht es oft genau um dieses Thema. Wenn man ausgetauscht wurde, ist augenscheinlich der/die andere Schuld.
Ich sage aber, gerade in Langzeit-Beziehungen muss man da differenzierter drauf schauen.

Sich selbst schuldig fühlen geht vielen nach einer Trennung und sogar nach einer vollzogenen Scheidung.
Das hat jedoch häufig mit den eigenen Glaubenssätzen zu tun, also unserer Biografie.

Gestern 15:23 • x 3 #7


Birkai
Zum Scheitern einer Beziehung gehören immer zwei. Ich erkennen meine Anteile daran, dass es zur Trennung kam.

Von meinem Ex habe ich bis heute nur Schuldzuweisungen erhalten. Keinerlei Eigenverantwortung. Ich denke für ihn ist es einfach wichtig, um nach außen und vor sich selbst seine Entscheidung zu rechtfertigen.

Ich habe mal gesagt, ich bin dir nicht böse wegen der Trennung, dass passiert. Aber ich bin wütend über die Art und Weise wie du dich getrennt hast und mich seitdem behandelst. Das wiegt viel schwerer als die Trennung an sich.

Dieses ganze Opferrollen-Dilemma, was sich hinter den Schuldzuweisungen verbirgt, ist mir auch so zu wieder.

Wenn beide ihre Anteile erkennen und eingestehen, dann kann man sich auch friedlich trennen. Nur scheinen die wenigsten Menschen dazu in der Lage.

Gestern 15:26 • x 5 #8


S
@Roland78
Erstmal finde das Thema, was du eröffnet hast interessant.
Zitat von Roland78:
Klar kann das manchmal recht eindeutig sein, wenn wir beispielsweise über häusliche Gewalt oder ähnliches sprechen. Und wenn es um Affären geht, wird die Schuld ja auch meist bei demjenigen verortet, der die Affäre begonnen hat - oft zu Recht.

Das, was du hier angemerkt hast, da wird es kaum möglich sein, keine Schuldzuweisungen zu geben.
Bei häuslicher Gewalt z.B. wird ähnlich, wie beim Fremdgehen, argumentiert:
a) Häusliche Gewalt:
Der/die Gewalttäter argumentieren, dass der/die Geschädigte selbst Schuld hat, durch scheinbare Provokation oder sich nicht so verhalten hat etc...und ich konnte nicht anders und es tut mir leid.
b) Affäre:
Affärengänger/innen argumentieren und rechtfertigten oft damit:
Selbst Schuld im indirektem Sinne, weil er/sie habe z.B. sich nicht mehr wahrgenommen gefühlt etc...bin so
reingeschlittert, aber es tut mir leid.
Fazit: Beide Beispiele haben eine ähnliche Dynamik, denn der/die Geschädigte hat es mitzuverantworten.
Und das ist falsch! Aber auf das Thema häusliche Gewalt, möchte ich auf das Thema gar nicht weiter einsteigen, denn da denke ich, dass wir uns alle einig sind, dass sowas nicht geben darf und dafür eine Rechtfertigung zu finden, geht gar nicht...NO GO!
Zum Thema Affäre:
Warum hat der/die Betrogene das mitzuverantworten?
Warum hat der Affärengänger/innen entschieden zweigleisig zu fahren?
Warum hat der Affärengänger/innen entschieden nicht mit dem Partner/innen über die Unzufriedenheit zu sprechen?
Warum hat der Affärengänger/innen, sich nicht getrennt in der Unzufriedenheit der Beziehung?
Somit kommen natürlich die ganzen Schuldzuweisungen, denn der Schmerz betrogen worden, ist natürlich echt enorm...
Vertrauensbruch etc...

Fazit: Affäre zu starten, hat mit Flucht zu tun und Charakterschwach zu sein.
Wenn man das sein lassen würde und lieber die Charackterstärke besitzen würde, ehrlich ein Cut zu setzen, dann würd die Schuldfrage, nicht ganz so gegeben sein.
Mein eigenes Beispiel.
Weder mein Ex- Lebensgefährte hat mich betrogen , noch ich ihn.
Ich habe mich nach Jahren getrennt, und ohne ein Warmwechsel oder so ein Quatsch, weil es für mich nicht mehr gepasst hat und keiner hat den anderen beschissen auf gut deutsch zu sagen...
Also habe ich mich sehr freundschaftlich getrennt und ohne große Schuldzuweisungen...

Gestern 16:10 • x 1 #9


Laetitia2024
@Roland78
Wenn die Gefühle füreinander auf beiden Seiten erkaltet sind und beide sich trennen wollen, dann gibt es auch keinen Schuldigen. Das ist einfach der Lauf der Dinge. Ihre Liebe war dann eben nicht von Dauer. Anders sieht es aus, wenn einer von beiden in der Beziehung nicht mehr glücklich ist und der andere das gar nicht merkt. Der steht dann wie die Kuh vorm Tor, wenn der andere Schluss macht. Angeblich völlig ahnungslos. Das halte ich immer für eine Schutzbehauptung. Wenn man achtsam ist, dann merkt man, wenn der Partner nicht mehr glücklich ist. Oder bei Affären genauso. Ich merke es, ob mein Partner treu ist oder fremdgeht. An seinem Verhalten und an seinem Charakter/Vorlieben ect. Manchmal ist man selber Schuld, wenn die Beziehung nicht funktioniert, weil man sich wider besseren Wissens mit dem falschen Partner zusammen getan hat, nur um nicht alleine zu sein. Am Ende ist es egal, wer Schuld ist, denn vorbei ist vorbei und man ist wieder um eine wertvolle Erfahrung reicher.

Gestern 16:17 • x 3 #10


Jane_1
Zitat von Roland78:
Brauchen wir einen Schuldigen, um das Ganze besser verarbeiten zu können, um uns einfach besser oder moralisch überlegen zu fühlen? Was ist Eure Vermutung oder Meinung?

Das macht es halt einfacher. Wenn man sein Leben einfach leben möchte und gerne schwarz/weiß denkt, macht man halt die Schuld-Schublade auf, schiebt den anderen rein und fertig.
Wobei ich das auch nicht verurteilen möchte, wenn das mal geschieht. Manchmal ist der Schmerz, die Kränkung so groß, dass man bissl kindlich wird und sich dann durch Schuldzuweisungen hilft. Daraus sollte man sich aber irgendwann lösen, denke ich.
Zitat von DieSeherin:
ich finde auch, dass das wort schuld in beziehungen nichts verloren hat. beide tragen die verantwortung für das hegen und pflegen der liebe, des zusammenseins, des alltags!

Das hast du schön gesagt. Und wenn einer dieser Verantwortung nicht gerecht hat, hat er/sie sich dann nicht schuldig gemacht?
Zitat von Caecilia:
Absolut, vor allem das Wort Dynamik ist hier wichtig. Ich glaube, Beziehungen scheitern fast nie daran, dass einer der beiden Partner einen oder mehrere Fehler macht, sondern es ist Actio und Reactio: Person A verhält sich soundso, darauf reagiert Person B soundso, das wiederum bringt Person A dazu ...

Du sprichst ein großes Wort gelassen aus. Denke auch, dass das ein extrem wichtiger Faktor ist.

@Roland78 : Danke, interessantes Thema!

Gestern 16:29 • #11


R
Interessant, dass hier überwiegend die Meinung vertreten wird, Schuld wäre der falsche Begriff. Dem kann ich mich - bis auf wenige Ausnahmen - gut anschließen.

Auf der anderen Seite gibt es hier fast keinen Thread zum Thema Trennung, in dem das Wort nicht auftaucht.

Gestern 16:34 • #12


Charming
Etwas offtopic, jedoch ist mir bei dem Wort „Schuld“ sofort dies eingefallen:

Schuld nach Ferdinand von Schirach

Zentrales Thema: die Frage nach gesetzlicher Unschuld und moralischer Verantwortung.

Eine sehr spannende Krimiserie, bei der man sehr ins Nachdenken kommt. Wer hat denn nun Schuld, oder sogar Recht?

Gestern 16:40 • #13


Birkai
Zitat von Laetitia2024:
Wenn man achtsam ist, dann merkt man, wenn der Partner nicht mehr glücklich ist.

Wenn ich bedenke, wie viele Menschen sich selber nicht achtsam im Blick haben, finde ich das nicht verwunderlich, wenn man es beim Partner nicht merkt.

Wenn ich nicht glücklich bin, muss ich kommunizieren. Diese Verantwortung sollten man in einer Beziehung übernehmen.

Gestern 16:47 • x 6 #14


Wurstmopped
Schuld impliziert ja, dass der, die Schuldig hierfür sühnen muss, es wiedergutmachen muss oder sogar dafür bestraft werden muss.
Zum Beispiel, das man seinen Ruf ruiniert, die Kinder instrumentalisiert, finanziell versucht zu ruinieren....etc

Ich persönlich kann damit nichts anfangen, Rache ist nicht dazu geeignet den eigenen Schmerz zu verarbeiten, es streichelt nur das verletzte Ego, wie bei einem Kind.
Aber auch das befriedigt nicht und verhindert sich selbst zu reflektieren, weil man ja einen Schuldigen hat, an dem man sich abarbeiten kann. Diese Menschen bleiben in ihrer Entwicklung stehen und haben sich seit der Kindheit nur wenig weiterentwickelt.

Verantwortung ist das Stichwort, Verantwortung für das Handeln übernehmen und dazu stehen, sich der Konsequenzen bewusst werden und nicht einen Schuldigen für die eigenen Defizite suchen, das ist erwachsen.
Dieses Menschen verdienen auf jeden Fall Respekt.

Gestern 16:48 • x 3 #15


A


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