Keine Ahnung, was du erwartest.
Nicht mal eine Ahnung, was ich selbst erwarte.
Ich lebe halt mein Leben weiter und picke mir die Rosinen.
Joah, dürfte ich nicht, wenn ich konsequent wäre…
In die meisten Restaurants dürfte ich nicht gehen, wenn ich konsequent wäre.
In den Urlaub, im Allgemeinen, dürfte ich nicht fahren oder fliegen, wenn ich konsequent wäre.
Die Kreuzfahrt hätte ich nicht machen dürfen, wenn ich konsequent wäre.
Aber warum sollte ich konsequent sein und mich damit selbst bestrafen?
Ich hatte Bock auf die Kreuzfahrt und habe sie gemacht.
Ich habe Bock auf die Malediven und mache das halt.
Heute Kontoauszüge geholt,
Hatte mich nicht durchringen können, beim Kampfsport-Verein zu kündigen und seit 2G nutzlos weiter bezahlt.
Warum sollte ich nicht hingehen, wenn ich doch bezahle?
Werde immer noch brav eingeladen, von den Leuten, mit denen ich mich vorher gut verstand, die ich aber nun nicht mehr verstehe, seitdem ich offiziell nicht mehr kommen durfte.
Ich denke dazu eigentlich nur noch:
„Es ist halt so….“
Ich verzichte auf das, was eben geht, ohne, dass ich mich eingeschränkt fühle.
Ohne Reisen geht halt nicht.
Dann wäre ich nicht mehr ich.
Ohne örtlichen Einzelhandel, der die Menschen mit gelben Armbändchen markiert hat, geht sehr wohl.
Geht super.
Artikelnummer fotografieren, beraten lassen und den Kram im Internet bestellen.
Ohne „Teil der Gesellschaft“ zu sein, geht auch super.
Man braucht sich für NICHTS mehr verantwortlich zu fühlen.
Man braucht nicht mehr zu der nervigen Sache mit der Kirche gehen, wenn jemand heiratet oder stirbt oder getauft wird.
„Kirche?! Nee, darf ich nicht, ich bin ja nicht geimpft, sorry, möchte ich seitdem nicht mehr… aber zur Feier komme ich. Klar, gerne.“
Die Leute gucken meistens erstmal etwas doof, aber niemand sagt etwas.
Samstag waren wir auf der Familienfeier, wo die verrückte Tante mit ihrem Zettel herum gelaufen ist und versucht hat, aus vier Generationen den Stammbaum nachzuvollziehen und er sollte mich da eintragen.
„Ungeimpft“ hat er hinter mein Geburtsdatum und meinen Namen geschrieben.
Ja gut, wir waren halt auch betrunken.
Aber seine Mutter hat heute noch darüber gelacht und gemeint: „Ihr seid schon lustig...“
„Lustig.“
So finden Leute das jetzt.
Ich werde das in meinem ganzen Leben niemals lustig finden.
Auch dann nicht, wenn ich aus Höflichkeit mitlache.
Weißt du, von „der Gesellschaft“ habe ich nichts anderes erwartet.
Aber von dir hätte ich es.
Mich hat noch nie ein Mensch so enttäuscht.
Klar bin ich enttäuscht worden, belogen und auch schon betrogen.
Aber noch nie habe ich diese „nicht-zu-besiegende-Bitterkeit“ empfunden, wenn ich an jemanden dachte.
Und dabei hast du nicht mal „etwas gemacht“.
Du hast nichts „gemacht“.
Du hast „nichts gemacht“.
Du hast gegen dieses grobe Unrecht „einfach nichts gemacht“.
Ich bin nicht einmal von dir persönlich so enttäuscht.
Das geht viel tiefer.
Ich glaube, ich bin enttäuscht, über den geringen Wert, den du unserer Beziehung beigemessen hast.
Vater-Tochter.
Ich frage mich die ganze Zeit, wie ich dir eines Tages dein Enkelkind vorstellen sollte.
Und will den Gedanken einfach verdrängen.
Will dich verdrängen, aus meiner Vorstellung, weil meine Vorstellung von Familie so anders ist als deine.
Und ich verdränge dich recht erfolgreich.
Und mich auch. Mich gleichzeitig.
Uns, voneinander weg.
“So ist es halt.“
So ist es halt geworden und du hast „nichts gemacht“.